skug: Leider bist du für mich erst seit den Happy Kids ein Begriff. Wie klangen die Bands, in denen du zunächst nur als Vokalistin, dann als Bassistin bzw. Gitarristin und jeweils Sängerin mitwirktest.
Ana Threat: Anarchophobia war eine Anarchopunkband, Sensual Love so 2000er-Noiserock, Happy Birthday Juanita Riot Grrrl Rock.
Ab wann hast du dir das Pseudonym Ana Threat zugelegt? Ich könnte nur Vermutungen anstellen, woher es kommt, und bitte deshalb um Aufklärung.
Ich bin ein Minor-Threat-Fangirl und hab mich so Ramones-mäßig in diese Familie eingeschrieben, mehr oder weniger auf diese Art. Den Namen benutze ich seit Mitte der 2000er, ursprünglich als Nom de Guerre für das kurzlebige Riot Grrrl Beijing Chapter, in dem ich das Privileg hatte, mit von der Partie zu sein.
Kristy and The Kraks knüpft daran und noch weiter in der Vergangenheit an. Hast du den Namen des Duos gemeinsam mit Kate Kristal (Dot Dash), mit der du dich immer an Drums bzw. E-Gitarren abwechselst, ausgesucht?
Kristy steht für Kristy Wallace, also Poison Ivy von dem Cramps, die sowohl für Kate Kristal als auch für mich ein sehr positiv besetztes Role Model aus dieser üblicherweise stark männlich dominierten Garagen RockʼnʼRoll-Ecke darstellt.
Euer Gig im Wiener Nachtasyl am 28. Dezember 2017 ist mir sehr gut eingefahren. Mir gefielen insbesondere deine Fuzzgitarre und die absolute Hingabe, mit der ihr gesungen habt. Das funktionierte nicht nur beim Doowop-Song »Be Nice«, sondern auch bei den kurzen Punkrock-Heulern. Da es von Schweiffels und Puke Puddle keine Tonträger gibt, würde ich gerne wissen, wie viel vom Kristy-and-The-Kraks-Sound hier einfließt bzw. klingen die beiden Bands ganz anders?
Die Hingabe beim Singen und Spielen kommt von einem anderen großen historischen Einfluss auf die Band, nämlich Sixties Girl Groups wie die ohnehin kanonisierten Shangri-Las, die Crystals und die Ronettes, aber auch von härteren Gruppen wie den Whyte Boots, Continental Co-Ets, Liverbirds, Luvʼd Ones, Hairem und so weiter. Bei denen geht es immer um Romance auf Leben und Tod. Diese Sensibilities waren die ersten Popgefühle, die mich als Prä-Teen komplett in ihren Bann gezogen haben, und sie haben mich bis heute immer wieder und immer noch im Griff.
Schweiffels und Puke Puddle sind sehr anders: Schweiffels sind das Brainchild von Sängerin und Gitarristin Hicran Ergen, die alle Nummern schreibt und den Hauptteil des kreativen Prozesses der Kombo steuert – da trommle ich mehr so mit. Genremäßig würd’ ichʼs als Cold Wave/Psych bezeichnen, auch Sparten, die mir sehr taugen. Puke Puddle ist ein Doom-Hardcore-Duo, in dem ich mich gemeinsam mit Tina Bauer von LEVIE einer geteilten Leidenschaft für generelle Weirdness, Synthscapes, harte Drums und gebrüllte Split Vocals reinsteigern kann. Im Frühjahr bringen wir ein Tape auf dem klassen Linzer Label Epileptic Media raus.
Über dein Soloalbum »Cold Lve« (Cut Surface) gab es viel Review-Feedback. Ist die Platte mittlerweile vergriffen und harrt einer zweiten Auflage?
Haha, die Platte ist keinesfalls ausverkauft, sondern stellt ganz klassisch DIY-Punk-Style in Kartons meine Miniwohnung voll. Also zweite Auflage sicher nicht, im Gegenteil, wer mich von einer Kopie erlösen möchte, bitte melden.
Du bist mit The Boiler noch eine One-Person-Band. Warum ist eine Unterscheidung von Ana Threat nötig?
Als Ana Threat mache ich Song-basierten Garagenpunk. Mit The Boiler operiere ich nicht nur live mit komplett anderem Besteck – nämlich Tapeloops, einer Philicorda-Orgel und diversen Drone-Kasteln –, sondern arbeite bei den Aufnahmen eng mit einem Produzenten zusammen, der hauptsächlich Techno und Synthpop-Sachen macht, und der die Ultra-Lo-Fi-scheiß-drauf-Attitude, mit der ich sonst an meine Sachen herangehe, nochmal in eine andere Richtung tweakt. Das ist für uns beide eine Herausforderung, aber ur aufregend. Derzeit experimentieren wir uns durch ein Album, das im Herbst 2018 auf Cut Surface erscheinen soll.
»Johnny Reinprecht« auf Vol. X2 der Ana Threat/The Boiler Split-Kassetten-Serie gefiel mir dermaßen gut, dass ich diesen Tonträger in meine Jahrescharts 2017 – siehe http://www.skug.at/article8708.htm – aufnehmen musste. Was hat es mit dem Titelhelden auf sich?
Die Titelheldin auf beiden Tracks, in denen es um das Spannungsverhältnis von Lohn- und Reproduktionsarbeit geht, bin ich selbst. Vien V represent!
