Kaktus Cartoon Award 2023 © Schule des Ungehorsams
Kaktus Cartoon Award 2023 © Schule des Ungehorsams

Der Kaktus und das Klima

Die Schule des Ungehorsams präsentiert 2023 erstmals einen internationalen Karikaturpreis, den Kaktus Cartoon Award. Im Interview mit skug sprechen die Initiator*innen über die Rolle der Karikatur im welt- und klimapolitischen Kontext.

Gerhard Haderer ist ein bekennender Fan (pflanzlicher) Überlebenskünstler*innen: »Karikatur kann einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Diskurs leisten, da sie in der Lage ist, absurde Vorgänge in Politik und Gesellschaft bis zur Kenntlichkeit zu verzerren. Hoch lebe der Kaktus!« Cartoons und Cartoonist*innen brauchen selten viele Worte, um etwas auf den Punkt zu bringen. Karikaturen funktionieren über Ländergrenzen, kulturelle Grenzen und Sprachbarrieren hinweg als Kommunikationsmittel für Themen, die weltweit relevant sind. Mit der Karikatur haben wir eine gemeinsame internationale Sprache, über die wir (emotional) kommunizieren können. Wie könnte man die globalen Auswirkungen des Klimawandels und den dringlichen Handlungsbedarf deutlicher und spürbarer sichtbar machen als durch Cartoons von Künstler*innen aus aller Welt? Egal ob Cartoonist*innen aus China, den USA, Indien, dem Iran, Russland oder der Ukraine, aus Europa, Amerika, Asien, Australien oder Afrika – das Thema eint uns alle. Daher hat die Schule des Ungehorsams professionelle Karikaturist*innen 2023 erstmals eingeladen, ihre besten Arbeiten zu Klimawandel und Klimagerechtigkeit für den »Kaktus Cartoon Award« einzureichen. Ein internationaler Karikaturenpreis, der an Cartoonist*innen vergeben wird, die sich kritisch und humorvoll mit unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Das wirft für skug Fragen auf, die die Initiator*innen Julia und Christoph Haderer im Interview beantworten.

»Sinking Ship« von Michi Brezel (Deutschland), 1. Platz und Gewinner des Kaktus Cartoon Award 2023 in der Kategorie »Climate Change«, verliehen von der Schule des Ungehorsams © Schule des Ungehorsams

skug: Da haben ein paar Gegenkultur-Interessierte in der letzten Reihe nicht aufgepasst – bitte nochmal kurz zum Mitschreiben: Wer oder was ist die Schule des Ungehorsam?

Julia und Christoph Haderer: Die Schule des Ungehorsams basiert auf der Idee von Gerhard Haderer und wurde 2015 mit dem Zweck gegründet, Menschen zu ermutigen, konstruktive Kritik an gesellschaftspolitischen Mängeln zu äußern. Das versuchen wir durch Ausstellungen, Workshops und Veranstaltungen zu erreichen, wo wir Leute mit ähnlichen Anliegen zusammenbringen. Drei Jahre lang war die Schule des Ungehorsams in der Tabakfabrik Linz verortet. In den Räumlichkeiten zeigten wir neben Werken von Gerhard Haderer abwechselnde Ausstellungen internationaler Karikaturist*innen. Von einer Sammelausstellung mit Cartoons zu Flucht, Grenzen, Menschenrechten, über die Ausstellung »Die Welt der Frau« der ägyptischen Karikaturistin Doaa El-Adl bis hin zu Ralf König oder den besten Covers des Satiremagazins »Titanic«. Die gezeigten Bilder lösten jeweils anregende Diskussionen unter den Besucher*innen aus.

»Man and Nature« von Agim Sulaj (Italien), 2. Platz des Kaktus Cartoon Award 2023 in der Kategorie »Climate Change«, verliehen von der Schule des Ungehorsams © Schule des Ungehorsams

Was hat sich seither getan (und verändert) oder, anders gefragt, was hat die Schule des Ungehorsams im Sinne einer lernenden (und lehrenden) Organisation bewirkt?

Seit 2020 ist die Schule des Ungehorsams auf Wanderschaft, da wir der Meinung sind, Ungehorsam braucht keine Verortung. Seither tauchen wir mit unseren Veranstaltungen an den unterschiedlichsten Orten auf. Es hat sich aber auch die Wahrnehmung des Begriffs »Ungehorsam« seit der Pandemie verändert und war eher verknüpft mit Anhänger*innen von Verschwörungstheorien. Seit den Klimaprotesten aber dreht sich das Blatt wieder. Wir sind auf jeden Fall der Meinung, konstruktive Kritik muss auf wissenschaftlichen Fakten basieren. Zur lehrenden Organisation: Es gibt bei uns keinen »Unterricht«, aber in unseren Veranstaltungen legen wir großen Wert auf Haltung – sei es bei Konzerten, Vorträgen oder Filmabenden. Für Schulen bieten wir zum Beispiel Workshops zu politischer Karikatur und Demokratie an. Die Materialien dazu stellen wir Lehrer*innen auch kostenlos zur Verfügung. Und dieses Jahr haben wir den internationalen Karikaturenpreis »Kaktus« zu Klimawandel und Klimagerechtigkeit ausgelobt. Die Ausstellung dazu wird zurzeit im Museum Arbeitswelt in Steyr und zeitgleich im Wilhelm Busch Museum Hannover gezeigt und soll nächstes Jahr durch Österreich und Deutschland touren.

