Damon Locks © Kristie Kahns
Damon Locks © Kristie Kahns

Improv-Internationale im Oktober

Musiker, Veranstalter und Kurator Christof Kurzmann, in grauer Vorzeit bei Extended Versions, hat mit Freundeskreisen das Catalytic Sound Festival ins Leben gerufen. Ein Interview anhand des am 1. und 2. Oktober u. a. im Wiener Porgy & Bess stattfindenden internationalen Austausch-Improv-Festivals.

Christof Kurzmann, u. a. bekannt als Mitglied der Extended Versions bzw. More Extended Versions, rührt nicht nur als Musiker (Sax, Klarinette, Electronics, begnadete Stimme) enorm in den experimentellen Musikszenen herum. Sein Orchester 33 1/3, unzählige Kollaborationen und sein programmatisches Mitwirken bei phonoTAKTIK sind Legende und endlich ist er wieder als Veranstalter tätig. Was schlaglichtartig Erinnerungen an seine glänzende Konzertprogrammierung fürs Audimax der TU bzw. den TU Club Ende der Achtziger-Jahre in der Paniglgasse weckt. Deshalb wird im E-Mail-Interview manchmal die Vita des 58-jährigen Kulturarbeiters gestreift, doch nicht vergessen, das Catalytic Sound Festival zu preisen. Im Oktober werden gleichrangige Festivaltage in Amsterdam, Chicago, New York, Rotterdam, Trondheim und Washington, D.C. live vor Ort und als Livestream abgehalten. Vor Ort werden lokale Improv-Szenen mit Gastspiel-Acts kombiniert. Internationaler Austausch und gleichzeitige Vernetzung sollten zu besserer Wahrnehmung und Festigung der agilen Improv-Zellen führen. Im Porgy & Bess werden u. a. Mats Gustafsson/Didi Kern, Susanna Gartmayer/Christof Kurzmann und Elisabeth Harnik/Tanja Nina Feichtmair/Polaschegg auftreten.

Mats Gustafsson & Christof Kurzmann © Michele Giotto

skug: Du musst ein guter Netzwerker sein, wie hat sich das entwickelt? Bereits mit den Extended Versions oder später?

Christof Kurzmann: Früher war das Netzwerken anders. Man*frau war im richtigen Moment am richtigen Ort (Bar, Konzert, Plenum, Ausstellung …) und schon war man*frau dabei. Ich war damals viel unterwegs und war da halt öfter zugegen. Auch hatte ich dadurch, dass ich Musiker, Journalist und Veranstalter war, mehrere Anknüpfungspunkte. Letzteres ist heute noch so und verschafft eben Kontakte. Ab phonoTAKTIK kam dann noch was anderes dazu: das Internet. Wir haben das ganze Festival damals zu Großteilen übers Internet abgewickelt, geschrieben, kontextet, gehört, gesucht, gefunden …

Deswegen konntest du weltweit viel unterwegs sein. Bitte um eine diesbezügliche Vita. Du wurdest sogar in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut vom DAAD durch die Welt geschickt …

Ich habe in den letzten Jahren auf allen Kontinenten außer Australien auftreten dürfen. In Österreich werde ich oft gefragt, ob ich denn noch Musik mache. Klar, ich war früher hier in Wien oder auch Österreich um einiges bekannter als heute. Dafür komme ich heute fast überall auf der Welt herum und erreiche so um einiges mehr an Leuten als damals. Und eines meiner wesentlichen Interessen beim Musikmachen ist ja der Austausch mit anderen Musiker*innen und dem Publikum. Das ist, zumindest war es bis vor der Pandemie, eben auch weltweit und somit spannender als in der eigenen (sehr liebenswerten) Blase. Ja, das Netzwerken war auch sicher an meinem »Erfolg« mit schuld. Vermutlich war es aber auch, dass ich, sobald ich konnte, aber auch aus der einen Szene in Wien, zuerst österreichweit und dann weltweit gereist bin. Ich habe an verschiedenen Orten gewohnt und so zu unterschiedlichen Szenen Anschluss gefunden und vor allem viel gelernt.

Elisabeth Harnik Trio © Hannes Schneider

Seit wann lebst du wieder in Wien bzw. gibt es noch andere Wohnsitze, von denen aus du arbeitest?

Ich bin wieder in Wien, seit zehn Jahren. Viel unterwegs war ich aber immer. Das hat sich durch die Pandemie geändert und so komme ich jetzt wieder zum Veranstalten. Das Filmfestival Vienna Shorts kuratiere ich außerdem seit einiger Zeit mit. Und bin eben Teil von Catalytic Sounds.

Shilla Strelka ging es nach Covid-19 mit Unsafe+Sounds um das Wiederschaffen von Möglichkeiten, die Musik physisch im gemeinsamen Erleben wahrzunehmen. Geht es dir/euch auch darum bzw. eher nur um das internationale Vernetzen und ein Mehr an Auftrittsmöglichkeiten?

Vor Ort geht es mir auch um die Auftrittsmöglichkeiten. International aber denke ich, dass es noch Jahre dauern kann, bis ein »normales« gemeinsam Reisen wieder möglich sein wird. Beispiel: Meine Band Made to Break – ein Chicagoer, ein Amsterdamer, ein Berliner. Alle zusammen proben, reisen, überqueren Grenzen und wollen Auftritte bekommen … in weiter Ferne.

Welche Venues werden in den Partnermetropolen bespielt?

In den Niederlanden gleich drei, von 8. bis 10. Oktober das Worm in Rotterdam, Pletterij in Haarlem sowie Bimhuis in Amsterdam, mit Acts von Ig Henneman bis Terrie Ex & Kaja Draksler mit Ab Baars. In Chicago werden am 14. Oktober Bonnie Jones, Macie Stewart & Ken Vandermark oder am 16. Oktober etwa Damon Locks, bekannt vom Black Monument Ensemble auf International Anthem, im Elastic Arts auftreten. In der New Yorker Fridman Gallery gastieren beispielsweise Ikue Mori & Zeena Parkins am 23. Oktober und Fred Lonberg-Holm am 24. Oktober. Im Stillverk1 zu Trondheim wird an den beiden letzten Oktobertagen Paal-Nilsson-Love einmal mehr seine Vielseitigkeit als Drummer unter Beweis stellen, mit Ingebrigt Håker Flaten, Andreas Roysum und Altsaxophonistin/Elektronikerin Signe Emmeluth, die wie Nilsson-Love auch solo zu hören sein wird. Ausklang an diesem 30. und 31. Oktober auch im Rhizome in Washington D.C., wo aber die Acts zurzeit noch nicht verlautbart wurden.

Signe Emmeluth © Konsertforeninga: Kjetil Tangen

Wie unterscheidet sich die Programmierung. Wird jeder der Musiker*innen in den genannten Metropolen auftreten?

Das Festival ist ja eine Reaktion auf die Pandemie. Die Schlussfolgerung war, (Flug-)Reisen wird in Zukunft nicht nur schwieriger, sondern auch wegen der Umweltbelastung nicht in dem Ausmaß wie bisher möglich sein. Daher die Vernetzung im Netz und der Fokus auf die jeweils heimischen Szenen vor Ort. Also Österreicher*innen in Wien, Niederländer*innen in Amsterdam, Rotterdam, Haarlem usw. Das Ganze dann als Livestream, um diese unterschiedlichen Szenen, Einflüsse, Standpunkte etc. auch sichtbar zu machen, und um diese Szenen wenigstens vorübergehen mal auf diese Art und Weise vernetzen zu können.

Zur Auswahl der Musiker*innen: Meinem Empfinden nach scheint es da um das näher befreundete Umfeld zu gehen und weniger um kuratorische Belange, oder liege ich da falsch?

Es sind durchaus unterschiedliche Freundeskreise, ja. Musikalisch sind Welten zwischen Sylvie Courvoisier und den Ex. Aber über Ecken sind wir alle bekannt (ich glaub’ aber, keine*r kennt alle persönlich). Irgendwie hat man*frau sich während der Pandemie gefunden und zusammengetan.

Nun die Frage an das kuratorische Herz des Christof Kurzmann: Die Acts wurden aus welchen Beweggründen gewählt und was zeichnet sie aus?

Das Programm in Wien war mal dadurch determiniert, dass die drei österreichischen Mitglieder von Catalytic Sound, also Elisabeth Harnik, Mats Gustafsson und ich, auftreten sollen. Dann habe ich an Musiker*innen gedacht, die mit uns oder auch anderen Catalytiker*innen schon zusammengespielt haben, also zum Beispiel Didi Kern oder Susanna Gartmayer, die schon mit einigen anderen in musikalischem Austausch waren. Daniel Lercher ist Exponent der elektronischen Musikszene, welche ich nicht unwesentlich für Wien halte, und dann sollten natürlich auch jüngere Menschen ihren Platz finden, wie etwa das Hofmaninger/Schwarz Duo.

Susanna Gartmayer © Peter Gannushkin

Zurück zu den Anfängen. Was war eigentlich bevor du TU-Club-Konzerte in der Paniglgasse bzw. im Audimax der TU (legendäre Gigs von Cecil Taylor bis Don Cherry und Codona) veranstaltet hast?

Davor war ich ein Fan. Das Veranstalten und Über-Musik-Schreiben waren schon sehr früh dran. Ich habe Konzerte im Rotstilzchen organisiert, auch bei den Nickelsdorfer Konfrontationen mitkuratiert/geholfen, dann war da der TU Club und von dort aus wurde ich dann als Kulturreferent der TU gewählt. Geschrieben habe ich für die Schüler*innenzeitung »Impressum«, dann für den »Falter«, ging dann zum ORF Radio und habe bei der »Musicbox« und beim »Kunstradio« gearbeitet.

Birgit Hebein, u. a. ehemals grüne Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin in Wien von 2019 bis 2020, engagierte sich Anfang der 1990er-Jahre für Menschen, die das österreichische Bundesheer total verweigerten. Helmut Heiland und du waren Totalverweigerer, was vom Staat verfolgt wurde. Bist du noch in Kontakt mit Helmut (übrigens lange Jahre skug Webmaster) und Birgit?

Ja, ich bin noch in Kontakt mit beiden. Selten, aber gerne, Und ich hoffe, dass die beiden auch eventuell zum Festival im Porgy & Bess vorbeischauen werden.

Wie bist du da damals aus der Malaise rausgekommen? Ist die Vorstrafe noch aufrecht und wo verortest du dich heute politisch?

Irgendwann Ende meiner Zwanziger wurde ich letztlich unehrenhaft aus dem Wehrdienst entlassen. Ich war zuvor einige Tage im Gefängnis, aber es wurde draußen so viel politischer Druck gemacht, dass die Sache nicht nur für mich unangenehm wurde. Politisch würde ich mich heute vielleicht als heimatlosen Linken bezeichnen.

Catalytic Sound Festival: 1. und 2. Oktober 2021 im Porgy & Bess/Wien, alle weiteren Termine/Acts unter: https://festival.catalyticsound.com/

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