Stulle, Brot, Steffen, Eimer, Rollo, Simme, Scheiße, Knorpel, Bolle und Pantoffel. Bei der Band interna spielen drei davon, jeweils an einem anderen Instrument – sie haben das Schlagzeug (Simme), den Bass (Stulle) und die Gitarre (Steffen) für sich gewählt, während vornehmlich Steffen dazu singt. interna kommen aus der Nähe von Kiel, haben aus dem Mitgliederfundus von Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen und Sie kamen Australien geschöpft und hauen jetzt volles Korn aufs Mehl. Die Musik auf ihrem Debütalbum »Nach außen konziliant«, verteilt auf zehn Songs, bewegt sich zwischen Post-Punk und groovigem New Wave. Die Texte sind voller düsterer Emotionen und Alltagsinformation, ineinander verquastet, von deutschen Zuständen und tristen Alltagsresten sprechend, die Instrumentierung steuert jedoch leicht funky-energetisch dagegen an – das Schlagzeug konzise, die Gitarre präzise und der Bass einfach geil – und am Ende kommt dann sowas bei raus, das einem zum Beispiel morgens nach dem Aufstehen die richtige Power mit in den Tag gibt, die selbst ein kohlrabenschwarzer Kaffee kaum zu erreichen fähig ist.
Die zum Teil uneindeutigen, dann wieder konkret wie ein Bauzaun von Steffen dahingeschmetterten Zeilen geben zu denken oder bleiben zumindest im Ohr hängen und wirken unbewusst nach. Guter Input. Getippt wären sie gefettet, Steffens hämmernder, eindringlicher Stimme wegen. Ohne Bullshit volles Pfund Mett mit dem metaphorischen Kantholz auf die zum Teil schwer erträgliche Realität eingehauen – aus Notwehr, versteht sich. Und dann aus sicherer Entfernung mal schauen, was man da vor sich hat. Ist dann alles nicht mehr so schlimm und gefährlich, die menschliche Haltung ist stets versöhnlich. Und man kann dazu wippen oder sogar tanzen. Denn im Grunde ist man ja trotz allem konziliant und der Welt zugeneigt, wenn sie ab und zu so schöne Sachen hervorbringt wie die eigene Musik – in diesem Fall die von interna. Alles etwas neblig? Ja. Die meisten wissen höchstwahrscheinlich nicht einmal, was konziliant heißt. Wir haben deswegen mal mit Steffen Frahm gesprochen. Am Ende des Interviews sollte die Bedeutung also klar sein. Wenn nicht, kann man es ja einfach nochmal lesen oder das Album hören.
skug: Die Musik von »Nach außen konziliant« ist quasi euer Bandname nach außen gestülpt: Sie ist der Ausdruck dessen, was sich im Innenleben des Protagonisten so abspielt. Magst du was zur Entstehung der Texte und der Musik erzählen?
Steffen Frahm: »König Getriebe« zum Beispiel, der erste interna-Song, den es gab, geht auf eine Bass-Schlagzeug-Idee von Simme, unserem Drummer, zurück. Die hat er mir geschickt, ich habe einen zweiten Teil dazu gemacht, und dann haben wir es zu dritt fertiggekriegt, teils im Übungsraum, teils, indem wir einander Dateien schickten. So läuft es meistens mit der Musik. Selten schreibt einer den ganzen Song. Die Texte sind bisher alle von mir. Ich schreibe ständig irgendwas. Nicht viel, aber irgendwelche Fragmente fliegen immer rum im Gedankenstübchen und können Geburtspunkte für Songtexte werden. Was an ihnen autobiografisch ist, wird mir manchmal erst klar, wenn ich den fertigen Song höre. Das ist ganz angenehm, nicht immer so um sich selbst zu kreisen, wobei das natürlich auch vorkommt.
Was mich so beeindruckt, ist, von welcher Energie die immer wieder tieftraurigen Texte getragen werden. Bei aller Befremdung singt da für mich kein Zyniker. Wie hältst du deinen Laden am Laufen? Was hält deinen Laden am Laufen?
Zynismus ist kurzfristig verlockend, aber nie tröstlich. Eine Art Weg des geringsten Widerstands, projektiv selbstmitleidig und narzisstisch. Für mein Leben ist Zynismus keine Option. Ich habe eine tolle Frau, zwei wunderbare Kinder, arbeite in der Psychiatrie und komme nicht umhin, die Menschen, mit denen ich zu tun habe, so anzunehmen, wie sie gerade sind, und mich entsprechend mit ihnen auseinanderzusetzen. Und so läuft dann auch der Laden.
