Seit »Song« sind fünf Jahre vergangen. Inzwischen ist viel passiert. Auf vielen Ebenen. »You make a lot out of very few.« Diese Einschätzung von Fred Frith beschreibt heute das Attwenger-Konzept nicht mehr exakt. Auf »Sun« machen sie mehr als a lot aus, ein wenig mehr als very few. Getäuscht haben sich alle, die erwartet haben, die neue Produktion der Oberösterreicher würde sich »noch elektronischer« anhören als »Photos«, Markus Binders Soloprojekt aus dem Vorjahr. Und wer überhaupt nicht mehr an eine richtige Attwenger-Platte geglaubt hat, der kennt die Attwenger schlecht.
März 2002, ein paar Tage vor dem erscheinen von »Sun«. Heimfahrt vom Konzert der nicht ganz so bekannten Sidekicks von Markus Binder und Hans-Peter Falkner. Die Urfahraner Volksmusik-Gruppe Falkner 3 und Attwengers alter ego die goas hatten das Publikum begeistert: Hans-Peter und Erich Falkner an der Knöpferlharmonika, Pauline Falkner an der Gitarre, Markus Binder an der Tuba und Texta-Leihgabe Huckey am Schlagzeug sorgten für einen Höhepunkt des diesjährigen Akkordeon-Festivals. Während der Gürtel an mir vorbeizieht, sehe ich noch einmal vor meinem geistigen Auge, wie Geburtstagskind Hans-Peter Falkner als Zugabe von der Familie eine riesige Torte überreicht bekommt, wie seine Mama »Happy Birthday« und »Hoch soll er leben!« anstimmt, wie das gleichzeitig überraschte und gerührte Publikum aus voller Kehle mitsingt. Auch die zwei jungen Herren hinter mir, die ebenso wie ich die letzte U-Bahn erlaufen haben, reflektieren das Konzert. Beachtlich, meint der eine, wie der Falkner seine Popularität nütze, um seine Eltern auf die Bühne zu bringen. Die Attwenger-Sachen von früher hätten ihm mehr getaugt, sagt der andere. So Polka mit Rock vermischt, das sei schon was gewesen. Aber später dann, na ja. Sagt er. Sie sollen ja jetzt wieder eine neue Platte aufgenommen haben, berichtet der eine. Nix genaueres wisse man nicht, aber angeblich soll es eine Kombination ihres frühen Stils mit den Experimenten der letzten Jahre sein. Sagt er.
Attwenger haben es ihrem Publikum nie wirklich leicht gemacht: Spätestens ab 1990 werden sie als heißer Insidertipp gehandelt. Das zweite Album »Pflug« wird 1993 vom österreichischen Radiopublikum zur Platte des Jahres gewählt, und sie antworten mit einem Richtungswechsel, dem Meisterwerk »Luft«. Die Reaktionen sind euphorisch, und auch 1994 heißen die mit der Platte des Jahres Ausgezeichneten Attwenger. Der Wettbewerb droht also eine Farce zu werden und findet kein drittes Mal statt. Auch Attwenger ziehen einen Schlussstrich, lösen sich am Höhepunkt des Erfolges auf, um zwei Jahre später mit »Song« zurückzukommen, wieder radikal verändert, mit stark reduziertem Einsatz der Mittel, eine weitere unerwartete Deutung des Attwengerschen Begriffs von Dialekt und Sound. Manche Fans werfen jetzt endgültig das Handtuch, aber neue kommen dazu. Das Duo tourt extensiv, um dann wieder für ein Jahr völlig von der Bildfläche zu verschwinden. 2001 veröffentlichte Markus Binder überraschend die Solo-CD »Photos«. Gerüchte, dass es nun Attwenger wirklich nicht mehr gäbe, werden im Sommer durch Konzerte widerlegt. Beim Flex-Geburtstagsfest und zwischen den »UFO-Garagen« (Binder) im neuen Museumsquartier hört das Publikum unter anderem schon das neue Stück »kaklakariada«, aber auf eine neue CD deutet noch nichts hin. Und jetzt, fünf Jahre nach »Song«, doch wieder eine. Was sie drauf hat, und was es dazu zusagen gibt, darüber haben wir uns an einem Montag Nachmittag im Kaffeehaus unterhalten.
Für die Fans von früher gibt es Nummern nach bewährtem Attwenger-Muster, wie eben »sun«, »kaklakariada«, oder »muamen«, mit Hans-Peter Falkner als Quetschn-Hendrix, 60er-Jahre-Schlagzeug und Beatbox-Loops. So, wie man es von »Song« kennt, aber wieder mit mehr Slang-Poetry à la »Luft«. Da sich Attwenger immer weiter entwickeln, sich aber trotzdem treu bleiben, können sie sich mittlerweile selbst zitieren und ältere Stücke in einen neuen Zusammenhang bringen. Und das tun sie ausgiebig. Einerseits. Andererseits wären Attwenger nicht sie selbst, wenn sie nicht immer wieder neue Horizonte auftun, neue Klänge erschließen würden. Avancierte Electronica-Sounds zum Beispiel: Wer unvorbereitet Track # 2 (»flug«) vorgespielt bekommt, tippt anfangs wohl eher auf die Chemical Brothers als auf das Duo aus Linz. Und »kalender« lässt sich hervorragend am Dancefloor einsetzen, ohne mit dem Pitchfader tricksen zu müssen.
Völlig neu und äußerst interessant sind die Zeugnisse hervorragend funktionierender Kooperationen. Auf »huad« und »sie dan« hört man eine elfköpfige Blaskapelle aus Serbien, die an die rumänische Roma-Band Fanfare Ciocarlia erinnert. Auf »rehn2« steuert die Münchner Band Couch Gitarren-Pop und Engelsgesang bei. Und mit dem alten Meister der Gitarren-Improvisation Fred Frith entstand »mei bua«, das mir einen jener raren Momente beschert hat, wo von der ersten Sekunde an klar ist: Bei diese Nummer stimmt alles.
Die Stücke mit der Roma-Kapelle Boban Marcovic Orkestar entsprangen einem gemeinsamen Auftritt beim Linzer Stadtfest 2001.
Falkner: »Das hat uns natürlich getaugt, mit denen zu spielen.«
Binder: »Die Idee kam von den Veranstaltern, könnte aber auch von uns sein.«
Der Auftritt wurde, genauso wie der mit Fred Frith im Rahmen des Donaufestivals, »auf Verdacht« mitgeschnitten. Die neue CD war schon in Arbeit, eine Verwertung der Live-Auftritte angedacht. Zwischen den beiden Konzerten lagen kaum zwei Wochen, und doch sind die Tracks sehr verschieden. Während auf »huad« mit blechernen Bläsersounds die Post abgeht, groovt »mei bua« easy um ein smoothes Gitarrenriff. Markus Binder kannte Fred Frith noch aus seiner Zeit als Veranstalter der Linzer Stadtwerkstatt und war sofort begeistert von der Idee, mit ihm zu spielen.
Falkner: »Wir haben dann kaum geprobt, aber die Hookline von ihm war sofort da, und dann ist es eh gelaufen.«
Binder: »Es hat sich so ergeben, dass während der Arbeit an der CD zwei Einladungen gekommen sind, mit Gästen zu spielen, die wir sehr schätzen. Und wenn du gerade an einer CD arbeitest, ist es naheliegend, das einzuarbeiten, zu verwenden. Es prägt die CD schon sehr stark, was mir aber nicht unrecht ist, da es ja einer eigenen Absicht entspricht.«
Aus dieser Absicht erklärt sich auch der beschwingte Beitrag der Münchner Instrumental-Pop-Band Couch.
Binder: »[Couch-Gitarrist] Jürgen Söder hat mir ihre neue CD vorgespielt gehabt, die wie meine Solo-CD auf Disko B erschienen ist. Und jetzt hatte ich für die Nummer »rehn« zu viel Text, also hab ich »rehn1« und »rehn2« gemacht. Und da ist mir aufgefallen, dass der Groove von Couch genau der ist, der zu »rehn2« passt. Also haben wir’s probiert, und es hat gepasst.«
Dass sich Attwenger Mitspieler holen, das ist nicht wirklich neu. Schon das Stück es »wiad scho wieda woam wean« auf »Song« entstand mit Hilfe von Sam Auinger, war also nicht eine »reines« Attwenger-Produkt. Bei »Sun« nimmt dieser Aspekt allerdings relativ viel Raum ein, die Idee der CD als Collage, das Bedürfnis Zutaten von jenseits des hier und jetzt einzuflechten. Da dient auch schon mal die soziale Situation des auf den Anschlussflug nach Lahore warten Müssens als Quelle und Inspiration. »Islamabad airport«, Track # 5. Der dreieinhalbminütige Ausschnitt aus der halbsündigen Originalaufnahme war ursprünglich Teil einer privaten Mix-CD mit anderen Aufnahmen aus Pakistan. Seinen Weg auf »Sun« fand das Stück über die Suche nach einem Chillout-Track, der die anderen Stücke reflektieren soll.
Binder: »Wir sitzen da in Islamabad am Flughafen herum, sind schon ewig geflogen und müssen vier Stunden auf den Anschluss warten. Da höre ich plötzlich diese Stimme und denk mir: Wow, hört sich irgendwie lässig an. Es war eine extrem rela
xte Atmosphäre, auf einem westlichen Flughafen war’s noch nie so schön wie dort. Dann habe ich einfach das Aufnahmegerät für eine halbe Stunde laufen lassen. Ich hab zuerst gedacht, das ist live, bin dann dieser Frauenstimme, die so wunderschön singt, nachgegangen. Und da bin ich draufgekommen: Das kommt aus einem Fernseh-Gerät. Ich hab diese Aufnehme schon x-mal gehört, aber höre jedes Mal wieder etwas Neues. Das ist eine irre Nummer, sag ich dir. Ich glaub, wenn du das laut in einem Club spielst, bekommst du wirklich eine Flughafen-Stimmung.«
Auf »Song« ist mit wenigen Worten viel gesagt worden. Im Vergleich dazu wird man auf »Sun« wieder mit mehr Text, mehr expliziter Message konfrontiert. Hat Markus Binder wieder mehr reden wollen?
Binder: »Na ja, wollen hab ich nicht. Aber dann schon. Nein: Es war nicht beabsichtigt, wieder eine CD mit mehr Text zu machen. Mir hat damals die »Song«-Idee mit der Reduktion und den Loops sehr gut gefallen. Finde ich auch heute noch sehr gut. Vor allem live ist es lässig, wenn du so reinfallen kannst, weil du nicht an Refrain, Text usw. gebunden bist, weil das Stück nicht zeitlich definiert ist, weil du nur den Beat und ein paar Textbrocken hast. Aber nachdem ich jetzt schon lange keine Text-Geschichten mehr gemacht hatte, auch auf der Solo-LP nicht, hatte ich einfach wieder Lust dazu.«
Ist »Sun« stärker als die Vorgänger ein politisches Statement?
Binder: »Na ja, es liegt an dir, das so zu sehen. Ich kann ja dem Hörer nicht vorschreiben, ob er die Platte politisch zu verstehen hat oder nicht. Aber ich sage ohnehin, dass Attwenger ein politisches Projekt ist, und dass jedes Statement ästhetischer Natur auch ein politisches Statement ist. Etwas wie die Nummer »kaklakariada«, die konkret auf eine gesellschaftliche Frage eingeht, wo im Text selbst Meinung zu politischen Vorgängen formuliert ist, das ist nur ein Aspekt von Attwenger. Auch auf »Luft« hatten wir einen expliziten Song gegen Rechtsradikalismus, der eine um nichts weniger klare, scharfe politische Aussage war. Aber das hat ja auch etwas zu tun mit »kaklakariada«, nämlich dass man sich damit beschäftigt, woher diese reaktionären Tendenzen kommen, was deren Ursachen sind, und wie sie sich z.B. im Patriotismus äußern. Das betrifft auch die Reaktionen auf die Ereignisse des 11. September, wo es nicht darauf hinauslief, einen Diskurs zu eröffnen, sondern mit Hyper-Patriotismus zu antworten. Alle diese Fragen sind hier angesprochen, zum Teil auch ironisch formuliert. Da geht’s auch gegen den Hausverstand in dem Sinn, dass man nicht einfach die Welt so sehen kann, wie man sie in seinem kleinen Kastl sehen will.«
Attwenger-Platten scheinen immer eigenständige Variationen dessen zu sein, was sich in der österreichischen Musikszene allgemein gerade tut. Als »Most« und »Pflug« herauskamen, hatten wir gerade Nirvana-Wahn und Punk-Revival. Als »Luft« entstanden ist, war mit DSL, Texta und anderen gerade HipHop ein großes Thema. Mit »Song« war gerade der Hype um Kruder & Dorfmeister am Höhepunkt. Jetzt bei »Sun« ist Indie-Rock wieder im Kommen, und Gruppen wie Fanfare Ciocarlia sind erfolgreich. Aber auch HipHop und andere Electronica haben ihren Stellenwert weitgehend behalten, existieren weitgehend nebeneinander.
