© Desperate Pervert
© Desperate Pervert

»I was desperate and a pervert«

Eine überspitzte Selbsteinschätzung führt zum Künstlernamen und schließlich zum Album. Am 7. Februar 2025 erschien »Desperate Pervert« auf Partisan Records und bildet Tasmin Stephens Nebenprojekt zu TTSSFU.

In »The Punk Singer«, einer Dokumentation über Punk-Ikone Kathleen Hanna, werden deren Tagebucheinträge zitiert. Darin schrieb sie, dass die Schlafzimmer junger Frauen der Nährboden kreativen Schaffens seien. Dass sie, indem sie sich allein in ihrem Zimmer beschäftigen und selbst ausdrücken, die Welt verändern könnten. Es brauche nicht mehr als vier Wände und einen Kopf voller Ideen. In so einem Kokon der Möglichkeiten verpuppt sich Tasmin Stephens. Ihr Zimmer befindet sich in Manchester, UK, und dient zugleich als Tonstudio für ihre zwei Soloprojekte. Mit 16 Jahren begann sie, Musik auf SoundCloud hochzuladen. Heute ist sie 21 und hört auf die Künstlernamen TTSSFU und Desperate Pervert.


TTSSFU besteht nun schon seit ein paar Jahren. Die bisher erfolgreichste Single »I Hope You Die« erschien im November 2023 und brachte Stephens einen Label-Deal mit Partisan Records ein, wo 2024 auch die Debüt-EP »Me, Jed and Andy« veröffentlicht wurde. Außerdem tourte sie bereits mit Soccer Mommy und Mannequin Pussy. Der Sound ist verträumt, durchwachsen, neblig und klar. Eine Klarheit, die Stephens für Desperate Pervert ablegt. Ihr zweites Projekt, dessen erste Veröffentlichungen im Dezember 2024 erschienen ist, lässt Raum für Spontaneität und heimeliges Rauschen: »For Desperate Pervert I wanted to go down a bit more of an experimental / LoFi route, because sometimes it gives more emotion, (it’s) very inspired by The Moldy Peaches, Daniel Johnston, The Microphones and Coma Cinema. I think these artists do a good job at putting out honest emotional music.« 

A big pisstake

Ehrlich sind die zehn Songs auf dem selbstbetitelten Album, das am 7. Februar 2025 Release feierte, ohne Zweifel. Die Emotionalität allerdings weicht ab und an einer guten Portion Humor und Dadaismus. So kreditiert Stephens auf dem zweiten Track »Rock and roll suck my ass« Indie-Folk-Legende Adrianne Lenker als Feature-Gast, obwohl sie rein gar nichts mit der Produktion zu tun hat. Der Song selbst wiederholt textlich dieselben sechs Worte, ist bestickt mit jaulenden Ad-libs, klingt verzerrt und schrill. »A lot of it is a big pisstake«, sagt die Musikerin selbst zu ihrem Werk und meint damit vermutlich den verspielten, weniger verkopften Zugang zu diesem Projekt im Vergleich zu TTSSFU. Dass in Desperate Pervert trotzdem Herzblut fließt, ist den Aufnahmen anzuhören. Stephens spielt alles selbst ein und mixt auf GarageBand, erfindet neben sanftmütigen Melodien, wie auf »10,000 cigarettes«, experimentelle Sounds, wie für den Skit »The day I was born«, und besticht mit mehrdeutigen, intimen Lyrics. Soundelemente, die an quietschiges Kinderspielzeug erinnern, und Chöre aus gelayerten Ad-libs verleihen den Songs Empfindsamkeit, Ehrlichkeit und rohe Unschuld. 


Etwas ungewohnt, einer Künstlerin dabei zuzuschauen, wie sie sich von einer komplexen Produktion zu einer simpleren entwickelt – zumal doch meist das Gegenteil der Fall ist. Mit Desperate Pervert erkundet Tasmin Stephens aber eine andere Nische in sich, erfüllt kreative Bedürfnisse in der Romantik des Unvollkommenen und gewinnt ihre Zuhörer*innenschaft durch Authentizität und einer Prise Leichtsinn. Das beweist das Cover, auf dem ihr Gesicht mit einem gekritzelten Penis auf der Stirn abgebildet ist, ebenso wie der Künstlername: »I chose the name after I spent a day with someone i really fancied, after that day, all I could think about was him, I was desperate and a pervert«.

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