Anno 2021 geht die mechanische Extension des menschlichen Wesens voran. Immer mehr wird der Mensch zum hybriden Wesen, verschmilzt mit den digitalen Angeboten. Und immer vielfältiger werden die Möglichkeiten des Musizierens als physikalisches Formen von Klang zwischen analogen und Cyber-Soundwelten. Maßgeblicher Kooperationspartner beim diesjährigen Klangzeit Festival unter dem Motto »Hybrid Sounds / Hybrid Beings« ist wiederum IKLECTIK, eine dynamische und kreative Londoner Kunstplattform, die sich auf zeitgenössische Kunst, besonders Klangkunst, Installation und interdisziplinäre medienkünstlerische Arbeiten spezialisiert. Außerdem kooperieren die Austrian Composers Association und Radio Agora mit dem Klanghaus Untergreith in Sankt Johann im Saggautal.
Ehe auf die Spezialitäten im Programm eingegangen wird, sei noch auf die Finalrunde des phonoECHOES 2021 Wettbewerbs hingewiesen, den das Klanghaus Untergreith und die Austrian Composers Association (ACOM), ehemals Österreichischer Komponistenbund (ÖKB), heuer zum zweiten Mal abhalten. Eine Fachjury, der Viv Corringham, Annette Giesriegl, Richard Graf und Yoko Miura angehören, wählte die überzeugendsten eingereichten Werke aus den Bereichen Klanginstallation, Klangskulptur, Klangperformance, transmediale/transdisziplinäre Konzepte, freie Improvisation sowie elektroakustische Komposition aus. Die Finalist*innen Coma – Reinhard »Vøid« Hirschauer, Johannes Feuchter, Stanislaus Pili, Elisabeth Kelvin, Tahereh Nourani und das mexikanische Trio Nos Incogniti sind am 25. November per Live-Stream zu hören.
Wohlan, es ist zwar Lockdown, aber Hybrides lässt sich in vielerlei Formen genießen. Die künstlerische Leiterin Mia Zabelka erklärt im Interview, dass somit kein Grund für eine Absage besteht und wird des Weiteren über einige kuratorische Besonderheiten befragt. Ergänzend dazu legt Matthias Forenbacher im Anschluss seinen Programmpunkt zum Thema Mensch und Maschine dar.
Aus welchen Gründen wird Klangzeit wo stattfinden? Die on-site Klangzeit musste ins Aufnahmestudio der TU Graz verlegt werden …
Mia Zabelka: Wir haben heuer das Programm als Hybrid-Event konzipiert. Das heißt: Es gibt Programmpunkte, die on-site, online und on air stattfinden. Alle Festivaltage werden auf verschiedenen Plattformen live gestreamt, am 12. Dezember gibt es eine Radioübertragung auf Radio Agora, am 27. November war ein Open Air Event vor dem Klanghaus geplant. Trotz des derzeitigen Lockdowns können daher nach wie vor alle Programmpunkte – wie geplant – stattfinden, allerdings haben wir beschlossen, das on-site Programm am 27. November in das Recording Studio der TU Graz zu verlegen. Der Grund dafür besteht darin, dass derzeit im Rahmen eines Open Air Events des Klanghaus Untergreith kein Publikum zugelassen wäre. Wie gesagt, zum Glück müssen wir aber keine Abstriche hinsichtlich des künstlerischen Programms machen.
Waren die britischen Sound Artists nur als Streaming Acts geplant? Sohrab Uduman, Carla Rees sowie Sarah Watts waren bislang nicht auf dem skug-Schirm. Was sind deren Vorzüge?
England hat eine lange, überaus vielschichtige Tradition im Bereich der Sound Art, experimentellen Musik und des Noise. Großen Anteil daran haben etwa das renommierte »The Wire«-Magazin, aber auch diverse Festivals und Venues wie Cafe Oto oder IKLECTIK. Die Kurator*innen von IKLECTIK und wir haben seit Beginn unserer Kooperation im vorigen Jahr beschlossen, unterschiedliche künstlerische Positionen aus beiden Ländern, England und Österreich, zu präsentieren. Der Unterschied besteht darin, dass der künstlerische Pool, aus dem IKLECTIK schöpfen kann, wesentlich umfangreicher ist. Es freut uns daher sehr, dass uns IKLECTIK beim Aufbau einer jungen, dynamischen Sound Art Szene in Österreich unterstützt. Die drei Künstler*innen, Sohrab Uduman, Carla Rees und Sarah Watts, die IKLECTIK im Rahmen der diesjährigen Festivalausgabe ausgewählt hat, haben einen Klassik-Background. Sie haben ihren Beitrag speziell für das Festival im IKLECTIK vor ein paar Tagen eingespielt.
Monsterfrau wurde im skug relativ oft vorgestellt, da ihre Arbeit große Wertschätzung erfährt. Welche Performance ist geplant?
