Das erste Konzert des Abends wird gleich mit einer Verzögerung angekündigt: JeJaWeDa mit Jeb Bishop, Jaap Blonk, Weasel Walter und Damon Smith hätten schon im November 2020 gemeinsam auf der Bühne stehen sollen, das war wohl BC – before corona – geplant. Als die Combo loslegt, klingt das ein bisschen wie der Soundtrack zu einem psychedelischen Cartoon. Man hört Gurgelwasser von Jaap und interessant wilde Percussion – einfach Drums zu spielen wäre … eben zu einfach? Danebst Bass und sehr schöne Posaune – wie jazzen sie doch fein. Doch Obacht! Zuviel schöne Musik ist nicht erwünscht! Jetzt klingt Jaap wie die Weltraumforscher, dann folgt etwas Gejodel und, wie könnte es anders sein, Weasel rings the cowbell. Und ist ständig in Bewegung – auf einem Platz zu spielen, ist seine Sache nicht, entgegen den regulären Gewohnheiten eines sessilen Bandmitglieds. Zudem ist es offenbar nicht genug, ein Instrument zu spielen – so man ein Drumset als eine Einheit betrachten will. Wäre es zeitlich möglich, würde dieser Mann wohl xn andere Instrumente auch noch bedienen, gleichzeitig, versteht sich. Posaune und Bass spielen weiterhin feingeistig und wenn Walter nicht herumwieselt, gibt es auch etwas präzisere Drums. Derweil maunzt Herr Blonk wie eine Katze auf dem heißen Spaceshuttle-Dach. Walter toppt das, er führt die Triangel aus … and the aulde triangle is marched across the stage. Nun begreift man, er macht die Musik nicht, er ist ihr auf der Spur!
Damit folgen die vier Mitglieder von JeJaWeDa nur dem natürlichen Ruf aller musikaffinen middle-aged men: wie ein Kind die Dinge einfach ausprobieren und dabei Applaus ernten – sofern man die »Ich bin erwachsen«-Plakette einmal für ein paar Stunden ablegen kann. Wie wir später sehen werden, können das im Grunde alle musikaffinen Menschen auf der Bühne dieses Abends sehr gut – nur, dass es beim Damentrio aus dem Publikum von – erraten – middle-aged men dafür Geraunze geben wird. Derweil erreicht das Katzen-Spaceship mit Lichtgeschwindigkeit über Jaaps Game-Controller so etwas wie den New Yorker Underground-Sound – dafür gibt Jeb Bishop zwischendurch die Posaune auf. Stattdessen kommen meditative Töne vom durchaus virtuosen Kontrabass. Das ist Walter zu provokativ: angenehme Töne beim Free-Jazz-Impro-Drumwizzard-Set des prestigeträchtigen Music Unlimited?! Nein, das darf nicht sein. Er setzt sich darum flugs eines der Becken auf und sägt daran. Mui elegante! Jaap Blonk hält mit seinem Game-Controller dagegen – wer gewinnt das Kräftemessen?
Der alte Hexenmeister betätigt ein Knöpfchen und es kreischt wie ein Nazgûl! Walter setzt die Metallscheibe wieder ab und klettert behände auf das Drumset, um von diesem Gipfel der Performance aus eine Möglichkeit zum Mitmischen zu suchen. Denn es hobelt der Bass, es gurgelt der Synth und der Schlagzeuger oben auf dem Ausguck scheint mit der Band ziemlich unzufrieden zu sein, da hilft auch kein Schlückchen Wein. Wurden die vier Jazzketiere am Ende Opfer einer Zusammenwürfelung? Gewürfelt wurde aber nicht, war doch auf Jaaps Instagram-Account zu lesen, dass sie auch in Ljubljana gemeinsam spielen bzw. spielten. Man merke: Fusionjazz – structure = confusion. Wie viel kann Kunst an Gehabe vertragen, bis die Musik leidet? Es scheint, als sei Walter seiner Stage-Antics selbst schon etwas überdrüssig. Zum Abschluss gibt es schläfrig-schöne Töne, bei denen man merkt: Die können alle was, das sind richtig gute Musiker. Genauso wie die drei Damen plus Drummer vom nächsten Konzert.

Von walking Drums bis talking Bass
Plüsch heißt die Formation, mit Marta Warelis am Piano, Camila Nebbia und Ada Rave am Saxofon sowie Christian Lillinger am anfangs zahm-hastigen Schlagzeug. Das Set beginnt deutlich mehr jazzy, mit wellenförmigen Glissandi zu sehr schön akzentuierten Pianoläufen von Warelis. Gemeinsam mit den Drums bereitet das völlig ausreichend raumfüllende Musik, wobei Rave am Saxofon zwischendurch ganz aussetzen muss, das ist etwas strange. Daneben spielt Nebbia durchaus virtuos. Die hampelnde Marionettenhaftigkeit an den Drums lenkt etwas vom Sound ab, man könnte meinen, zwei sich selbst karikierende Drummer an einem Abend sind zu viel des Guten. Spielt Lillinger doch für die Strukturen und Läufe sehr schnell reagierend und fordernd! Und wie immer gilt, die leisesten Passagen sind die interessantesten: Schwebende Töne werden mit feinen Drum-Läufen und dezentem Klavier durchsetzt. Dann auf zum Crescendo, bevor sich die Klangtextur auflöst und wieder getrennte Wege geht. Crash-Becken-Drehen ist scheinbar die angesagte Technik dieses Abends, aber sei’s drum, es ist eh erst der zweite, der sein Drumset fürs Konzert dekonstruiert – ob er es auch wieder zusammenbaut? Tatsächlich! Immerhin hat er sich nicht wie Mr. Walter einfach damit auf den Boden gelegt. Derweil dudeln die Damen weiter, diesmal aber viel spannender als zu anfangs! Ohnehin passt alles ab der zweiten Hälfte viel besser zusammen.
Bei Endless Breakfast freut man sich auf Maria Portugal, Paula Sanchez und Gabby Fluke-Mogul – mit ihren verzerrten Streichinstrumenten fast schon ein Rock-Trio. Das beginnt mit einem merkwürdigen Verreiber auf der Geige bei mildem Cello und Portugals kraftvollem Spiel. Es klingt wie präambulierende Drums – also im übertragenen Sinne Walking Percussion wie man sie sonst als Walking Bass kennt. Portugal singt dazu, schön, Jazzsinger-Vocals treffen auf recht körnig geschlagene Violine und hilfreich tönendes Cello, very fetching! Die Violinistin singt auch, klingt aber nicht so graceful, obschon es »Amazing Grace« sein soll. Es folgt performatives Hauchen, Gequietsche, gequälte Schreie etc. Das soll wohl ein Befreiungs-Statement sein, ist aber ziemlich anstrengend zum Zuhören. Dann, mit gitarrenhaft gespielter Geige, wird etwas angestimmt, das zumindest nach dem Anfang eines Musikstückes klingen kann. Ebenfalls sehr nette Klänge kommen diesmal von der Cellistin. Aber da singt sie wieder sexsäuselnd, womöglich ein verhaltenes Tönen feministischer Liberation, okay, aber mit 80 Prozent Männern im Publikum wirkt das doch recht merkwürdig. Nur um gleich darauf wunderbar zu werden: Die Damen intonieren, wie über dem Meer der Wind aufkommt, am Strand Muscheln bewegt und dann wieder einschläft – die Ruhe vor dem Sturm, Gewitter inklusive. Portugal hat einfach ein unverrückbares Gespür für die Töne aus perkussiven Instrumenten. Das ist nicht nur Rhythmus, das sind gehaltvolle, eigenständige Beats und Klänge. Die Dame am Cello hat derweil ihren Bogen so zerfleddert, dass er wieder zum Pferdeschweif geworden ist und nur mehr vereinzelt fiepende Töne hervorbringt. Nachdem das Ganze nun in jodelnd verzerrter Violine und Cello verschwimmt, ist’s dann auch wieder genug.
Das abschließende Trio von Akira Sakata, Chris Corsano und Darin Gray wird von Wolfgang Wasserbauer angekündigt als ein Projekt, das es schon seit 20 Jahren gibt, und es spielt sofort schön. Runder Kontrabass, dazu driving aber nicht overdriven Drums – Corsano kann mühelos Spannung aufbauen, damit dann für Sakatas Soli genug Struktur da ist. Denn wenn Soli nur so dahinnudeln, kommt’s oft etwas lieblos rüber, was hier klarerweise nicht der Fall ist. Und der Bass? Der walked nicht nur, er talked auch! In der zweiten Hälfte zahren die Herrn dann etwas an, very jazzy, nearly Bebop! Sakata wechselt zur Klarinette, das bringt much more atmosphere! Corsano hat zwischendurch jeweils Schlägel und Besen/Strohbündel in der Hand, der Mann braucht sich nicht zu erheben, um ebendas mit dem Sound zu tun. Damit ist dann für die Autorin dann auch Schicht im Schacht an diesem Samstagabend beim Music Unlimited in Wels.

Link: www.musicunlimited.at