Binder: »Ich finde schon, dass Attwenger ein Projekt ist, das aktuelle Tendenzen reflektiert, aufgreift, bearbeitet. Aber der Eigeninput bleibt, und du siehst es bei uns über ein, zwei Spiegel reflektiert.«
Falkner: »Andererseits ist auch die Frage, wer wen beeinflusst. Das geht immer in zwei Richtungen. Wir haben ja auch anderen, wie z.B. Texta, den Weg geebnet, in dem Sinne, dass wir ein gewisses Selbstverständnis etabliert haben bestimmte Sachen zu tun, wie z.B. im Dialekt zu singen.«
Das Widerspiegeln der jeweiligen Tendenzen hat klarerweise auch damit zu tun, dass man sich als Musiker die technologische Entwicklung zunutze macht, was naturgemäß den Sound beeinflusst, was wiederum das Musikmachen beeinflusst.
Falkner: »Wir modifizieren ja unser Instrumentarium ständig. Dadurch kommen aber auch andere musikalische Ideen.«
Binder: »So eine CD ist ja nur ein Ergebnis. Die Entwicklung muss sich im Bewusstsein abspielen. Du nimmst einfach wahr, was in deiner Umgebung passiert, welche Musik es gibt, wie sie gemacht wird und welche Rolle sie spielt. Ich habe festgestellt, dass die entsprechende Umsetzung kein geordneter Prozess ist. Du kannst nicht verschiedene Ingredienzien zusammenwerfen und das ganze aufschütteln. Es funktioniert viel diffuser. Ich weiß selbst nicht, wie es wirklich funktioniert. Wenn ich beginne, Musik zu machen, dann kommt dabei etwas sehr von unserer eigenen Art geprägtes heraus. Auch wenn wir von der Umgebung beeinflusst sind, sind wir doch sehr weit weg von allen anderen Dingen.«
Falkner: »Es ist schon viel Neues dazugekommen. Aber wir haben deswegen nicht das Alte verlernt, wie du z.B. bei der Nummer »sun« hören kannst. Etwas das vor zehn Jahren noch ein ganzes Album gefüllt hat, taucht eben jetzt in kurzen Abschnitten auf.«
Die Zeitabstände zwischen den Veröffentlichungen werden immer länger. Wird es durch die technische Entwicklung auch immer komplizierter und mühsamer, das Attwenger-Konzept umzusetzen?
Binder: »Nein, das stimmt nicht wirklich. Wir könnten weiterhin jedes Jahr eine Platte machen, wobei dann natürlich die Entwicklungssprünge von einer zur anderen nicht so groß wären. Aber es spielt auch eine Rolle, was du sonst noch machst. Ich will ja nicht der Attwenger-Knecht sein, der dieses Attwenger-Tier immer füttern muss, sondern es muss aus einer Lust und einem Bedürfnis heraus passieren.«
Falkner: »Und wir haben mit Trikont keinen Vertrag, der vorschreibt, wie viele Platten wir machen müssen. Wenn es interessant ist, wenn wir wieder etwas zu sagen haben, dann machen wir es. Wenn die Frucht reif ist, dann pflücken wir sie.«
Die Rahmenbedingungen des Musikmachens scheinen auch bei Attwenger immer aufwendiger zu werden. Während »Most« und »Pflug« noch fast wie Live-Einspielungen klangen, wirken mittlerweile die Live-Konzerte beinahe wie Studio-Situationen.
Binder: »Ja, da müssen wir aufpassen, dass das nicht überhand nimmt. Denn im Grunde geht es ja noch immer darum, auf der Bühne eine möglichst unkontrollierte Situation zu haben, und nicht fünf Parameter beobachten zu müssen. Die Lust muss live bemerkbar, spürbar sein.«
Falkner: »Es gibt ja auch Musiker, die auf wichtig machen und auf ihren Knöpfen ein wenig herumdrehen, ohne dass sich dadurch im Sound wirklich etwas ändert. Bei denen geht mir zum Teil die Lust ab, das Knistern.«
Binder: »So wie wir es machen, zum Loop von der Minidisk zu spielen, das geht noch, das sind wir inzwischen gewöhnt. Ich hoffe auch, dass »Sun« angenehmer zu hören ist, als es die ersten Attwenger-Platten waren. Die sind für mich mittlerweile etwas anstrengend.«
Bei Live-Konzerten werden die frühen Kracher wie »hehu« nach wie vor vom Publikum gefordert. Wenn sie dann gespielt werden, wechselt sofort die Stimmung, werden Fans aktiv, die durch die Stücke von »Song« eher gelangweilt schienen. Wie bekommt man diesen Interessenskonflikt zwischen den »alten Punks« (Binder) und den Groove-Fans in den Griff?
