© Pashanim
© Pashanim

Für immer? Für immer immer?

Der Erfolgsrapper Pashanim veröffentlicht nach Jahren in der Szene sein erstes Album mit dem Titel »2000« und damit ein autobiografisches Werk, das einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere ausmacht.

»Bruder, sie sagen, wir rappen immer das Gleiche / Mehringdamm, 6–1, Packets, schnelle Autos/ Aber Bruder, ich versteh’ nicht, das ist doch unser Leben / Wenn wir nicht von das rappen, von was soll’n wir sonst rappen?« Mit diesen Worten beginnt »2019«, der erste Track aus Pashanims Mixtape »Himmel über Berlin« aus dem Jahr 2022. In der Zwischenzeit scheint dem Berliner Rapper doch noch mehr eingefallen zu sein, womit er seine Verse füllen kann. Denn auf seinem ersten Album »2000«, das am 13. Juni 2024 erschien, finden sich neben den üblichen hedonistischen Ausflügen mehrere tiefe Einblicke. 

Schon im ersten Titel »Intro« erzählt Pashanim, mit bürgerlichem Namen Can David Bayram, auf ehrliche und ungeschönte Weise von seiner Kindheit unter schwierigen familiären Bedingungen, von Menschen, die bei ihm im Stiegenhaus schliefen, und von Freunden, die ihn viel zu früh verließen. Verglichen mit seinen bisherigen (extrem erfolgreichen) Releases erlaubt dieses Intro eine überraschende Nahbarkeit an den sonst so Unberührbaren. Es beweist erneut, was schon zuvor durch Ramzeys »Cobalt« oder 2lades »MoMoneyMoProblems« bewiesen wurde: Verletzlichkeit zeugt von Stärke. Immerhin hat der in Berlin Kreuzberg aufgewachsene Rapper Millionen von Zuhörer*innen, die treu und voller Erwartung auf jeden nächsten Release hinfiebern. Sich vor einer so ungreifbaren Menge seelisch zu entblößen, erfordert sicher mehr Mut, als an Oberflächen zu kratzen. 

Das neue Millennium

Diesen Mut bringt Pashanim auf seinem Album nicht nur einmal auf. Stattdessen ziehen sich Ehrlichkeit und Reflexion als roter Faden durch den Release und tragen zum autobiografischen Charakter bei, der »2000« innewohnt. Benannt nach seinem Geburtsjahr wird darauf sein ganzes Leben aufgerollt, Schlüsselmomente werden aufgegriffen und bis ins Hier und Jetzt erzählt, nicht selten mit einer Spur von Ungläubigkeit. Was dabei stets mitschwingt, ist der Vergleich von früher zu heute, von Träumen zu Realität, von Hoffnung zu Errungenschaften. Bayram balanciert souverän zwischen Highlife und Bodenständigkeit und beweist durch Zeilen wie »Scheißegal, ob ich ’ne Mio oder Zwannis mach’ / immer in der Nachbarschaft« aus »Jede Saison«, dass er seine Identität nicht für den Erfolg verleugnet, sondern fest hinter sich selbst und seiner Geschichte steht. Eine Geschichte, die geprägt ist von popkulturellen Ikonen, Anime und Aggro Berlin. Sämtliche Einflüsse werden spielerisch referiert und entweder treffsicher in mehrdeutigen Lines eingebettet oder bildlich aufgegriffen, in Musikvideos, die seit Anbeginn Pashanims ästhetisches Selbstverständnis widerspiegeln. 

Ob Oberfläche oder Tiefgang, Pashanim hat seine eigene Sprache im Rap gefunden, die abwechslungsreich funktioniert, aber im Kern unverkennbar bleibt. Als One-of-a-kind-Künstler der Stunde hält er die deutsche Szene fest im Zaum und gibt die Richtung des Rennens an – der Rest folgt gewillt. Vom Mehringdamm auf die Bühnen der Welt, eine Erfolgsgeschichte über Skylines und Bordstein. Und während Pashanim auf »Mittelmeer« sagt: »Unser Leben ist verrückt, von uns sitzt keiner an ein’ Schreibtisch«, sitzen andere vor dem Laptop und verfassen Artikel über sein undurchsichtiges Wesen. Absolut verdient. Nach ausverkauften Shows, Platin für »Airwaves« und dem Debütalbum als Meilenstein wird der 23-jährige Künstler am Freitag, dem 5. Juli 2024 auf dem weltweit größten HipHop-Festival auftreten: dem Rolling Loud. Dessen Europa-Version findet heuer vom 5. bis zum 7. Juli in Ebreichsdorf bei Wien statt.

Pashanim: »2000« (Urban Records)
favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen