Vielleicht haben sich ein paar zu viele Punkbands in den 1980er Jahren über den soliden, ehrlich intransparenten Beton mokiert – jedenfalls stülpt das, was in Soziologieseminaren gerne diffus erhaben als »Macht« bezeichnet wird, längst lieber Glas über undurchsichtige Geschäfte. So gesehen läuft Fensters Fenster-Apologetik als etwas, das nicht selbst gesehen wird, als gateway zwischen Sehenden und Gesehenem, ein bisschen ins Leere.
Einprägsam ist der Name, den sich die Band zur Selbstbezeichnung ausgesucht hat, aber jedenfalls. Gegründet 2010 von MusikerInnen aus Deutschland, den USA und Frankreich, veröffentlichten die vier im März, genau zwei Jahre nach der ersten LP »Bones «, nun ihr zweites Album bei Morr Music, einem Label, das nicht unbedingt naheliegend ist für eine Band mit Lebensmittelpunkt in Deutschland, deren Verspielt- und Verspultheiten den elektronischen Velours nicht allzu dick auf den Klangteppich weben. Nicht bloß einfallslose Popjournalisten finden verwandte Klänge bei den süßlichen Morbiditäten der Post-Caleschen Velvet Underground, bei Mazzy Star, bei allem, was irgendwie lynchianisch erscheint oder, zeitlich näher, bei The XX oder Beach House, ebenfalls Gruppen also mit einem gemischtgeschlechtlichen Duo im Scheinwerferlicht, mit viel Raum im Klang und viel Traum im ambivalent-urbanen Alltag.
Band in a Bubble
Croft und Sim heißen bei Fenster JJ Weihl und Jonathan Jarzyna. In einem Café am Rosa- Luxemburg-Platz trifft skug sie zum Interview. Beide machen den Eindruck von Menschen, die gut klarkommen und dazu noch sympathisch sind; in Berlin heißt das was. Vielleicht auch die Ausstrahlung von KünstlerInnen, die es geschafft haben, die übliche post-debütale Tristesse zu überstehen. 2014 soll ein gutes Jahr werden, prognostizieren sie, besser als das von Tourstress und Erschöpfung geprägte letzte.
Für die Aufnahmen für »The Pink Caves « zogen die beiden gemeinsam mit Produzent Tadklimp in den letzten Ausläufern des harten Winters 2013 in ein Haus im brandenburgischen Nirvana – wo actually zu dieser Zeit, man mag es kaum glauben, eine Gasknappheit herrschte, so dass zum befreienden Offline- Werden noch kaltes Wasser hinzukam. Bessere Bandlegenden vom künstlerischen Wiederentdecken des eigenen Sounds kann man doch kaum stricken. Dabei waren es auch ästhetische Gründe, die diese Produktionsweise nahelegten, wie Jonathan Jarzyna erzählt: »Unser Produzent träumte immer davon, in vielen Räumen gleichzeitig aufzunehmen: ein Raum für das Schlagzeug, einer für den Bass, für die Gitarre, für Percussion und Spielzeuge. Wir haben drei Tage gebraucht, um aus dem Haus ein Studio zu machen, alles musste verkabelt werden. Wir verlegten Kabel über die Flure, sogar durch den Ofen, bis alles wieder mit dem Mischpult verbunden war. Und es war die Mühe wert, wir konnten alle gleichzeitig spielen, nur über die Kopfhörer verbunden. Wir haben dann jeden Sound aufgenommen, den man aus dem Haus rausholen konnte. Jede Tür, zuknallende Türen, jeder Gegenstand, den wir gefunden haben. Es gab einen Brunnen, der die abgefahrensten psychedelischen Geräusche zu bieten hatte, die man sich vorstellen kann, da sind wir mit dem Aufnahmegerät runter. Wir wollten die Musik den Raum einverleiben lassen.«
Traumlogiken
Der Albumtitel »The Pink Caves« ging der Entstehung des Albums voraus, und als Idee – als utopischer Ort, dessen Utopie noch nicht benannt ist – beeinflusste er ebenfalls die Klangfarbe der zwölf Stücke. Andere Welten, Realitäten, die sich unterscheiden, sind auch Themen der Texte. JJ Weihl nennt als Einflüsse Allen Ginsbergs »Howl« oder E. E. Cummings – oftmals aber baut sie Geschichten um ein einzelnes aufgeschnapptes Wort herum, das ihre Aufmerksamkeit erregt. Und letztendlich sieht sich (wie mein inneres Kind, das ein semiologisch informierter 1980er-Poptheoretiker ist, leider, mich anmerken lässt) in der Entstehung der Lyrics auch Diedrich Diederichsens good ol‘ These von der Sprache des Pop, dem Englischen, als eben nicht universal verständliche, sondern gerade als produktiv gemachte Unverständlichkeit, einmal mehr bestätigt: »Manchmal sang Jonathan beim Jammen irgendeinen Nonsens vor sich hin, als jemand, der kein englischer Muttersprachler ist, einfach etwas, das rhythmisch passte, und ich fing ein Element daraus auf. Es ist schon alles aus der Luft gegriffen, aus einem weirden, mysteriösen Unbewussten, aber eben auch aus Wissenschaft, Poesie, oder es folgt einem Konzept, das sich aus der Ästhetik des Songs ergibt«, meint Weihl.
Das mysteriöse Unbewusste scheint als Stichwort die Atmosphären der Gruppe Fenster gut zu treffen. Märchen spielen eine Rolle, Traumlogiken, passend zum Klang, der immer von irgendwo hinter einer Nebelwand zu kommen scheint, selbst wenn er glasklar ist, und wie die Töne sich – so anziehend und poppig die Songs auch sein mögen (und es sind eindeutig Popsongs, aber, so die Selbstbeschreibung, dekonstruierte) – nicht fassen lassen, sind auch ihre Narrationen der logischen Vernunft immer um eine Umdrehung voraus. Wenn etwas den Sound von Fenster beschreibt, dann ist es ein Hand-in-Hand-Gehen von warmer Heimeligkeit bis hin zur Plüschigkeit mit etwas genuin Unheimlichem. Im Grunde genommen liegt diese Musik in jenem finsteren Wald in der Talsohle eines Zustands, für den sich in der Robotik der Begriff »uncanny valley« eingebürgert hat: das Bekannte, Verwandte, dessen minimales Abweichen ein Effekt perfekter Imitation ist und das den Betrachtern gerade ob seiner merkwürdig fremden Vertrautheit kalte Schauer über den Rücken jagt. Wie eigenartig nur, dass man dennoch immer wieder genau dorthin zurückkehrt …
Fenster: »The Pink Caves« (Morr Music)