Das Doppelkonzert von Douglas Dare und Manu Delago an diesem Dienstag, dem 18. Oktober 2023 im Berio-Saal des Wiener Konzerthauses verspricht in jeder Hinsicht besonders zu werden: Zwei Ausnahmetalente, die gemeinsam Stücke aus ihrem Repertoire im intimen Rahmen präsentieren? Count me in! Nach etwas verzögertem Einlass sichere ich mir einen Sitzplatz in der ersten Reihe und damit im Zentrum des Geschehens. Während die Bühne sich eher langsam und punktuell mit Nebel füllt, tut dies der Saal umso rascher und die Artists werden beim Betreten der Bühne mit frenetischem Applaus begrüßt.
Douglas Dare, barfuß, platinblond und im wallenden weißen Gewand eine fast engelsgleiche Erscheinung, setzt sich anfangs außerhalb des Rampenlichts auf den Boden und lässt Manu Delago den Vortritt. Dieser beginnt mit einem seiner Stücke am Hang bzw. an den »Hanghang« – drei davon hat er vor/neben sich – und wo eben noch geschäftig getuschelt wurde, kann man jetzt eine Stecknadel fallen hören. Die letzten Klänge des Intros gehen nahtlos in Dares A-cappella-Version von »Red Arrows« über und seine weiche, glasklare Stimme schwebt nahezu körperlich durch den Raum, bevor er sich an den Bösendorfer setzt und die zweite Strophe – jetzt mit Mikrofon-Unterstützung – am Klavier intoniert.
Werkschau mit Überraschungen
Das Programm an diesem Abend ist in weiten Teilen ein Querschnitt vor allem von Douglas Dares mittlerweile zehnjährigem musikalischen Schaffen. Der in Dorset, England aufgewachsene Brite veröffentlichte seine Debüt-EP »Seven Hours« 2013 und sein Debütalbum »Whelm« 2014 auf Erased Tapes und tourte mit Labelkollegen Ólafur Arnalds und Nils Frahm durch Europa und Amerika. Das zweite Album »Aforger« erschien 2016, das dritte »Milkteeth« 2020, kurz vor der Pandemie. Bei seinem ersten Wien-Konzert seit neun Jahren (treue Fans erinnern sich an den letzten Auftritt als Support von Fink in der Wiener Arena) spielt er vor allem Stücke aus den letzten beiden Longplayern wie »Oh Father«, »New York«, »Heavenly Bodies«, »Wherever You Are« und »Rex« sowie eine gefühlvolle, live-erprobte Coverversion von »Teardrop« von Massive Attack.
Dazwischen plaudert der sympathische Engländer aus dem Nähkästchen und überwindet damit schnell die dem gediegenen Ambiente geschuldete Distanz zum Publikum. Seine Großmutter habe, als er ihr von seinem Auftritt in Wien erzählte, gefragt, ob er eh wisse, dass er Österreicher sei, zumindest teilweise, denn: »My great-grandfather was from Innsbruck … Surprise!«, verkündet er Delago die frohe Botschaft. Die beiden Künstler teilen sich also nicht nur die Bühne, sondern auch die Wurzeln, denn Manu Delago ist selbst in Innsbruck geboren und aufgewachsen und verdiente sich hier seine ersten Sporen als Musiker, bevor er sich international als Schlagzeuger und Hangspieler einen Namen machte – zuletzt war er mit Björk in der Wiener Stadthalle zu sehen.
Harmonisches Zusammenspiel
Bei der Präsentation seiner eigenen Stücke hält sich Manu Delago – auch im Geiste seiner Konzerthaus-Porträtserie – zurück und stellt das musikalische Werk von Douglas Dare in den Vordergrund. Dennoch ergänzt und akzentuiert sein Percussion-Spiel den feinfühligen Chamber-Pop von Dare auf harmonische Weise und verleiht den Stücken eine besondere Note, ohne sich aufzudrängen. Douglas Dare wiederum gibt sich als routinierter Performer am Klavier wie an der akustischen Gitarre, insbesondere aber an seinem Hauptinstrument: seiner einmaligen Stimme, die sich scheinbar schwerelos durch turmhohe Tonleitern hantelt und mit ihrer stoischen Präsenz und fragilen Klarheit jeden Raum füllt.
Das Duo Manu Delago und Douglas Dare ist noch an drei weiteren Terminen in Österreich zu sehen: am 19. Oktober im Dom im Berg in Graz, am 20. Oktober im Salzburger Marionettentheater und am 21. Oktober im Treibhaus Innsbruck. Das Konzerthaus-Porträt von Manu Delago wird im kommenden Jahr mit zwei Terminen weitergeführt: Das Manu Delago Ensemble gastiert am 4. März 2024 im Mozart-Saal und am 29. Mai präsentieren Anoushka Shankar, Manu Delago, das Mosaik String Orchestra und Jules Buckley »Between Us« im Großen Saal.