Wenn der Literatur-Nobelpreisträger Gabriel Garcia Márquez etwas von sich gibt, horcht die belesene Menschheit auf und sperrt ihre Lauscher ganz weit auf. Nun, der talentierte Kolumbianer hob seine Landsfrau mit einem Kommentar in den musikalischen und optischen Olymp: »Die Bewegungen sind anmutig, grazil und ihr Tanz feurig, gazellenartig. Die Musik vermittelt Lebensgefühl!«. Sprach er zumindest sinngemäß, klang mit seiner Wortwahl natürlich wesentlich spektakulärer.
Vier Jahre nach dem globalen Erfolg ihres englischen Erstalbums (13 Mio. verkaufte Alben weltweit; mehrere Nr. 1-Hits in unzähligen Ländern) war die kolumbianische Tanzmaus äußerst fleißig. In diesem Interregnum machte sie eine ausgedehnte Welttournee und ruhte sich anschließend verdientermaßen auf ihrem hübschen Hinterteil aus. Jetzt wirft sie in einem Jahr gleich zwei Silberlinge auf den Markt. Von den 60 Songs die sie geschrieben hatte, blieben schließlich 20 über. Das jetzige Album erscheint in ihrer Muttersprache; erst im November folgt die englische Ausgabe des aktuellen Werkes. Persönlich finde ich die spanische Sprache prinzipiell sowieso charmanter.
Die Produktion ist ein feines Sammelsurium an entzückenden Stücken. Das Produzententeam spricht Bände: Shakira selbst und niemand geringerer als Rick Rubin (System of a Down, Red Hot Chili Peppers, Beastie Boys, Slayer u.v.a. wissen seine Dienste zu schätzen. Wir auch.) haben Hand angelegt. Grundsätzlich erinnert mich das Album an vieles: 80er-Jahre-Retrostyle, Dire Straits, Groove, Rock, Sophie Ellis Baxter, Love Boat und die Spider Murphy Gang. Der Mix ist so kunterbunt, sodass er wieder großartig ist. Neben der »Sommer, gute Laune-Single-Auskopplung »La Tortura« hat mich »Dia De Enero« überzeugt. Klingt sehr hitverdächtig. »Fijacion Oral 1« besticht durch Abwechslung: alternierend angenehme soulige Klänge, rockige als auch melancholische Balladen und funky Popo-Wackel-Tanz-Kompositionen. Ganz neu ist ihr Album auch nicht, man versucht schon an »Laundry Service« anzuschließen. Ist legitim und ob des Erfolges des Vorgängers logisch. Trotzdem entwickelt sich Shakira weiter und versucht immer wieder experimentelle Töne zu treffen (eifert sie ihrem Idol Kurt Cobain nach?). Nicht umsonst ist sie in spanischsprachigen Ländern seit frühester Kindheit ein Star (mit 13 den ersten Sony-Vertrag unterzeichnet). Treffend wird sie als »a tri-lingual child prodigy« tituliert, sie distanziert sich unverkennbar von den dumpfen Hupfdohlen der Pop-Industrie. Also, das Album darf in keinem hellenischen Straßencafé fehlen.
PS.: Wenn der Lümmel auf dem Cover einmal älter wird, darf er (sofern das Bambini überhaupt ein Er ist) angeben: Ich lag im Schoß der ollen Shakira. Neid muss man sich bekanntlich erarbeiten.