Du wohnst in einem kleinen Ort nahe dem Nordkap Deutschlands. Ist die Art und Weise, Ideen über Mail auszutauschen, einfach einer räumlichen Distanz am Land geschuldet oder generell eure präferierte Art, zusammenzuarbeiten?
Stimmt schon, für 20 Sekunden hypothetische Musik die Kufen fetten, Hunde anschirren, Instrumente auf den Sulky schnallen und dann in der Mitternachtsnacht durch Permafrost und Schnee in die nächste Siedlung karriolen, das ist nicht ganz ohne Aufwand. Und nur alle Tauperioden mal einen Song fertig zu haben, reißt halt auch nichts weg.
Ich nehme dich ja als äußerst musikbegeistert und konzertaffin wahr. Hat es dich jemals in die Großgroßstadt gezogen, in den kulturellen Moshpit, da wo alle anderen Größen irgendwie irgendwann mal waren und David Bowie oder Joe Strummer in den 1990er-Jahren an irgendeine Ecke schissen? Oder braucht es das dörfliche Panoptikum/Panorama für das, was du bist und machst?
Das ist ambivalent. Wenn ich mal wieder im urbanen Kulturzyklop unterwegs bin, wie zum Beispiel bis vor drei Tagen in Freiburg, Urlaub mit der Familie, dann frag ich mich schon unterschwellig, was ich da, wo ich lebe, eigentlich soll. Ich bin aber in Kindheit und Jugend dorfsozialisiert wie meine Liebste und es gibt ja dieses Sprichwort, dass man zwar das Kind aus dem Dorf bekommt, nicht aber das Dorf aus dem Kind. Meine Adoleszenz verbrachte ich in Mittelstädten, größer wurd’s nicht, und 2011 sind wir wegen Kinderwunsch und Arbeitswegen aufs Land gezogen. Hier ist es leicht, Exot zu sein und sich am Panorama struppig zu reiben, dass die Ideenfunken gestoben kommen. Ein Text wie »In der Terrassenwelt« wäre mir in Berlin vielleicht nicht in den Sinn gekommen.
Deine Texte sind ja, mit Verlaub, sprachlich beeindruckend. Gibt es Texter*innen in Musik, Literatur, Politik und so weiter, die dich in der Art und Weise, dich auszudrücken, besonders beeindruckt und beeinflusst haben?
Peter Hein, Hildegard Knef und EA80 fallen mir da ein. Da sind die Sätze eher ausformuliert als verkürzt, manchmal wird es fast erzählerisch.
Gutes Stichwort. Wer dich ein wenig verfolgt, kennt dich als energetischen Erzähler, deine mitunter angenehm ausufernden Konzertberichte und Geschichten aus der Welt der Musik. Gab es jemals Ambitionen, das auch irgendwie anderweitig an die Öffentlichkeit zu tragen? Hashtag Musikmagazine, Fanzines, »Prisma«, »Apotheken Umschau« …
Ambitionen direkt nicht. Käme drauf an, har, har. Ich bin einerseits mitteilungsbedürftig, andererseits zu kontaktscheu und uninformiert, mich mal um eine vernünftige Anbindung zu kümmern. Anti-Social-Media ist halt schön direkt und abgesehen vom reinen Schrieb aufwandslos. Aber demnächst erscheint in der »provinzpostille«, einem von Felix Triebel vollständig handgeklöppelten Subjektzine mit Siebdruckeinband und Tonbandsampler anbei, ein Text, den ich über einen religiös umnachteten Geschichtslehrer aus meiner Schulzeit geschrieben habe. Darüber freue ich mich.
Geil! Nilpferd. Apropos Nilpferd: Andere Rockbands hätten einfach ein Nilpferd, tödlichstes aller Säugetiere, auf ihr Albumcover gedruckt. Ihr habt euch für etwas anderes entschieden. Würdest du erläutern?
Haha, ich hab’ mal geschaut, viele Cover mit Nilpferd drauf gibt es nicht gerade, aber viele mit Walrossen auch nicht, und wenn überhaupt, dann sind es Kinder-CDs. Wir hatten vor diesem Cover so fünf, sechs andere Ideen, die zum Teil auch ein bisschen edgier waren. Halt Bilder, die den Plattentitel, der frühzeitig feststand, auf eine gute Art illustrieren, konterkarieren, relativieren sollten. Das Foto ist von Stulle (Bassist), wir haben alle Kinder, die Kinder fahren auf Tiere ab, Tiere sind sowieso super, und über dieses Bild haben wir dann auch gar nicht mehr diskutiert. Das passt zu uns, zum Titel, zur Musik, zu allem. We are the walrus.
