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Emptyset

»Dissever«

Thrill Jockey

Schon seit Langem wird der Sound des britischen Duos Emptyset von ihrer Faszination für Feedback und Distortion geprägt. Doch während die Zeiten längst vorbei sind, als sie in den unterirdischen Katakomben abgebauter Industrieanlagen seltsamen Reverbs auflauerten, lässt mich ihr bereits sechstes Album an ein Mackie-Mischpult denken. Da sich der Pressetext auf Produktionsmethoden der 1960er-Jahren bezieht, Mackie aber erst 1988 gegründet wurde, kann ich mit meiner Assoziation kaum richtig liegen – trotzdem lässt mich der Gedanke daran beim Hören nicht mehr los. Vertreter*innen von Neo-Acid schwören bis heute auf den unverwechselbaren Techno-Sound der Mischpulte und im Netz kursieren zahlreiche Anleitungen, wie sich die Pulte durch Feedbackschleifen in räudig-bassige Instrumente verwandeln lassen. Warum also nicht diese Idee als Ausgangspunkt nehmen und auf die Spitze treiben, mögen sich Emptyset gedacht haben. Klingen tut die Angelegenheit jedenfalls wie die Fahrt in einem charmant abgeranzten Waggon auf der S-Bahn-Stammstrecke in einer Stadt deiner Wahl, wo sich kaugummisüßer Duft von Teenager-E-Shishas mit sorglos verschütteten Energydrink-Lacken mischt, die vor jeder Bremsung näher schwappen. Die Titel der Stücke verweisen auf das Zwielicht, das Abende wie diesen so aufregend in die Länge zieht – noch darf man die digitale Feedbackkultur real ausleben, bevor man um Mitternacht besser zuhause ist, denn sonst gibt’s bestimmt Saures. Doch ob da jetzt ein paar TikTok-verseuchte Teenie-Gespräche durch das Mischpult von Emptyset jagen oder bloß eine in den 1960er-Jahren verlorene Brummschleife, tut in Bezug auf das Ergebnis ohnehin nichts zur Sache. Emptyset arbeiten mit dem, was kommt, schleifen es ein und wenn am Ende doch noch eine Kante zu viel da sein sollte, wird die entsprechende Frequenz fachkundig abgetrennt. Im Grunde spricht also nichts dagegen, diese Einladung zu einem Ausflug ins Zwielicht anzunehmen, Wellness sollte man sich aber nicht erwarten.

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Text
Chris Hessle

Veröffentlichung
24.04.2025

Schlagwörter

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