Falkner: »Als »Song« herausgekommen ist, haben wir es oft bewusst unterlassen, Stücke wie »hehu« oder »h.e.zaum« zu spielen, auch wenn sie vom Publikum gefordert wurden. Mittlerweile darf das ruhig wieder passieren, und das ist für uns angenehm, eine Erleichterung.«
War »Song«, oder noch stärker das Soloprojekt »Photos«, eine elektronische Phase, wo man sich die Rahmenbedingungen stark vorgibt? Eine Phase, die jetzt überwunden ist?
Binder: »Na ja, ich sehe das als Komplementär-
Geschichte, nicht als gleichwertig. Bei »Song« kam eben der Drumcomputer ins Spiel, und es war bald klar, dass mir das eigentlich zu wenig ist. Dann habe ich eben Studiokram gekauft und die Soloplatte gemacht. Aber das sehe ich nicht als eine Linie. Bei »Photos« sind Dinge passiert, die ich sicher nicht mehr als Attwenger definieren könnte, die jenseits dessen sind. Das hat sich aber auf Attwenger insofern ausgewirkt, als wir für »Sun« die Loops und Sounds bauen konnten, die wir wirklich hören wollten, und nicht auf den Drumcomputer beschränkt waren. Im Grunde geht’s darum, die Möglichkeiten in eine Richtung zu erweitern, die den eigenen Vorstellungen nahe kommt. Zum Beispiel bei »kaklakariada« hast du einen 60er-Jahre-Beat, aber es läuft trotzdem ein Loop, der das auf eine andere Ebene hebt, ein wenig ironisiert. Das sind schon Dinge, auf die ich hinaus wollte: einen doppelten Boden einziehen und vom Sound selbst gestalten.«
Wie wird die Umsetzung von »Sun« live auf der Bühne aussehen?
Binder: »Das müssen wir uns erst überlegen. Es ist z.B. die Frage, wie man »kalender« live hinbekommt, was ja eh ziemlich easy wäre, eigentlich. Du kannst das ja auch in andere Stücke einbauen. Wichtig ist, dass die Geschichte einen Flow hat. Ich will »kaklakariada« oder »sun« oder »rehn« nicht so spielen wie es auf der Platte ist. Das wäre mein Wunsch.«
Falkner: »Mir hat ja bei »Song« das live spielen extrem getaugt. Dass es ein bis zwei Stunden groovt, dass es nicht so ein Nummern herunterspielen ist. Aber ich denke wir sind inzwischen erfahren genug, dass wir Stücke, die auf der CD wie kurze Songs sind, live ganz anders bringen, in einem Flow-Konzept.«
Das Cover von »Sun« gibt einige Rätsel auf.
Binder: »Sehr gut. Endlich, hab ich’s geschafft. Das wollte ich immer schon. Man muss es immer im Zusammenhang mit der Musik sehen. Das Cover für sich kann alles mögliche sein. Aber wenn du die CD hörst, musst du das Cover anschauen, und umgekehrt. Es war klar, wenn die CD »Sun« heißt, dass man die Sonne als solche nicht zeigen darf. Weil die Sonne ist bei dieser CD etwas, das spürbar und wirksam aber nicht sichtbar ist. Das ist ja auch das Thema der CD. Und die Geschichten sind Versionen von Geschichten. Und die Frage ist, ob das die Geschichten selber sind. Dieses Thema spiegelt sich auch in der am Cover abgebildeten Figur wider. Es sollte so wie bei den anderen Attwenger-Covers etwas Strukturelles sein. So ist es eben jetzt eine feinmaschige Struktur, bei »Luft« und »Song« war es noch etwas plakativer. Aber Attwenger wird ja auch insgesamt etwas feinmaschiger.«