Vom 6. bis 8. März 2020 findet in St. Johann in Tirol die 20. Ausgabe des Festivals Artacts statt. Musik-Herzstück des Jubeljahres ist eine von den Festivalverantwortlichen in Auftrag gegebene Mini-Oper aus der Feder der österreichischen Geigerin und Komponistin Irene Kepl.
So richtig in die Karten schauen lassen will sich Hans Oberlechner, künstlerischer Leiter des auf improvisierte Musik und (Free-)Jazz spezialisierten Festivals, in Bezug auf die genaue ästhetische und inhaltliche Ausgestaltung der eigens für das Festival komponierten Oper nicht. Klar ist aber neben dem Titel, »Laut Schweigen«, dass diese in etwa 45 Minuten dauern und sowohl mit freien Teilen als auch mit komponierten Elementen umgehen wird.
»Letztere sollen durch Zufall zusammengewürfelt werden«, gibt sich Oberlechner auf Nachfrage noch immer relativ kryptisch. Auch dass mit dem und in dem Konzertraum, der alten Gerberei, »etwas passieren wird«, verrät er nur zögerlich und andeutungsweise. Es soll zweifellos eine mittlere bis große Überraschung für das fachlich versierte Artacts-Publikum bleiben.
Deutlich konkreter ist hingegen im Opern-Kontext die Beteiligung von ChorArt St. Johann, ein Chor, der in und mit Menschen aus der Region gegründet wurde. Als »ein großes, sinnliches Erlebnis« beschreibt Oberlechner dann schließlich dieses vielgestaltige Auftragswerk, das wohl auch vieles davon auf den Punkt bringt, etwa das Oszillieren zwischen freier Improvisation und Kompositionskunst, das das Festival seit zwei Jahrzehnten ausmacht.
Großes Musiker*innenaufgebot
Erste Proben mit Kepl hätten schon stattgefunden, führt Oberlechner noch aus. Dass es um herausfordernde Musik geht, erahnt man schnell. »Nicht alles von der Musik von Irene Kepl entspricht den Erwartungen und Hörgewohnheiten der Chormitglieder«, erzählt Oberlechner mit leicht verschmitztem Lächeln. Weitere gemeinsame Proben folgen jedenfalls noch.
Das Ergebnis lässt sich in definitiver Form am Sonntag ab 19:00 Uhr erleben. Beteiligt sind Musiker*innen wie dieb13 mit seinen Turntables oder auch die steirische Pianistin Elisabeth Harnik, die beim Artacts als Stammmusikerin gelten darf. Zudem agieren beim Opernwerk neben dem Chor Sängerin, Cello, zwei Tenor-Saxofone und natürlich ein für Jazz obligatorischer Kontrabass.
Einheimische und internationale Größen
Neben der Mini-Oper setzt man insgesamt auf altbewährte Formen. Ein roter Faden ist auch heuer beispielsweise wieder, dass sich einheimische Impro-Könner und internationale Szenegrößen treffen und gemeinsam eine universelle Impro-Klangsprache entwickeln. Das passiert am ersten Festivaltag bereits ganz zu Beginn mit der österreichischen Pianistin Ingrid Schmoliner, die auf den amerikanischen Schlagzeuger und Perkussionisten Hamid Drake trifft.
Dasselbe gilt auch für das vierte Konzert des ersten Tages, bei dem Elisabeth Harnik in einen Dialog mit Dave Rempis und Michael Zerang eintritt und damit der österreichisch-amerikanischen Musikfreundschaft frönt. Am Samstag wiederum darf man sich daran erfreuen, was bei Mopcut mit einem französisch-amerikanisch-österreichischen Zusammenschluss möglich ist.
Grenzüberschreitungen und Öffnung
Im Kern mag das Artacts ein Festival sein, das sich mit den unterschiedlichsten Spielarten des freien Jazz auseinandersetzt. Gerade aufgrund der Beschäftigung mit diesen Spielarten, die oft eindeutige tonale und musikalische Einordnungen transzendieren, hat sich aber über die Jahre verstärkt eine Öffnung zu anderen Musikrändern und Nischen aufgetan.
Eine Öffnung hin zur elektronischen Musik vollzieht sich beispielsweise beim vorletzten Konzert am Sonntag. Die Husband, bestehend u. a. aus Akteur*innen der experimentellen Wiener Elektronik-Szene wie etwa Billy Roisz oder Karolina Preuschl, fährt und führt allerlei elektronisches Geschütz auf und bewegt sich mit ebenjenem deutlich in Richtung Noise. Marie Vermont, ebenfalls an diesem Projekt beteiligt, behauptet gar von sich, 1999 von Aliens entführt worden zu sein. Eine mögliche Erklärung dafür, dass dieses Projekt so klingt, wie es nun einmal klingt.
Impro für Neulinge
Sollte man sich hingegen (noch) nicht zum erlauchten Kreis zählen, der eine Oper mit ausdrucksauffälliger Musik genießen, den Abenteuern der freien Improvisation lustvoll folgen oder den elektronischen Noise-Welten mit Genuss lauschen kann, dann bieten sich beim Artacts zahlreiche Einstiegshilfen.
Da wäre zum Beispiel eine Fotoausstellung, die am Donnerstag, dem 5. März 2020 dem Festival sozusagen vorangestellt ist. Zu sehen sind Artacts-Konzertmomente, die von Fotograf*innen wie Werner Krepper oder Peter Gannushkin für die Nachwelt festgehalten wurden.
Auch Besuche der sogenannten Soundcabs am St. Johanner Hauptplatz könnte diesbezüglich am Samstag und Sonntag lohnend sein. In diesen Holzkabinen geben Musiker*innen exklusive und damit letztlich auch private für jederfrau und jedermann verträgliche Kurzkonzerte.
Last but not least existiert das Format »Lauschen und Plauschen«. Interessierte junge Eltern können sich hierbei am Samstag ihren 0- bis 3-jährigen Nachwuchs schnappen und rund 30 Minuten den Klarinetten-Klängen von Paed Conca zuhören. Falls die große Impro-Liebe dann weder beim Nachwuchs, an den sich das alles eigentlich richtet, noch bei einem selbst erwacht ist, bleiben immer noch Kaffee und Kuchen, die hier ergänzend zur Musik kredenzt werden.
Fazit
Das Artacts war und ist eines der zentralen Festivals in Österreich für Menschen, die improvisierte Musik und artverwandte Spielarten in intimer Atmosphäre in konzentrierter Form erleben oder kennenlernen wollen. Das kuratorische Händchen von Hans Oberlechner ist schließlich nahezu unfehlbar.
Link: http://www.artacts.at/