Ich dachte, »Johnny Reinprecht« kommt aus dem Reality TV? Hast Du ein Faible dafür bzw. besser: Comics?
Nein, gar nicht. Ich schau generell sehr wenig fern und geh lieber ins Kino. Comics und Graphic Arts sind dagegen wichtig, da interessiert mich vor allem, was in Wien so passiert zum Beispiel bei HOUSE publications, bei den Soybots oder so aufregenden Leuten wie Nina Buchner, also Graphic Artists und Kollektiven, die auch in der DIY-Musikszene mitmischen und mit denen es immer wieder zur fruchtbaren Zusammenarbeit kommt.
Die Split-Kassette von Ana Threat/The Boiler erschien kürzlich auf HOUSE publications. HOUSE ist ein diskursiv visueller Verlag, der über die Methode Comics arbeitet und mit dir eine Musikschiene startet. Gibt es personelle Überschneidungen mit Cut Surface oder Fettkakao oder ist das »nur« eine Familie mit ähnlich gestreuten Interessen?
Cut Surface, Fettkakao und HOUSE sind jeweils eigene Labels mit eigenen Leuten dahinter. Freundschaftlich, organisatorisch und politisch gibt’s natürlich viel Austausch und Kooperation untereinander. Die Familienmetapher wäre passend, wennʼs mich beim Familienbegriff nicht so schaudern würde, weil ich das in meinem Kopf immer mit so heteronormativen oppressiven Szenarien verbinde, haha … Ich würde eher so ganz Nineties-mäßig naiv sagen: Es ist eine Szene, und sie funktioniert. Darüber freu ich mir jeden einzelnen Tag einen Haxen aus.
Irgendwie scheint mir logisch, dass du 2017 das Popfest co-kuratieren konntest. Wie kam es dazu?
Ich wurde gefragt und hab ja gesagt 🙂
Als »Rampensau« war es für dich vermutlich kein Problem, die Bands auf der Karlsplatz-Bühne anzusagen? Und wie funktionierte die Zusammenarbeit mit Eberhard Forcher, der ja von einem etwas gar anderen Planeten kommt?
Ich habe Eberhard in den Monaten unserer Zusammenarbeit als extrem wertschätzenden, umfassend informierten und interessierten, offenen und verlässlichen Kollegen kennengelernt, mit dem es eine Freude war, zu tüfteln und planen. Und nein, mit Ansagen und Publikum habe ich generell selten Probleme. Am liebsten waren mir die Durchsagen, in denen ich die Gäste dran erinnern durfte, ihre mitgebrachten Getränke von Flaschen in Becher umzufüllen – Tina Bauer ist dafür mit dem sensationellen Slogan »Spaß ohne Glas« aufgekommen. Wenige Wochen später sind wir dann das erste Mal gemeinsam als Hardcoreband im Proberaum gestanden, wo es ja auch viel um Parolen dreschen geht. Match made in Karlsplatz-Heaven also 🙂
Die Wahl deiner Ana-Threat-Bühnenoutfits, hat diese mit Gender zu tun? Jedenfalls empfinde ich sie immer wieder cool und irgendwie als Statement.
Wer als Artist als weiblich/Frau wahrgenommen wird, kommt nicht umhin, bei der Inszenierung der eigenen Bühnenpräsenz die Politiken der Repräsentation von Geschlecht mitzudenken. Ich persönlich übertreibe und zitiere halt gern in meinen Outfits. Im Moment interessieren mich vor allem Schleier, und damit verbunden solche in dominanten westlichen Überlieferungsdiskursen mit Ekstase, Raserei und vielschichtig komplizierter Sexualität in Verbindung gebrachte Figuren wie z. B. die heilige Teresa mit ihren komplett irren Tagebüchern und ihrer Verkörperung in Marmor durch Gian Bernini.
Die Konzentration linker Parteien auf das Genderthema, sexuelle Minderheiten etc. hat leider vom wahren Kern abgelenkt, um den es in neoliberalen Zeiten geht. Es muss wieder mehr auf die Klassenunterschiede geachtet werden. Weil die Sozialdemokratie mitverantwortlich ist für die soziale Ungleichheit, hat sie das Vertrauen sogar in Mittelschichten verloren. Was denkst du darüber?
Erstens: Keine linke Partei, die ich kenne, thematisiert Geschlechterfragen und -verhältnisse und sexuelle Politics ausreichend und ausreichend komplex genug. Zweitens: Ernstzunehmende Feminismen sind immer intersektional und denken Differenzen in ihren Verschränkungen. Hier ist noch so viel Arbeit zu leisten, die im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima immer schwieriger zu werden scheint: siehe z. B. die Streichung der Förderungen in Oberösterreich für Vereine wie MAIZ und FIFTITU%, die seit Jahren essenziell wichtige antirassistische, antikapitalistische, feministische Arbeit leisten. Ich kotze.
Es besteht wohl auch ein Zusammenhang, dass sich trotz Rechtsaußenregierung viele junge Menschen in eine Art Neobiedermeier zurückziehen. Wo verortest du dich?
Out In The Streets statt Leader of the Pack, Zwangsräumungen verhindern statt Flexiwohnen, »Kin not Babies« w/ Donna Haraway, Hexenzirkel statt Eheschließung.
Ana Threat: » Hypno-Trash Cassette Vol XI bis Vol X3«
(Split audio cassette tape with The Boiler, HOUSE publications – Teil 3 erscheint im April 2018)
Links: