Das Konzept der Vielbühnigkeit findet beim Internationalen Jazzfestival Saalfelden auch 2018 seine Fortsetzung und wird in quantitativer Hinsicht sogar noch erweitert. Zur Verfügung stehen Jazz-Interessierten oder -Neugierigen nunmehr die Mainstage im Congress, die Shortcuts im Kunsthaus Nexus, Nexus + ebendort, die Citystage am Rathausplatz, die Almkonzerte und dieses Jahr erstmalig die sogenannten City Tracks.
Mit Letzteren will Mario Steidl, künstlerischer Leiter des Festivals, vor allem einen »Testballon« steigen lassen. Für das 40-Jahre-Jubiläum 2019 möchte er die Anzahl dieser frei zugänglichen Konzerte, die heuer etwa in einer Buchhandlung stattfinden, nämlich noch deutlich steigern. Die City Tracks möchte er aber auch 2018 schon als rein konzertante und leicht experimentelle Ergänzung zur Citystage am Rathausplatz etablieren, an deren Festcharakter laut Steidl weder in diesem Jahr noch in Zukunft gerüttelt werden soll.
Programmierung 2018
Mario Steidl wird nicht müde, zu betonen, dass er »Jazz nicht als Genre, sondern als Haltung« betrachtet. Verständlich daher seine Freude darüber, dass das Eröffnungskonzert, Jahr für Jahr von einheimischen MusikerInnen komponiert und konzipiert, diesmal von Ulrich Drechsler bestritten wird. Der ganz und gar nicht als Jazz-Purist verschriene Saxophonist geht mit seiner Komposition höchstwahrscheinlich, da unterstützt von den Vokalistinnen Clara Luzia, Özlem Bulut und Yasmin Hafedh, in Richtung bekömmlich-interessantes Stilgebräu, das wenig mit Jazz als freitonalem Gedudel zu tun haben wird.
Überhaupt ist der Frauenanteil 2018, wie auch schon beim Eröffnungskonzert, relativ hoch. Mit rund 30 Prozent auf der Mainstage und im Nexus beziffert Mario Steidl ebendiesen. Damit und mit dem Anspruch, dass man in diesem Jahr ebenfalls wieder »weg geht von den großen Namen«, zeigt sich Steidl sehr zufrieden. »Wir müssen die Namen von morgen schaffen und MusikerInnen auch begleiten«, gibt er sodann als kleines Motto und ambitionierten Ansatz für das Jazzfestival aus, das er an sich aber als »mottolos« sehen möchte. »Es geht darum, ein Festival mit MusikerInnen zu programmieren, die innovativ sind und etwas zu sagen haben«, so Steidl. Ob dann elektronische Elemente in der Musik Einzug halten oder gar HipHop-Einflüsse auszumachen sind, ist, so sieht man auch heuer wieder, letzten Endes egal. Stil- und Grenzüberschreitungen sind, vielleicht noch mehr als 2017, sogar ausdrücklich erwünscht.
So stehen neben den großen Namen Elliot Sharp, Marc Ribot, Mary Halvorson und Erik Friedlander auch, aus internationaler Perspektive betrachtet, noch nicht so große Namen auf dem Spielplan. Besonders stolz ist Steidl in diesem Kontext darauf, dass die französischen Musikerinnen Leïla Martial (Jazz-Sängerin) oder Hélène Breschand (Harfenistin/Komponistin) beim diesjährigen Festival vertreten sind. Überhaupt werde es viele VokalistInnen geben, meint Steidl. »Ein kleiner roter Faden«, merkt er dazu an.
Diesjährige Glanzlichter
Als Highlight wird sich 2018 wohl bereits das Eröffnungskonzert erweisen. Ulrich Drechsler navigiert schon seit länger Zeit mit ruhiger Hand und selbstsicher durch verschiedenste Spielweisen der improvisierten und eher weniger improvisierten Musik. Dass er drei Sängerinnen aus unterschiedlichsten Kontexten bis hin zu HipHop und Poetry-Slam in sein Projekt hineingeholt hat, belegt seine Abenteuerlust und seinen Entdeckergeist. Ob es den Jazz-Puristen gefallen wird, die stattdessen lieber Avant-Jazz amerikanischer Prägung hören wollen? Egal. Und Sinnbild für den Mut des Festivals, nicht nur immer hin zur Avantgarde, sondern hin zur Vielfalt der Ausdrucksweisen zu streben. Zu hören ist das Drechsler-Projekt bereits am Freitag, dem 24. August um 19:00 Uhr auf der Mainstage.
Trotz der eigentlich Fokussierung des Festivals auf europäische MusikerInnen sollte man sich auf keinen Fall Marc Ribot mit seinen »Songs of Resistance« entgehen lassen. Ebenfalls am 24. August um 22:30 Uhr auf der Mainstage, bekommt man den alterweisen Ribot mit Band serviert, der mittlerweile in einer eigenen Liga spielt. Und zwar nicht was etwaige ostentative Virtuosität, sondern was die ungeheure Lässigkeit betrifft, mit der er wie auch immer geartete Genre-Grenzen niederreißt. Ribot singt Protestlieder, bewegt sich immer wieder in freitonales Neuland hinaus, zeigt dann wieder Mut zur Einfachheit, um kurz darauf erneut wild auszuscheren.
Am Sonntag, dem 26. August steht gegen 00:30 Uhr das englisch-amerikanisch-deutsche Gespann Shabaka Hutchings feat. Shake Stew auf der Mainstage. Neben dem legendären Tenor-Saxophonisten spielen im deutschsprachigen Raum so klingende Namen wie Mario Rom, Lukas Kranzelbinder oder Niki Dolp in dieser Zusammensetzung. Die Musik dazu klingt melodisch, wüst, abgefahren und doch versöhnlich und streckenweise wunderschön.
Als Glanzlicht stellt sich zweifelsohne auch Schmieds Puls heraus. Erst letztes Jahr hat die Bandleaderin Mira Lu Kovacs mit 5K HD, einem Zusammenschluss von ihr mit Kompost 3, erstaunliche Ergebnisse hervorbrachte und die Citystage in eine Pop-Location inklusive eindrucksvoller Light-Show verwandelt. Die Musik dazu war poppig, jazzig, anspruchsvoll, eingängig und schlicht grandios. Meist alles davon zugleich. Mit Schmieds Puls lässt sie es ruhiger angehen und geht ihrem Hang zum Singer-Songwritertum nach. Die Songs sind fragil, harmonisch reichhaltig und interessant, dabei aber auch manchmal so schlicht, dass man jeden Ton auskosten kann. Dazu singt Mira Lu Kovacs, man traut es sich kaum zu sagen, engelsgleich. Zu hören am Freitag, dem 24. August um 20:00 Uhr auf der Bühne Nexus +.
Was sonst noch? Die Strottern sollte man am Sonntag, dem 26. August um 11:00 Uhr auf der wunderschönen Stöcklalm gesehen haben und auch das Paier Valcic Quartett verbreitet am 26. August um 10:00 Uhr im Museum Schloss Ritzen garantiert wunderbare, leicht schwerlose und doch zupackende Musik.
Fazit
Auch 2018 ist das Internationale Jazzfestival Saalfelden wieder bunt. Womöglich bunter als je zuvor. So bunt, dass jeder seinen eigenen roten (oder blauen oder grünen oder was auch immer) Faden finden wird. Ein Festival mit »reinem Jazz« ist das hier jedenfalls, zum Glück, schon längst nicht mehr.