Im bunten Haus der Weltmusik gibt es eine Menge verstaubter Ecken. Oft wird ja von Musikern, die sich auf die Musiktraditionen ihres Landes berufen, ein, sagen wir, hochkultureller Umgang mit diesem Erbe erwartet. Daraus folgt dann entweder ein bemühter Ethnojazz oder ein knochentrockenes Wiederholen von Formeln, die schon Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Oder es geht eben doch in Richtung Pop bzw. Weltpop, aber da meckern die Kulturwächter längst über Ausverkauf und Verwässerung. Das wäre zu vernachlässigen, wenn der Schritt in Richtung Pop nicht tatsächlich sehr oft in seichte Wasser führen würde. Das gilt gerade auch für arabische Musiktraditionen, wo der religiöse bzw. fundamentalistische Subtext für zusätzliche Fronten und Hindernisse sorgt. Umso wertvoller, umso willkommener ist es darum, was den fünf Musiker Khyam Allami (Oud), Tamer Abu Ghazaleh (Gesang/Buzuq), Bashar Faran (Bass), Maurice Louca (Keyboards/Elektronik) und Khaled Yassine (Percussions) mit »Aynama-Rtama« gelungen ist. Eine Musik, die in harmonischer Hinsicht zwar ganz stark in der arabischen Tradition steht, sich aber strukturell und vor allem in der Anmutung in Richtung moderne Popmusik öffnet, hier der partiell dancefloortaugliche Groove, da die Breaks und Ûbergänge, die kleinen dramaturgischen Finessen und generell der lässig-abgeklärte Impetus. Es ist kein Wunder, dass die CD in Kairo aufgenommen wurde, wo der Geist der nubischen Musik, diese herrliche Durchdringung von arabischen und afrikanischen Spirits (nachzuhören bzw. wiederzuentdecken etwa bei Ali Hassan Kuban, dem »Godfather of Nubian Music«), seine Heimat hat. Dieses belebende Amalgam ist auch auf »Aynama-Rtama« permanent präsent. So vital, kraftvoll und mitreißend muss das klingen! Dann wird auch das Etikett »Weltmusik« schnell aussagelos, es ist vielmehr, als würden diese Herren diese Tradition für sich selbst neu entdecken, neu wiederbeleben. So soll es sein.
Alif
»Aynama-Rtama«
Nawa Recordings
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