»Fridays for Future« von Til Mette (Deutschland), 3. Platz des Kaktus Cartoon Award 2023 in der Kategorie »Climate Change«, verliehen von der Schule des Ungehorsams © Schule des Ungehorsams

Es gibt mittlerweile unzählige Klimakompositia. Zum Beispiel Klimakommunikation. Kann Humor dazu beitragen, Verhaltensänderungen zu bewirken? Hat es auch für euch beim Sichten der Einreichungen für den Kaktus Cartoon Award Aha-Erlebnisse gegeben, die zu Verhaltensänderungen geführt haben?

Wir denken schon, dass die Karikatur etwas in einem Menschen bewegen kann, da sie auf sehr emotionale Weise komplexe Themen transportieren kann. Gerade beim Thema Klimawandel müssen wir zusätzlich auf emotionaler Ebene arbeiten, weil die Auswirkungen des Klimawandels so viel direkter vermittelbar sind. Die Kunst kann hier eine entscheidende Rolle spielen. Um es mit den Worten Bertolt Brechts zu sagen: »Kunst ist kein Spiegel, der der Gesellschaft standhält, sondern ein Hammer, mit dem sie geformt werden kann.«

»Macht euch die Erde untertan!« – eine fatale mesopotamische Botschaft. Kann die ökumenische (Anm.: »Ökumene« ist griechisch für »bewohnte Erde«) Botschaft »Macht euch den Humor untertan!« da gegensteuern?

Wir sind grundsätzlich dagegen, sich irgendjemand oder irgendetwas untertan zu machen. Entscheidend ist aber, dass wir bei all den Krisen und Herausforderungen den Sinn für Humor nicht verlieren.

»No Title« von Marian Kamensky (Slowakei/Österreich), 1. Platz des Kaktus Cartoon Award 2023 in der Kategorie »Climate Justice«, verliehen von Haslinger/Nagele Rechtsanwälte © Schule des Ungehorsams

Auch geopolitische Themen sind aus den internationalen Einreichungen ablesbar. Welche Cartoons aus dem Ausland haben euch besonders berührt?

Ehrlich gesagt war die Sichtung der über 1.700 Cartoons zum Klimawandel emotional sehr herausfordernd, denn Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte. Zu sehen, wie sich über 500 Künstler*innen aus aller Welt zu den Auswirkungen des Klimawandels und der Rolle des Menschen Gedanken machen, war für uns sehr berührend, denn man sieht: Wir alle als gesamte Menschheit sind davon betroffen, egal ob in China oder den USA, Afrika oder Südamerika. Ein sehr starkes Bild, das auch in der Ausstellung zu sehen ist, stammt z. B. von Qiang Liu aus China: Auf dem Bild zu sehen ist eine Mutter mit ihren Kindern am Esstisch. Die Kinder halten ihre leeren Becher der Mutter entgegen, die gerade dabei ist, einen Wassertropfen mit dem Messer zu teilen wie eine Geburtstagstorte. Das Bild trägt den Titel »The last drop of water«. Auch wenn sich der Klimawandel auf der ganzen Welt auswirkt: Einige Länder sind viel stärker betroffen als andere und haben meist viel weniger dazu beigetragen. Dürre und fehlender Zugang zu Trinkwasser sind in vielen Regionen der Erde bereits Realität. Daher haben wir ja auch einen Sonderpreis zum Thema »Klimagerechtigkeit« ausgelobt. Wer sind die Verursacher, wer die Leidtragenden? Hier zukünftig »Gerechtigkeit« zu schaffen, wird eine große Herausforderung sein – falls das überhaupt möglich ist.

»The last drop of water« von Quiang Liu (China), Shortlist des Kaktus Cartoon Award 2023 © Schule des Ungehorsams

Medien spielen eine wichtige Rolle dabei, komplexe Themen wie die Erderwärmung und das Massenaussterben von Arten verständlich zu machen. Wie können sie ein größeres Bewusstsein schaffen und die Verbreitung von Fehlinformationen bekämpfen? Was gilt es zu vermeiden?

Das muss eigentlich auf allen Ebenen passieren. Es gilt, darüber zu informieren, dass alle unsere Handlungen Konsequenzen haben – im Positiven wie auch im Negativen. Mit den vielen Informationen, die täglich auf einen niederprasseln, haben Medien nur Sekunden, um die Aufmerksamkeit von Leser*innen oder Betrachter*innen zu erhalten. Und genau darin liegt die Stärke von Cartoons: die Bilder »zünden« in Sekundenschnelle. Und Bilder, die emotional berühren, vergisst man nicht so schnell. Ob sie auch die magische Kraft haben, die Verbreitung von Fehlinformationen zu bekämpfen, mag bezweifelt werden, denn auch Fehlinformationen können als Cartoon verpackt sein. Die Pflicht der Medien liegt darin, diese zu filtern und verantwortungsvoll mit Informationen umzugehen.

Der Cartoon Award hat eine Kaktusform. Welche Eigenschaften an Kakteen findet ihr besonders ausgezeichnet?

Die Stacheln des Kaktus stehen sinnbildlich für das Stacheln der Karikaturist*innen. Als gesellschaftliche und politische Kommentator*innen zeigen sie durch ihre Zeichnungen überspitzt Wahrheiten auf, die amüsieren und auch wehtun können und bestenfalls zum Nachdenken anregen.

Link: https://schuledesungehorsams.at/kaktus/ 

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