Einen eigenwilligen Bereich zwischen Free Jazz und Improvisation erschließt Henry Threadgill. Seit über 40 Jahren ist der aus Chicago stammende in New York lebende Threadgill als Bandleader und Komponist mit diversen Ensembles arbeitend. Informiert man sich genauer über Threadgill erfährt man auch, dass dieser hinsichtlich seiner Kompositionen von Bezügen zur Zwölftonmusik spricht. Und manche sein Werk als eine eigene Dimension neben den Harmolodics, von Ornette Coleman eingeführt, bezeichnen. Große Worte also, die eine entsprechende Erwartungshaltung hervorgerufen hatten bei mir, bevor ich am 13. Mai 2010 erstmals ein Konzert von Threadgill mit seiner aktuellen Formation Zooid besuchte: Ich treffe erst einmal nicht auf Erwartetes. Etwas ratlos höre ich ein Stück an, bei dem ich nicht weiß, wie es einzuordnen ist und was ich von ihm halten soll. Der elitistische Threadgill, in legerer Leinenhose und -hemd regelrecht betont unprätentiös aussehend und sich auch so verhaltend. Lange Parts über steht er während des Auftritts immer wieder nur zuhörend vor seinem Partiturheft mitten auf der Bühne und lässt die Bandmusiker spielen. Bis in jedem Stück irgendwann doch ein Moment kommt, bei dem er beschließt mit verschnörkelt-leichten Fötenmelodien oder relativ hartkantigen Alt-Saxofontonfolgen absolut souverän einzusteigen. Sofort wie umgeschaltet wird dabei dann aus zurückhaltendem Sound spannungsgeladenes Spiel auf einer Ebene ohne Genregrenzen. Vor allem wenn er das markantere seiner beiden Instrumente, das Alt-Saxophon einsetzt. Und ich gerate nach meinem anfänglichem Zögern doch fasziniert in den Bann seiner Musik. Nicht leicht einordenbar in chromatisch, seriell, Dur, Moll. Mit ganz eigenen Strukturen sind seine Kompositionen und das Interpretieren und Improvisieren von jedem der fünf Musiker von Zooid. Die Kompositionen sind für jeden Musiker entlang einer Serie von Intervallblöcken organisiert. Diese sollen sich frei innerhalb der Intervalle bewegen, Melodien improvisierend, Kontrapunkte kreierend. Es geht um das Perfektionieren eines neuen Systems des Improvisierens in einer Gruppenkonstellation. Zooid bedeutet: » …a cell that is able to move independently of the larger organism to which it belongs…« .
Die Rhythmusarbeit von Schlagzeuger Elliot Humberto Kavee kann spezielle, ureigenste Wege einschlagen. Reizvoll auffällig wirken die Akzente, die Jose Davila mit der Tuba setzt, der manchmal an die Posaune wechselt und sich auch in Rhythm-Section mit dem fließenden, aber raffinierten akustischen Bassspiel von Stomu Takeishi befindet. Der Gitarrist Liberty Ellman spielt eine akustische Collings 01 aus Texas. Eine merkwürdig kleine Gitarre, ein beachtenswerter Gitarrist. Sich einfügend, versonnen tiefenimaginativ und auch klartraumhaft herausragend solistisch.
Die 2009 veröffentlichte CD von Henry Threadgill Zooid, auf der dies alles festgehalten ist, heißt »This Brings Us To, Volume I« (Pi Recordings/Alive).
The Golden Striker Trio – Chamber Jazz
Chamber Jazz, bei dem es um diffiziele Nuancen geht, spielt The Golden Striker Trio. Chamber Jazz von kleinen Ensembles ohne Schlagzeug bindet Einflüsse aus der klassischen Musik mit ein. Und was sich Allstarbesetzung nennen darf und in edlen Anzügen auf der Bühne zu sehen ist, das sind die drei Schwarzen Ron Carter am Bass, Russell Malone an Gitarre, Mulgrew Miller am Piano. Ron Carter dürfte auf annähernd 2.000 Tonträgern zu hören sein und gehörte beispielsweise zur Miles Davis Group. Spielte aber nicht nur mit Free Jazzern und Artverwandtem, sondern auch etwa mit den Hip-Hoppern/Jazz-Rappern A Tribe Called Quest eine CD ein. Der Neo-Hardboper Mulgrew Miller war unter anderem bei Art Blakeys Jazz Messengers, der Modern Jazzer Russell Malone bei Diana Krall.
Ich verfolgte am 21. Juli 2010 das Konzert von The Golden Striker Trio im Night Club Bayerischer Hof: The Golden Striker Trio sind oberflächlich eingeschätzt gemäßigt konservativ. Nach anfänglich kritischer Skepsis entscheide ich aber von einem Augenblick zum andern von Besserem überzeugt, mich treiben zu lassen in der Musik. Rhythmen und Melodien ausgetüftelt, schwerelos, warm, slick, tänzerisch in einen zeitlosen Raum leitend, der einen wie ein Kokon umschließt. Und in dem man genießend eine Weile vergessen kann, dass es auch die Konfrontation mit Unschönheiten und Grobheiten einer Welt außerhalb der Musik gibt. Was an The Golden Striker Trio über die äußerste Virtuosität hinaus das Exquisite, Besondere ist sind die wiederkehrend vertrackten Rhythmus- und Melodieläufe und verqueren Spielereien vor allem von Ron Carters Bass. Der immer auch absolut Zeitgemäßes einbringt. Selten etwas Feineres gehört.
Songs wie das sehr schöne »A Quick Sketch« sind auf der bereits 2003 veröffentlichten CD » The Golden Striker« (Blue Note/EMI) zu finden.
Genannter Nachtclub bzw. Jazzsommer firmiert im bekannten Münchner Hotel Bayerischer Hof und bietet immer wieder auch nennenswerte Jazzevents.
http://www.bayerischerhof.de/de/entertainment/night-club/index.php