Seit ihrem Debütalbum »Wishbone« (1999) gilt Eleni Mandell als Singer-Songwriter-Juwel und Geheimtipp der Independent-Musikwelt Nordamerikas. Nicht unähnlich Tom Waits, dessen Kumpane Chuck E Weiss anfangs ihr Mentor war, könnten Mandells Songs gut aus einer Pre-RockÄra stammen. Mitte Juli veröffentlicht sie mit »I Can See The Future« ihr bereits achtes Album und zugleich das erste auf einem regulären Label, nämlich Yep Roc. Als Produzent zeichnet Joe Chiccarelli, der bereits mit The Shins, The Strokes sowie White Stripes gearbeitet hat, verantwortlich. Mandell wählte wieder viele ihrer langjährigen Mitmusiker aus, Chiccarelli brachte Schlagzeuger Joey Waronker und Keyboarder Zac Rae mit, und Nate Walcott arrangierte die String- und Horn-Arrangements. Beim Background entschied sich Eleni Mandell für die Sängerinnen ihres Sideprojects The Living Sisters. Mit diesem Female-Folk- Pop-Acts stehen Auftritte als Support von Brian Wilson, Dave Alvin, Exene Cervenka sowie Steve Earl an. Solo wird die Singer-Songwriterin voraussichtlich Anfang 2013 nach Europa kommen. In unserer Metropole sollte sie jedenfalls wieder zu sehen sein. Also eine gute Gelegenheit, die hippe Musikerin aus L. A. über ihren exotischen Folk-Pop und ihre Independent-Karriere online zu befragen.
skug: Du bist eine der ultimativen amerikanischen Independent Music-Sängerinnen. Wenn du zurückblickst, inwiefern stimmte deine Vorstellung vom Indie-MusikerInnenleben mit der Realität überein?
Eleni Mandell: Als ich mit dem Musikmachen begann, dachte ich zunächst, ich würde wenigstens so viel Erfolg haben wie einige meiner Helden, insbesondere die, die fernab des Mainstreams arbeiteten. Bald kamen aber die ersten Enttäuschungen und Ablehnungen, und so begann ich, meine Vorstellungen vom Erfolg zu relativieren. Heute überrascht es mich, dass ich trotz all der Schwierigkeiten durchgehalten habe. Songs zu schreiben und sie Leuten vorspielen zu können ist etwas ganz Besonderes. In manchen Punkten ist meine Karriere total anders verlaufen, als ich sie mir vorgestellt habe, aber andererseits passt sie ganz gut zu mir. Natürlich erhoffe ich mir etwas mehr Erfolg und finanzielle Sicherheit, insbesondere nun, da ich Kinder habe. Aber ich bin sehr dankbar für das, was ich erreicht habe.
Was bedeutet Independent Music heute für dich?
Einerseits bedeutet ??independent?? lediglich, dass man nicht eine Menge Geld gemacht hat. Andererseits heißt es für mich, dass ich mir und meiner künstlerischen Vision treu bleiben kann. Yep Roc ist ein ??unabhängiges?? Label, und ich glaube, dass sie meine Musik wirklich verstehen. Ich arbeite gerne mit ihnen zusammen.
Bei deiner Biografie denkt man nicht unbedingt an Filmmusik oder an Musik für das bekannte »Bikini Car Wash«-Video von Paris Hilton (siehe YouTube). Wie kam das zustande?
Hin und wieder bekomme ich Aufträge für Werbespots oder Filmmusik, worüber ich sehr froh bin, denn das wird immer gut bezahlt. Außerdem sehe ich das als Herausforderung, Musik zu machen, die nicht genau meiner Ästhetik entspricht. Ich habe nie eine Philosophie aus der Independent- Musik gemacht, ich wurde aber auch keine Buchhalterin, als mich die Major-Labels ablehnten.
Und wie hat sich deine Einstellung gegenüber dem Musikmachen in all den Jahren verändert?
Ich möchte heute lieber mit angenehmen Typen meine Zeit mit Musikmachen verbringen als mit den tollsten Musikern. So habe ich nicht immer gedacht. Aber mit Menschen, die ich respektiere und schätze, Musik zu machen, ist eine der schönsten Erlebnisse, die ich je hatte. Es ist eine unglaublich verbindende Erfahrung, wenn alle zusammen in der gleichen Welt eines Songs sind. Das ist wie Verliebtsein oder großartiger Sex oder total liebes Küssen. Wie alle deine Alben enthält auch »I Can See The Future« sehr sorgfältiges Songwriting. Musikalisch weist es nicht in Richtung Zukunft, sondern ist insgesamt sehr traditionell gehalten. Würdest du sagen, es ist ??retro??? Ich glaube nicht, dass es ??retro?? ist! Außer wenn die Verwendung von Schlagzeug, Bass, Gitarre und Klavier automatisch schon ??retro?? ist. Aber eine Menge Leute verwenden diese Instrumente immer noch. Ich mag, wie es sich anhört. Ich will gute, zeitlose Songs schreiben. Ich versuche nicht, auf eine bestimmte Weise zu schreiben, sondern schreibe, was ich fühle, und ich mache Musik, die ich hören will. Mir ist am wichtigsten, dass etwas gut ist: handwerklich gut gemacht, ehrlich, aufrichtig, verletzlich. Mir würde es nicht gefallen, etwas hinzuknallen, nur damit es anders klingt, neu oder seltsam. Ich schreibe Songs. Ich erzähle kleine Geschichten.
