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Gero from Vienna

»Space & SciFi«

Self-release

Mit seinem am 18. Juni 2025 veröffentlichten Album »Space & SciFi« hebt Gero from Vienna in jene Sphären ab, in denen die Soundkunst mit alten Filmuniversen flirtet und das elektronische Klanglabor zum Raumfahrtzentrum wird. Zwischen analoger Wärme und digitalem Staunen katapultiert Gero ein höchst eigenständiges, schräg-ästhetisches Statement aus dem Wiener Underground in die Umlaufbahn. Für manche mag das außerirdische Zirpen, Flirren und Dröhnen eine Hommage an Sci-Fi-Klassiker sein. In jedem Fall ist es ein höchst vergnüglicher tonaler Ausfluss der Gero’schen Sammlung absurder Mini-Synths, wie zum Beispiel Dark Marie und Laika.osc (Error Instruments), JMT D-2 oder einer Selbstbauvariante der legendären Lyra-8. Bereits die Tracktitel deuten auf eine gewisse popkulturelle Lust am Absurden hin, die irgendwo zwischen B-Movie, Jean-Jacques Perrey und BBC Radiophonic Workshop zu verorten ist. Aber Gero macht daraus kein Retro-Pastiche, sondern ein organisch gewachsenes, mitunter psychedelisch funkelndes Universum voller piepsender Beacons, verwobener Schleifen, tiefer synthetischer Flächen und szenischer Humorimpulse. Track 2 »Laika« beginnt mit satten Osci-Sounds, wie sie nur aus einer Lyra-8 stammen können. Der Rezensent ist schockverliebt, ein sehr subjektiver Eindruck; er liebt halt auch seine eigenen Lyras. Die Weltraumhündin »nasert« durch die Kapsel, bis plötzlich bei 1:48 die Synths in eine Art Alarmismus verfallen und schließlich in kollektiver Zerrissenheit durcheinanderdröhnen. Herrlich, wie warm die Stimmen klingen. Track 3 »Oh, it’s not a moon, it is a giant gas tank« ist so etwas wie das humoristische Gravitationszentrum des Albums. Der Titel, ein klarer Verweis auf eine ikonische Raumstation, bringt auf den Punkt, worum es hier geht: liebevolle Sci-Fi-Ironie. Klanglich ist das Stück ein ausgedehnter Drift durch modulare Tiefen: Knisternde Texturen und gluckernde Bässe lassen Assoziationen an Treibstoffleitungen, Cockpit-Funkverkehr und außerirdisches Morse-Geflacker entstehen. Die rhythmischen Elemente bleiben spärlich, aber gezielt – wie Steuerimpulse eines manuell geflogenen Raumschiffs. Die musikalische Sprache erinnert an frühe kosmische Elektronik ebenso wie an elektroakustische Improvisation. So als würde ein analoger Synth-Kapitän durch die feuchten Nebel eines postplanetaren Industriegeländes gleiten und dabei ein ziemlich gutes Mixtape im Bordradio laufen lassen. Im Track 5 »Signals?« schwappen gemütliche und wohlklingende Sirenen sanft ans Ufer; wir tanzen in der Kapsel, bewegen uns dabei in Zeitlupe. Fragmentierte Beats und oszillierende Quietscher schrauben sich ins Hirn, während ein brummendes Synth-Motiv durch den Äther jagt – fast so wie ein Weltall-Gärtner, der bemerkt hat, dass seine anaeroben Pflanzen zu denken begonnen haben. Dystopisch, verspielt, tanzbar auch auf dem Saturnmond Titan. »Space & SciFi« ist ein Glanzstück für alle, die ihre Sci-Fi lieber absurd als heroisch haben: eine zärtliche Ode an das Nichts. Mit Lo-Fi-Schwebesounds, glitchigem Herzklopfen und einem fast kindlich neugierigen Sounddesign wird der interstellare Raum naturgemäß nicht als Leere, sondern als fühlendes Wesen inszeniert. Brian Eno und Douglas Adams treffen auf Hamburger Experimental-Elektronik aus Wien.

Home / Rezensionen

Text
Sepp Wejwar

Veröffentlichung
26.06.2025

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