Hans Oberlechner, dem künstlerischen Leiter des Artacts Festivals, ist die Publikumssituation absolut bewusst. »Wir haben uns eine Art Kernpublikum arbeitet«, meint er. Die Obfrau des Artacts-Vereins, Karin Girkinger, pflichtet ihm bei und merkt an, dass man es zu einem großen Teil mit »Szenekennern« zu tun habe. Diese reisen wie man weiß von Impro-Festival zu Impro-Festival, sind sowohl in St. Johann als auch beispielsweise beim Ulrichsberger Kaleidophon oder beim Festival Unlimited in Wels vertreten. Artacts ist das kleinste Festival in dieser Reihe. Gerade das macht aber den Reiz aus.
Vor allem die überschaubare Größe der Hauptspielstätte, der sogenannten Alten Gerberei, führe nämlich laut Oberlechner zu einer ganz besonderen »Nähe und Intimität«. Damit meint er definitiv nicht nur die Nähe zu den Musiker*innen im Konzertraum, sondern auch die Nähe der Besucher*innen untereinander. Man kommt an der Bar ins Gespräch, das Wirtshaus gleich neben dem Konzertort ist zugleich Plattenshop und Begegnungsort. Szenegrößen wie Ken Vandermark sitzen dort schon einmal am gleichen Tisch mit den Festival-Besucher*innen. Dass das Bier der nahegelegenen Brauerei Huber Bräu hervorragend schmeckt, befeuert die vertraute und fast schon familiäre Atmosphäre außerdem.
Mehr als Musik
Man geht also nicht zu weit, wenn man sagt, dass es bei diesem Festival um mehr als Musik geht. Und dennoch ist es nicht nur ein Szenewiedersehen mit Musikuntermalung. Die Wahrheit befindet sich wie so oft irgendwo dazwischen.
Die Kennerschaft des Publikums verpflichtet die Programmgestalter jedenfalls. Der Festivaldauergast Conny Bauer, Posaunist und schon in der damaligen DDR eine fixe Größe im Free-Jazz-Bereich, eröffnet und beschließt das Festival. Am Freitag ist er mit einem Solo-Set am Start, am Sonntag im Trio-Setting. Auch die Trompeterin Liz Allbee oder die Bassistin und Soundbastlerin Billy Roisz kennt man in besagter Szene schon seit Jahren. Besagte Musikerinnen werden am Samstag mit dem Projekt The Elks auf der Bühne stehen. Ein Highlight verspricht auch das Trio mit dem Pianisten Villy Paraskevopoulos, Uli Winter und Fred Pröll zu werden, das am Freitag aufgeigt. »Sehr kräftige, impulsive Musik«, verspricht Oberlechner bei letzterem Act.
Free Jazz mag die Haltung zu Material und Spontanität geprägt haben, ist aber nicht die vorherrschende Spielart. Das Quartett BIC mit dem Rhythmusgespann Ingebrigt Håker Flaten und Mads Forsby klingt überraschend rockig. Nicht nur das Alt-Sax von Mette Rasmussen darf dabei dröhnen, sondern auch die Gitarre von Julien Desprez lauthals röhren. Selbst für Klänge, die sogar im Free-Jazz- und Impro-Kontext abenteuerlich anmuten, ist gesorgt. Etwa bei White Sands am Sonntag, wo ein Dudelsack, bedient von Erwan Keravec, zu vernehmen ist. In Kombination mit Gitarre und Schlagzeug darf man sich auf einen wilden Ritt gefasst machen. »Der Dudelsack ist das einzige Instrument, das die E-Gitarre erschrecken kann«, zitiert Hans Oberlechner in diesem Zusammenhang Van Morrison. »Darauf lassen wir es gerne ankommen«, witzelt er.
Impro für Einsteiger
Für Menschen, die noch in den illustren Kreis der Impro-Kenner aufsteigen möchten, gibt es auch in diesem Jahr verschiedenste Zugangsmöglichkeiten. Die originellste darunter ist womöglich das Programmelement »Lauschen & Plauschen«, in dem Matthias Bauer am Kontrabass zu hören sein wird. In diesem Rahmen gibt es ein Kurzkonzert von etwa 30 Minuten, bei dem Mütter und Väter mit ihren null- bis dreijährigen Kindern lauschen können. Danach gibt es, möglicherweise auch zur Verdauung des Erlebten, Kuchen und Kaffee.
Weitere Einstiege in die fabelhafte Welt der improvisierten Musik werden in den »Sound Cabs« angeboten. Am St. Johanner Hauptplatz aufgestellt, kann man dort in den Soundkabinen Kürzestkonzerte im kleinen Rahmen rezipieren. Musiker*innen spielen dort für ein Publikum von zwei bis drei Menschen. »Da kommt auch hin und wieder die lokale Blasmusik vorbei und schaut, was auf Blasinstrumenten so alles möglich ist«, versichert Karin Girkinger. Letzte Eintrittskarte in die für viele noch unbekannte Welt dieser Musikart ist auch noch der Workshop für Kinder von 6 bis 12 Jahren, in dem ein Ministück erarbeitet wird, das am Festivalsonntag zur Aufführung gelangt.
Fazit
Wer offene Ohren hat, die Szene kennenlernen möchte und die relevanten Musiker*innen in diesem Bereich zeitlich komprimiert kennenlernen möchte, der sollte sich das Artacts gönnen. Und die Szenekenner sind sowieso vor Ort.
Link: http://www.artacts.at/