Das neue Album klingt wie aus einem Guss und zeitlos. Grundsätzlich enthält es weniger jazzige Motive als z. B. »Afternoon« (2004) und auch weniger Indie-, dafür einige Country-Anklänge.
Die hörst du wohl der Pedal Steel wegen, die lediglich auf einigen Songs drauf ist. Ich wüsste nicht, wo du sonst Country hören könntest.
Zum Beispiel auf »Never Have to Fall in Love Again«, dem eingängigsten Stück des Albums. Insgesamt gibt es freilich mehr Folk- als Country-Motive, und die allgemeine Stimmung deines Albums ist ja sowieso eine Art exotischer Lounge-Folk-Pop. »Magic Summertime« vermittelt dem Hörer eine Cabrio-Fahrt in der warmen Nachmittagssonne in L. A.
Wir drehten soeben ein Video zu »Magic Summertime «. Es ist wahrscheinlich mein Lieblingssong auf dem Album.
Doch es schwingt auch sehr viel Wehmut in dem Album mit.
Insgesamt gesehen ist »I Can See The Future« ein sehr hoffnungsvolles Album. Aber es entspringt tiefer Trauer und Verzweiflung. Ich würde die Grundstimmung als ??bittersüß?? bezeichnen. Es ist schwer, sich von einem Partner zu verabschieden, aber es ist wunderbar, auf die guten Zeiten zurückblicken zu können. Und es ist schwer, single und schwanger zu sein, aber es ist auch unglaublich. Das Leben kann hart sein, aber ich sehe die Sonne hinter den Wolken. Ich bin ein bisschen eine Romantikerin und liebe es zu träumen. Ich gehe immer davon aus, dass die Dinge in Ordnung kommen werden, ich weiß nur nicht, wann. Im Moment erlebe ich die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich fühle mich sehr zufrieden und voller Freude und Hoffnung. Das liegt an meinen Kindern. Ich liebe es einfach, Mutter zu sein. Ich liebe es, meine eineinhalbjährigen Zwillinge Rex und Della wachsen und lernen, lachen und lieben zu sehen, es ist unglaublich. Ich gehe davon aus, einen wunderbaren Mann zu treffen, mit dem ich mein Leben verbringen werde, aber ich weiß nicht, wann das sein wird.
Wie geht’s dir im Moment mit deinen Kindern?
Mein Leben ist jetzt ganz anders. Sie haben meine Sicht der Welt ganz schön verändert. Ich bin oft müde, und meine freie Zeit ist kostbar für mich. Aber ich erlebe so viel Freude jeden Tag, dass ich sehr wenig Geduld für irgendeinen Blödsinn habe.
In deinen Texten finden sich zwei wiederkehrende Figuren: der Vamp, der mit harten, coolen Typen unbändigen Spaß haben will – wie z. B. in deinem legendären »Pauline« auf dem orientalischen Teppich -, und die Romantikerin, die sich nach einer lebenslangen Beziehung sehnt. Inwieweit entspringen diese Stereotypen Poesie-Klassen, inwieweit sind sie Fiktion oder persönliche Erfahrung?
Ich bin keine Expertin für Beziehungen. Ob man ein Rock’n?Roll-Leben führen und eine erfüllte Partnerschaft haben kann, vermag ich nicht zu sagen. Ich kenne einige Leute, die Musik machen und deren Beziehungen glücklich zu sein scheinen. Vielleicht ist es doch ein Klischee, dass der Künstler unglücklich sein muss, um kreativ sein zu können. Für mich ist es so, dass ich mehr schreibe, wenn ich alleine bin, und wenn ich in einer Beziehung bin, bin ich nicht so viel alleine. Auch jetzt, wo ich die ganze Zeit mit meinen Kindern bin, nehme ich mir nicht die Zeit zum Schreiben. Gleichzeitig spüre ich, dass neue Songs im Entstehen sind. Also, ja, man ist vielschichtig: vampy und süß, frech und höflich; ich schreibe über die verschiedenen Versionen von mir und meinen Erfahrungen. Und wie Charles Bukowski schon sagte: »Don’t try«, versuche nicht es zu erzwingen.
Eleni Mandell: »I Can See The Future«
(Yep Roc/Make My Day Records/Al!ve)
Eleni Mandell tourt vom 17. bis 28. Januar 2013 durch Deutschland, Üsterreich und die Schweiz.