Das Bild ist toll und das Tier angeblich auch recht konziliant in seinem Habitus und sieht zudem noch aus wie ein leckeres Marshmallow.
Der Gipfel an Konzilianz ist meines Wissens die Seekuh.
Da würde dir und der Seekuh niemand widersprechen. Ihr seid schon des Öfteren live in Erscheinung getreten, meist zu kleinen, dörflichen Okkasionen. Wie kommt das an?
So dörflich waren die gar nicht. Wenn wir bei mir zu Hause auftreten würden, wo die meisten nur Malle-Hits und Onkel Helene kennen, ginge es ins Leere. Andererseits, als wir zum Beispiel auf dem Sniers Hus Spektakel gespielt haben, der Festivität eines Independent Freilichtmuseums bei Hamburg, war da jetzt auch nicht unbedingt der hochinformierte, mit allen Geschmackswässerchen gespülte Spezialmob. Und wir sind nicht Peter Pastell & die Schmeichelhäher. Aber die sind mehr oder weniger alle geblieben, haben zugehört, sich drauf eingelassen, unsere zugängliche Seite gecheckt und mächtig was zurückgegeben.
Wie kamt ihr zu Waldinsel Records, was hat das mit den Lasterkonzerten auf sich und was ist das für eine geile Idee?
Stulle und ich kennen Kim Senger, den Präsidenten von Waldinsel Records, schon ein paar Jahre, seit wir mal mit Keine Zähne im Maul auf der Waldinsel gespielt haben. Die Waldinsel ist eine herrliche Lichtung in einem Wald bei Buchholz in der Nordheide. Da gibt es eine Bühne und sonstige Bauten, Enten und durchgeschnittene Autos, und Kim lebt da mit Moni. Ein wundervoller Ort. Kim wollte uns auf seinem Label haben und es war eine komplett organische Angelegenheit, diesem Ruf zu folgen. Er hat dieses 1973er Daimler WoMo, den Laster halt, dessen Dach eine Bühne ist, und da oben haben wir schon ein paar Mal gespielt, zum Beispiel in Gorleben, 2022, auf der Kulturellen Widerstandspartie. Die Lasterkonzerte sind ein Konzept von Kim: Der Laster kommt irgendwo angerumpelt und hat alles dabei: ’ne Band, ’ne Bühne, Technikgelumpe und ’ne Crew. Ziemlich einzigartige Kiste, auch wenn es da oben relativ eng ist und alles anfängt zu wackeln, wenn Simme draufhaut oder ich mein Gewicht verlagere.
Shoutout an Kim! Geht’s mit der Veröffentlichung dann auch auf Musikreise? Welche Kartenspiele werden im Tourbus gespielt?
Im Moment haben wir die etwas paradoxe Lage, dass die Platte erscheint, aber keine Konzerte gebucht sind. 2024 gibt es ein paar Dates, aber da kommt noch was. Touren war bisher so, dass Stulle hinten meist noch einen Bericht für die Arbeit geschrieben oder was telefoniert hat, während Simme (Fahrer) und ich uns vorn über das Leben austauschten oder über die Musik, die gerade einer eingelegt hatte. Entspanntes Reisen in guter Gesellschaft.
Zum Schluss etwas Kreatives, schäme dich nicht, aber zeig’ dein Gesicht: Marek Lieberberg ruft an, Rock am Ring, ihr sollt das Publikum für die Toten Hosen aufheizen. Würdet ihr stattdessen lieber im »ARD Morgenmagazin« auftreten?
Knifflige Frage. Ich kann nicht für die anderen sprechen, glaube aber, dass ich »Morgenmagazin« nehmen würde. Oder Ärzte statt Hosen. Unsere Eltern fragen immer, verschwörerisch schauend, ob’s beim Auftritt auch »hier« gegeben hätte und reiben dazu Daumen und Zeigefinger aneinander. Wenn interna bei »Wetten, dass…« aufträten, würden sie glauben, wir hätten es »geschafft«. Das wäre der Beweis.
Steffen, danke, und schön, dass du bist!