Das heurige Fehlen einer Auftragskomposition zur Eröffnung des Jazzfestivals Saalfelden kompensiert man mit einem Stimmschwerpunkt. Denn der »Artist in Residence« ist 2021 der Stimmradikalist Christian Reiner, der gleich mit fünf Projekten zu Buche schlägt. Der gebürtige Münchner experimentiert dabei in unterschiedlichsten Besetzungen etwa mit literarischen Texten von Christine Lavant oder Wolf Wondratschek und öffnet sich auch hin zu Kinderstücken für die jüngsten Zuhörer*innen. »Ich will etwas Neues machen, nicht nur altes Zeug präsentieren«, versprach Reiner konkret bei einer Pressekonferenz.
Doch dass überhaupt jemand seine Stimme erheben kann und sich in Experimentierlaune präsentieren darf, verdankt das Publikum abermals der Improvisationsgabe der Saalfelden-Verantwortlichen. »Der Start für die Programmgestaltung war dieses Mal erst im April möglich«, meinte dazu der Intendant des Festivals, Mario Steidl. Zudem habe man in diesem Jahr nicht auf Festivals fahren können, um Neues zu entdecken, schob er nach.
Gratiskonzerte – und viel Wald
Wohl auch, um einen dadurch ausgelösten Stillstand zu vermeiden, entschied sich das Saalfelden-Team dazu, neue Festival-Räume zu erschließen. »Es wird Konzerte in einer alten Industriehalle geben, vor allem aber auch Gigs in den umliegenden Bergen und Wäldern«, verriet Steidl. Die Anzahl von Konzerten mit freiem Eintritt werde dadurch im Vergleich zu den Vorjahren noch deutlich erhöht, ließ er dezidiert wissen. »Von den 60 Konzerten sind 40 bei freiem Eintritt zu erleben«, so Steidl.
Das alles nicht zuletzt deswegen, weil der Jazz in Saalfelden auf hörfreudige Menschen in Auszeitstimmung hofft. »Ich bin sicher, dass heuer viele Menschen Urlaub in Österreich machen werden«, sagte Steidl und war sich zugleich sicher, dass dieser Tatsache sowohl Gratiskonzerte als auch verlängerte Festivaldauer zugutekommen. »Natürlich freue ich mich aber auch, wenn sich die Urlauber*innen auf das konzentrierte Zuhören auf der Mainstage und bei den Short-Cuts« einlassen, strich Steidl heraus.
Viel Heimisches im zweiten Krisensommer
Die nach wie vor nicht ausgestandene Corona-Situation drängt die Festivalmacher*innen auch zum Blick auf das Heimische. »Saalfelden bildet 2021 stark die österreichische Szene ab«, strich Steidl heraus. Rund 50 Prozent gingen auf das Konto von österreichischen Musiker*innen oder deren Beteiligungen, so der Festivalintendant. Noch eine Folge hat die derzeitige Situation: Man wolle die Musiker*innen für einen längeren Zeitraum in Saalfelden halten. »Das hat zur Folge, dass man diese in mehreren Projekten und Settings erleben können wird«, erklärte Steidl.
Dennoch bietet Saalfelden 2021 ein überraschend breites Programm. Ceramic Dog mit Marc Ribot wird am 21. August kurz vor Mitternacht ein Klanggewitter auf der Mainstage entfachen und der Pianist Craig Taborn gibt bei den neu etablierten »Mountain Tracks« bei freiem Eintritt sein Stelldichein. Auf Seiten der einheimischen Künstler*innen wiederum gibt es etwa die Wiener Band Buntspecht bei den »Park Tracks« zu hören, während David Helbock im Rahmen von »Nexus+« im Trioformat auftrumpfen möchte.
Nebenher und überhaupt wird viel gewandert und Rad gefahren. Unter dem Motto »We hike Jazz« und »We bike Jazz« erobern die Zuschauer mit fachkundiger Begleitung die Almen und dürfen dann zur Belohnung Musik hören und möglicherweise auch Kraft dafür schöpfen, sich eine aus musikalischer Sicht etwas anstrengendere Impro-Session bei den »City Tracks« geben zu können.