Monsterfrau wird gemeinsam mit Herbert Lacina, mit dem ich ja auch z. B. die Brandstätte Concert Series im Cafe Korb in Wien betreibe, im Rahmen des on-site/online Programms im Recording Studio der TU Graz am 27. November live auftreten.
Wolfgang Temmel ist auch einer, den ich wie Matthias Forenbacher sehr als Ukulele-Spieler schätze (Bonsai Garden Orchester). Über seine Rolle als Medienkünstler weiß ich zu wenig. Wie wird sich sein Beitrag gestalten?
Wolfgang Temmel wohnt in Wies, nicht weit vom Klanghaus Untergreith, über die Jahre sind wir gute Freunde geworden. Ich schätze ihn sehr als überaus vielseitigen Künstler, der Grenzen zwischen unterschiedlichen künstlerischen Sparten scheinbar mühelos überwindet. Er arbeitet schon seit Jahren an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst, Musik und Klangkunst. Im Rahmen des diesjährigen Festivals wird er die Videoarbeit »Fridom Aelan« seiner 2020 neu gegründeten Formation Clarence Wolof & The Passengers präsentieren.
Diesmal sind auch einige Künstler*innen aus Slowenien und Kroatien dabei. Was zeichnet Matija Debeljuh, Samo Kutin und Tamara Obrovac aus und gibt es da einen Fördertopf extra?
Das Klanghaus Untergreith ist nahe der slowenischen Grenze gelegen. Wir arbeiten daher schon seit Jahren mit Künstler*innen aus dem Alpen-Adria-Raum zusammen, die beispielsweise im Konnex mit seitens der EU geförderten Projekten stehen. Hier entsteht gerade eine sehr spannende, äußerst komplexe Sound Art Szene, die wir selbstverständlich sehr gerne auch im Rahmen des Klangzeit Festivals vorstellen. Matija Debeljuh ist ein junger Videokünstler aus Kroatien, Samo Kutin ein Klangkünstler aus Slowenien. Beide sind bereits international – über die Grenzen ihrer Länder hinaus – bekannt. Tamara Obrovac ist eine ganz großartige Musikerin und Komponistin, die an der Schnittstelle zwischen Jazz und kroatischer Folklore arbeitet. Ich bewundere sehr ihre Offenheit. Im Rahmen von Klangzeit 2021 wird sie ihr erstes Klangkunstprojekt vorstellen.
Matthias Forenbacher: Mensch und Maschine
Matthias Forenbacher, der in diesem Monat bereits die Musik für die performative Hommage »Ruf!« an den 2020 verstorbenen langjährigen »Manuskripte«-Herausgeber Alfred Kolleritsch im Forum Stadtpark Graz aufführte, hat den Autor dieser Zeilen mit dem Album »Dogs« heuer bereits sehr berührt. Deshalb freut sein Auftritt beim Klangzeit Festival ganz besonders (Live-Stream aus dem Tonstudio der TU Graz am 27. November). Hier das Feedback des Looping-Meisters dazu:
»In meiner Darbietung werde ich mich dem Thema Mensch und Maschine widmen; der Arbeit, sei es der menschlichen wie der maschinellen, dem Arbeitsalltag, dem immer Wiederkehrenden, der Monotonie sowie der Herausforderung und Konfrontation mit auftauchenden Schwierigkeiten und Härten. Ich bediene mich dabei jedenfalls der elektrischen Gitarre und des Loopers (und vielleicht ein paar elektronischer Klänge bzw. einer serbischen Roma-Trommel) und möchte eventuell auch auf einem Schrottplatz aufgenommene (bzw. gesampelte) Maschinenklänge einsetzen. Im Hintergrund des Klangzeit Festivals wurden die einzelnen Künstler*innen außerdem um eine Komposition mit dazugehörigem Video gebeten. Es wird am 26. November von Klangzeit in Kooperation mit IKLECTIK London und ACOM via Live-Stream ausgestrahlt werden. Für meine Videoarbeit habe ich mich konkret mit dem Thema Schrottplatz auseinandergesetzt und mich mehrere Tage auf einen Schrottplatz begeben und gefilmt und Klänge und Geräusche aufgenommen und daraus das »Poem on a Junkyard« geformt. Also Bilder, Bewegungen, Geräusche, Klänge, Maschinen (Kräne, Bagger, Schrottpressen …), Schrott, Stahl eines Schrottplatzes zu einer Musik und einem Video zusammengesetzt. Die Musik werde ich beim Klangzeit Festival als Ausgangspunkt der Live-Darbietung zu verwenden versuchen.«
Klangzeit, 25. bis 28. November 2021, jeweils ab 19:30 Uhr
IKLECTIK London | YouTube Live-Stream
Austrian Composers Association | YouTube Live-Stream
Klangzeit Special, 12. Dezember 2021, 18:00 Uhr