a1868146148_16
D.C Cross

»Live At The Red House«

Self-release

In der Regel stelle ich an dieser Stelle keine ausschließlich digital erhältliche Musik vor, weil ich der antiquierten Vorstellung anhänge, dass Musik via Tonträger einzunehmen ist, um auf die rechte Art erfahren werden zu können. Im religiösen Zusammenhang spricht man von Transsubstantiation – am Abend mal Musik hören, gerne mit einem Glas Wein dazu. Die Spitzfindigen unter uns können jetzt natürlich zurecht darauf hinweisen, dass auch der digitale Genuss von Musik der Hardware bedarf. Ist trotzdem nicht dasselbe und wir werden ja sehen, ob ich mittels hinkender Vergleiche auch nur einen Schritt weiterkomme in der Begründung, warum ich »Live At The Red House« trotz des Fehlens einer CD, LP oder Kassette hier vorstelle. Einen inhaltlichen Zusammenhang gibt es jedoch, denn Darren bzw. D. C Cross, um dessen Live-Album es hier geht, sitzt in Sydney und spielt dort die sechssaitige Gitarre im Stile John Faheys, und der australische Kontinent auf der Südhalbkugel ist von allem, was mit dem Genre in Zusammenhang steht, weit weg. It’s a long way to Takoma Park if you wanna play fingerstyle-guitar. Da ist die digitale Veröffentlichung eines Albums noch der einfachste Weg, um über Outback und Ozeane hinweg auf sich aufmerksam zu machen. Nun ist es aber so, dass Cross mit seiner Gitarre schon wiederholt durch Europa getourt ist, hier viele Brüder und Schwestern im Geiste getroffen und mit ihnen Bühnen geteilt hat. Auch ist »Live At The Red House« nicht sein Debüt. Er hat bereits einige Studioalben veröffentlicht, als LP und/oder CD; hat also alles seine Ordnung – ist nur leider so weit weg. Das ist für eine Musik, die eine enge Verbindung zur Vergangenheit hält und über historische Distanzen hinweg zum Ausdruck kommt, nicht unerheblich. Sehnsucht und andere sentimentale Regungen sind ein zentrales Motiv im sogenannten American Primitive und artverwandten Möglichkeiten, mit offen gestimmten Gitarren zu spielen. Das weiß auch D. C Cross, der unermüdlich die australische Ostküste hoch und runter unterwegs ist und eine seiner Konzerterfahrungen auf »Live At The Red House« festgehalten hat. Musikalisch-inhaltliche Aspekte im gerade angesprochenen Sinn weiß er launig zu kommentieren, wenn er zwischen den Songs zur Erheiterung seines Publikums darüber spricht, wieso er Lieder über Flüsse komponiert. Ich verrate den Grund an dieser Stelle nicht, man soll sich das Album ja anhören und bestenfalls kaufen. Da macht man nichts verkehrt und der Zehntausende von Kilometern weit weg sitzende D. C Cross freut sich, wenn er oberhalb von Down Under Gehör findet. Die Musik und ihre kurzweilige Kommentierung zwischendurch rechtfertigen jede Aufmerksamkeit. Wie erwähnt, in der Nachfolge von John Fahey und in der Nachbarschaft von zeitgenössischen Fingerstyle-Gitarrist*innen geht D. C Cross seinen eigenen Weg. Der weicht vom orthodoxen Pfad nicht ab, muss er aber auch nicht. Kompositionen wie »Rhinestones in Black and White« aktualisieren und bereichern den Fingerstyle-Guitar-Katalog und es ist gut zu wissen, dass auch im fernen Australien die Suche nach »Blind Joe Death« fortgesetzt wird. 

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
21.10.2025

Schlagwörter

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Nach oben scrollen