Wenn ich die Gemeinsamkeiten, oder besser die Parallelen der mir vorliegenden Veröffentlichungen auf empreintes DIGITALES beschreiben müsste, so könnte das mit der Umschreibung »Walk In The Park« eventuell gelingen. Gemeint ist damit der Verweis auf Brian Enos Parkbank-Aufnahmesessions, in denen dieser nicht unbekannte Vertreter der sogenannten Ambientmusik – unter welchem Aspekt hier Ambient beleuchtet wird, sei der Unvollständigkeit halber mal ausgelassen – Ausschnitte aus dem täglichen Treiben im Central Park mit seinem Aufnahmegerät konservierte und einer nachträglichen Studie unterzog, in deren Verlauf er jeder Klangprobe einen Wiedererkennungswert abringen konnte.
Bei Louis Dufort und Dennis Smalley werden Bahnhöfe, Industrieanlagen und Flugplatzeinflugschneisen in den Klangraum aufgenommen bzw. dieser um jene Komponenten erweitert. Dieses konkrete Material wird aber nicht nur in zitathaften Einsätzen einem musikalischen Prozess zugeführt, sondern aus seinem ursprünglichen Rahmen herausgerissen, um mehr oder weniger manipuliert und veredelt in die Chronologie der aufgezeichneten Geschehnisse rückgeführt zu werden. Daraus ergeben sich abgeschlossene Klangreisen mit durchaus vertrauten Spannungsbögen – man stelle sich etwa eine spätnächtliche U-Bahnfahrt vom Wiener Stephansplatz mit Linienwechsel nach Floridsdorf vor -, die ein passives Hören (Klangtapete) sehr gut abblocken können.
Kompositorisch strenger und vielleicht auch arithmetischer gehen die Labelkollegen Adrian Moore und Jonty Harrison mit ihrem elektroakustischen Hantieren vor. Der 32-jährige Moore, ehemaliger Student bei Jonty Harrison an der Universität von Birmingham, gliedert seine Werke auf »Trace« grob in drei Klassen: »those verging towards the abstract«, »those focusing upon re-hearing natural sound-objects« – »Study in Ink« ist das Ergebnis einer musikalischen Studie eines Markerstiftes auf einer Tafel und die Auswirkungen des Austrocknens dieses Stiftes auf dessen Klangverhalten – und »the radiogenic«. Letztgenannter Kategorie weist Moore sein Stück »Sieve« zu, in dem er das eingesetzte Material von Information, Sound und Bedeutung in Bezug auf den Verwendungszweck zu entkoppeln versucht. »If one forces listening at the wrong moment, the clarity of the listening experience changes and something ‚musical‘ can sometimes be heard?«. Auch bei Jonty Harrisons »Evidence materielle« steht der Interpretationsfreiraum für den Hörer in einem interessanten Verhältnis zu den vom Musiker intentierten Assoziationsketten. Manche Passagen klingen nach Herumirren auf Straßen zur Rushhour, aus unterschiedlichen Positionen betrachtet. Hinter den Kulissen schöpft Harrison jedoch aus einem umfangreichen Fundus an Tools, etwa aus Holz und Metall im Spannungsfeld zu rein elektronischem Instrumentarium.
Dieses gekonnte Reduzieren auf die akustischen Ereignisse an sich und das damit einhergehende Fördern und Fordern des Hörens macht das mittlerweile elf Jahre alte Label empreintes DIGITALES zu einer wichtigen Plattform für zeitgenössische Elektroakustik.
Adrian Moore: Traces.
Jonty Harrison: Evidence Materielle.
Dennis Smalley: Source/Scenes.
Louis Dufort: Connexion.
Vertrieb: Metamkine.