Geisterhaft und flüchtig, brüchig und zart – Loren Connors‘ abstrakter Blues lockte so unterschiedliche Musiker wie Keiji Haino, Thurston Moore, Jandek, Jim O’Rourke oder John Fahey an, ein Bootleg von 1999 dokumentiert traumhafte Aufnahmen mit Chan Marshall alias Cat Power. Auf all diesen Aufnahmen ist Connors‘ Stil, Gitarre zu spielen, unverkennbar: Langgezogene, zart schimmernde Noten, deren langsam aushallende Klänge die Zeit anzuhalten scheinen. Musik wie Sternschnuppen in Slow Motion.
Ebenso unfassbar wie die Erscheinungen am bestirnten Nachthimmel, ist der Umstand, dass Loren Connors‘ Musik über die vergangenen drei Jahrzehnte hinweg kaum ein größeres Publikum gefunden hat: ein ewiger Insider-Tipp. Er ist so sehr Underground, dass er »manchmal kaum atmen« könne, wie Gregor Kessler den Musiker im Fanzine »Hayfever« zitiert. (Der 1998 erschienene Artikel [1] ist wohl der bisher einzige deutschsprachige Text über Loren Connors.)
2011 sind neben der Wiederveröffentlichung der »Moonyean«-CD von 1994 auf Vinyl drei weitere Alben erschienen: »Red Mars« und »Fire« enthalten Soloaufnahmen, »Blue Ghost Blues« ist im Quartett mit Haunted House aufgenommen, einem Projekt, das neben seiner Partnerin Suzanne Langille (Gesang) noch aus Andrew Burnes (Gitarre) und Neel Murgai (Percussion) besteht.
Janitor Of Intimacy
Kurz zur langen Geschichte von Loren Connors, die hier nicht erzählt werden kann: In den späten Siebzigern – also gleichsam zu Beginn seines musikalischen Schaffens – arbeitete er einige Jahre als Hausmeister in Yale, wo er William R. Ferris kennenlernte, der dort als Historiker lehrte. Der entpuppte sich als Fan des amerikanischen Blues, über dessen Geschichte er auch schrieb, und im Verlauf ihrer sich entwickelnden Freundschaft verfasste er die Linernotes für einige der Alben, die Connors in den 1980ern im Eigenverlag (Daggett/ St. Joan) veröffentlichte. Diese historische Anekdote ist symptomatisch: Unter Freaks und Fachleuten bekannt und verehrt, fristet Loren Connors bis heute ein Nischendasein. Zu Zeiten seines Hausmeisterjobs nicht einmal neben, sondern eher schon in den Mülleimern der Geschichte, die er Ende der 1970er in Yale ja noch selbst ausgeleert hat. (Wo steckt Gus Van Sant, wenn man ihn braucht?)
Während der 1980er und angesichts seiner nicht einmal stagnierenden, sondern schlicht ausbleibenden musikalischen Karriere, der weitgehenden Nichtwahrnehmung seiner extrem verdichteten und abstrakten Bluesminiaturen durch ein wenigstens kleines Publikum, gab er das Musikmachen mehrfach auf – um schließlich doch wieder die Gitarre in die Hand zu nehmen. In den 1990ern entdeckten Jim O’Rourke und Thurston Moore den zurückgezogen lebenden Musiker, tourten mit ihm und führten seine Musik auf diese Weise einem überschaubaren, nachgewachsenen und durch Post-Rock an Avantgarde interessiertem Indie-Publikum zu. Zeitgleich betrieb der Musikkritiker und Literat Byron Coley die Wiederveröffentlichung von Connors‘ frühen Aufnahmen ( »Unaccompanied Acoustic Guitar Improvisations Vol. 1-9« auf Ecstatic Yod).
Innerhalb dieser Hipster-Gemeinde genießt Loren Connors Kultstatus, Dutzende von Alben ( manche davon Archivaufnahmen und Reissues) sind seither erschienen, und die Liste der Veröffentlichungen wird stetig länger – trotz und wegen seiner vor beinahe zwanzig Jahren diagnostizierten Erkrankung am Parkinson-Syndrom: »Manche Leute können sich Zeit lassen, Dinge zu produzieren. […] Ich weiß aber nicht, wie lange ich noch Zeit habe, Gitarre zu spielen […] also verschwende ich keine Zeit«, führt Loren Connors in den Linernotes zu »Night Through. Singles & Collected Works 1976-2004« aus. Doch auch wenn seitdem bereits wieder einige Jahre verstrichen sind und die Zeit knapp bemessen sein mag, trägt die Musik kaum Spuren der Erkrankung ihres Urhebers oder lässt sich gar aus dieser heraus erklären. Wie aber klingt die Musik?
Zärtlich, abgründig
Eine einsame elektrische Gitarre, in mehreren Spuren aufgenommen, übereinandergelegt und doch so flüchtig, zart und wie nur durch dichten Nebel hindurch vernehmbar. Note für Note, Ton für Ton dringt die Musik ans Ohr, um im selben Augenblick wieder zu verklingen: Langsam und behutsam und ohne jede Eile; gleichzeitig verstörend, da konventionelle Strukturen den musikalischen Kompositionen/Improvisationen nicht zu eigen sind. Hin und wieder verdichten und vermischen sich die frei schwebenden, einzelnen Tonfolgen in geisterhaft-struppigen und zerbrechlich-lärmenden Feedbacks. Dann gewinnen sie eine diffus-bedrohliche Qualität zur ohnehin dunklen, undurchsichtigen und abgründigen Stimmung, die »Red Mars«, eine der aktuellen Veröffentlichungen, die jüngst auf Family Vineyard erschien, kennzeichnet. Im Vergleich zu »Red Mars« klingt das in diesem Jahr wieder erhältlich gewordene Album »Moonyean « von 1994 zärtlich, in sich ruhend und geprägt durch einen warmen Klang. Loren Connors‘ Gitarre erinnert hier über weite Strecken an eine Mimose, die »schamhafte Sinnpflanze«, die sich bei der kleinsten Irritation in sich selbst zurückzieht. Gerade deshalb wird man von dieser Musik, dieser akustischen Schamhaftigkeit, umso mehr angezogen, je mehr sie sich zu entziehen scheint. Immer und immer wieder kehrt man zu dieser kleinen, schüchternen Musik zurück, die nichts außer unbehelligt (aber nicht unbemerkt!) sein will.
Loren Connors‘ Musik ist jedoch in der Wahl der Mittel und ihrer Umsetzung komplex und voraussetzungsreich, auch wenn sie manchmal sehr einfach klingt. Denn als kenntnisreicher Interpret des amerikanischen Blues verdichtet er sein enzyklopädisches musikalisches Wissen zu abstrakten Miniaturen und raumgreifenden Improvisationen, deren musikalischer Kern aber im Blues zu finden ist. Robert Johnson, Son House, Skip James, und wie sie alle heißen, werden so lange auf kleiner Flamme gekocht, bis nur ihre Blue Notes übrig bleiben, die Connors dann in durchwachten Nächten weiterverarbeitet und in homöopathischen Dosen verabreicht bzw. veröffentlicht.
Singulär, nicht alleine
Loren Connors‘ Musik ist – so sehr die Tradition des Blues ihr eingeschrieben ist – historisch ohne Vorgänger und ohne Nachfolger. Sie hat – im Gegensatz zu John Faheys Fingerpicking – bisher weder Epigonen hervorgebracht, noch eine Schule gebildet. Connors‘ und seine Musik stehen singulär, ganz für sich. Doch seit seiner Entdeckung durch Musiker des amerikanischen Undergrounds kollaborierte Loren Connors verstärkt mit einer Vielzahl von wechselnden Musikern und Musikerinnen, darunter auch Keiji Haino, Christina Carter (Charalambides), John Fahey und Jandek (dem bis zur Selbstenttarnung 2004 großen unbekannten »Man from Corwood«). Die daraus hervorgegangenen Aufnahmen tragen aber unverkennbar Connors‘ Signatur. Er hinterlässt markante Spuren und Eindrücke, auch in der Arbeit anderer.
Schon zu Beginn seines musikalischen Schaffens und bis in die Mitte der 1980er nahm er mit der Sängerin Kath Bloom zusammen Folk-Blues-Platten auf (die ein wenig so klingen, als hätte man Joni Mitchell zusammen mit Tim Buckley im späten Herbst in einem New Yorker Apartment ohne Heizung eingesperrt).
Mit seiner Lebensgefährtin Suzanne Langille arbeitet er im Duo und Quartett an einer wild-romantischen und dabei angenehm unkitschigen Variante karger Americana. »Blue Ghost Blues« heißt das aktuelle Ergebnis dieser Zusammenarbeit, die, gemeinsam mit Andrew Burnes (Gitarre) und Neel Murgai (Percussion), als Haunted House eine atmosphärisch dichte, klagende und mithin verstörende und widerspenstige Musik hervorgebracht hat. In der Tradition des US-amerikanischen Folk- und Blues kommt sie jedoch ohne jede rückwärtsgewandte Geste aus. Große Kunst, vergleichbar dem Schaffen von Carla Bozulichs Projekt Evangelista: knochentrocken und hart, schroff und dunkel – gleichzeitig jedoch von eigentümlicher Wärme, Zärtlichkeit und Ruhe geprägt. (Bitte jetzt nichts von Authentizität murmeln!)
David Krispel stellte in »skug # 87« das New Yorker Label Northern Spy vor, das im September dieses Jahres »Blue Ghost Blues« veröffentlichte – so dass damals der Hinweis auf Haunted House leider fehlen musste. Daher sei an dieser Stelle mit Nachdruck auf das einzigartige Musikschaffen von Loren Connors und Haunted House hingewiesen.
[1] Dank an Gregor Kessler: »Loren Mazzacane Connors«, in »Hayfever« No. 6/1998. Das Heft mit dem instruktiven Text zu Musik und Biographie von Loren Connors in all den hier nicht berücksichtigten Facetten kann (incl. einer 7? mit einem Track von Loren Connors) für EUR 5,- bezogen werden: www.hayfever.de/misc/heft
Haunted House: »Blue Ghost Blues« (LP/CD, Northern Spy 2011)
Loren Connors: »Red Mars« (CD, Family Vineyard 2011)
»Fire« (LP, Family Vineyard 2011)
»Moonyean« (LP, Enabling Works 2011)
zur Einführung:
»Night Through. Singles & Collected Works 1976-2004« (2CD, Family Vineyard 2006)