Durch die Vorverlegung des Elevate Festivals von Herbst auf Frühjahr vor zwei Jahren lassen sich Jubiläen doppelt feiern: Aktuell halten wir bei Nummer fünfzehn im vierzehnten Jahr, die Sache ist also einigermaßen rund. Die Divergenz kann aber auch als Indiz dafür gewertet werden, dass sich das Elevate inhaltlich immer noch weiterentwickelt – was in Zeiten von Retromania keineswegs selbstverständlich ist. So fällt heuer der vergleichsweise hohe Anteil an Musikerinnen auf.
U know the score
Die beiden ersten Tage des Festivals sind experimenteller Musik gewidmet, wobei internationale Gäste wie der Australier Robin Fox (Kranky, Mego), die norwegische Performancekünstlerin Stine Janvin (Pan) und der ebenfalls aus Norwegen stammende Saxophonist Bendik Giske (Smalltown Supersound) in verschiedenen Konstellationen mit lokaler Unterstützung (The Striggles, Maja Osojnik u.a.) auftreten. Als Höhepunkt dieses Reigens ist der freitägliche Auftritt von Sunn O))) konzipiert, bevor sich das Publikum ins scheinbar banale Wochenendgeschehen schmeißen darf. Doch der Schein trügt, etwa die 15-Jahre-Hyperdub-Bühne, gehostet von Kode 9, birgt sicherlich die eine oder andere Überraschung. So verspricht Nazar eine Stimmungslage der angolanischen Post-War-Society, während Scratchclart (alias Skratcha DVA) gemeinsam mit Lady Lykez seit einiger Zeit minimalistischen UK Funky mit Rap verbindet. Einen Stock höher, am Diskofloor, darf man sich auf »Kosmische« einstellen (wobei ich dieses Genre automatisch als »Komische« lese, damit aber kaum falsch liege).
Am Samstag darf der nachmittägliche Ravefloor unter dem Banner des umstrittenen Zuckerwasserfabrikanten getrost übersprungen werden, um abends ausgeruht zwischen den drei Bühnen im Schlossberg hin- und herzupendeln. Dabei bloß nichts verpassen – weder Keith Fullerton Whitman und Astrid Sonne ganz oben, noch unten Paula Temple und die Zenker-Brüder, deren wunderbares Ilian-Tapes-Label sich in letzter Zeit vermehrt an technoiden Breakbeat-Varianten abarbeitet. Dazwischen empfiehlt es sich, soweit Lunge und Luftfeuchtigkeit dies erlauben, im Tunnel abzuhängen. Miss Red gibt sich die Ehre, die mit ihrem Album »K.O.« zum neuen Star auf Kevin Martin’s Pressure-Label avanciert ist. Außerdem tritt der Kenianer Slikback auf, der ostafrikanische Drumtracks meisterhaft mit ’ardcore vermengt. Als würde das noch nicht reichen, zelebrieren Footwork-Legende Traxman und Local Hero Sun People ihren auf 160 bpm hochgepitchten und mit Beats ausstaffierten B-Seiten-Soul. Wer am Sonntag noch über Energie verfügt, kann sich zum Ausklang mit der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft und Lady Lynch in die goldenen 1980er-Jahre zurückbeamen lassen.
Und Wahrheit
Das Alleinstellungsmerkmal des Elevate Festivals ist zweifellos der Anspruch, Musik und gesellschaftspolitischen Diskurs miteinander zu verbinden. Konsequenterweise nehmen mit Deena Abdelwahed, Lee Gamble und Gregor Ladenhauf (eine Hälfte von Ogris Debris) auch einige Musiker*innen am Diskussionsprogramm teil. Die Themenblöcke sind auf vier Tage verteilt und obgleich diese weit gespannt sind, zieht sich ein roter Faden durchs Programm. Dieser lässt sich am Donnerstag im Spannungsfeld zwischen Investigativ-Journalismus und Fake News aufnehmen, bevor am Freitag dem Wahrheitsgehalt von Big Data nachgespürt wird. Der Samstag widmet sich den Strategien und Netzwerken der neuen Rechten, während zum Abschluss die Zusammenhänge von Klimakrise, Flucht und Migration beleuchtet werden. Wenn man von Pamela Anderson (Julian Assange lässt grüßen) und dem nigerianischen Klimaaktivisten und Träger des alternativen Nobelpreises Nnimmo Bassey einmal absieht, gibt es zwar heuer kaum Stars – insgesamt präsentiert sich aber auch das Diskursprogramm als runde Angelegenheit.
Anzumerken wäre noch, dass die Ticketpreise im Vergleich zu letztem Jahr gestiegen sind. Ein Festivalpass kostet nun 96,- Euro (statt zuletzt 76,- Euro), ein Wochenendpass im Vorverkauf 54,- Euro und ein Tagesticket an der Abendkasse 34,- bzw. 38,- Euro. Die Diskussionsveranstaltungen sind weiterhin bei freiem Eintritt zu besuchen. Dabei muss man allerdings festhalten, dass das Programm vermehrt größere Konzerte umfasst und man sich damit an gängige Preise vergleichbarer Festivals anpasst. Ein anspruchsvolles, unabhängiges Programm zum kleinen Preis ist hingegen zunehmend schwierig umzusetzen. Immerhin können sich Early Birds mit Kulturpass aus einem begrenzten Kontingent ein freies Tagesticket an den Abendkassen abholen.
Link: https://elevate.at