Ich bin froh, die Band Low nicht nur einmal, sondern zweimal im Wiener WUK live gesehen zu haben. Einmal im Juli 2019 mit Laminat Kobermann und einmal im Mai 2022 mit Divide and Dissolve. Es sollte eines der letzten Konzerte sein. Am 5. November desselben Jahres erlag Mimi Parker im Alter von 55 Jahren ihrer Krebserkrankung und die Band löste sich auf. Mimi Parker (Schlagzeug) und Alan Sparhawk (Gitarre) waren nicht nur Bandkolleg*innen, sondern auch privat ein Paar, 32 Jahre lang verheiratet und hatten zwei Kinder. Auf der Bühne harmonierten die beiden, ergänzt um wechselnde Bassisten (John Nichols, Zak Sally, Matt Livingston, Steve Garrington), ebenso wie im Privatleben. Der meist zweistimmige, meditative bis hypnotische Gesang war eines der Markenzeichen der Band. Auf den letzten beiden Alben »Double Negative« (2018) und »Hey What« (2021) experimentierte das Duo außerdem mit neuen, elektronischen bis hin zu industriellen Klängen. Mit seinem Solodebüt »White Roses, My God« setzt Alan Sparhawk diesen Weg nun konsequent fort. Die gewohnt einfachen, aber eingängigen Melodien sind immer noch da, auf instrumentaler Ebene aber mehr denn je begleitet von elektronischen Gadgets, und Sparhawks Stimme ist über das ganze Album hinweg elektronisch verzerrt und hochgepitcht, als wolle er Parkers Sopran mit seinem eigenen Tenor verschmelzen. Die Songs variieren zwischen upbeat Electronics (»I Made This Beat«) und gefühlvollen Balladen (»Heaven«), kraftwerky Synthpop (»Feel Something«) und avantgardistischen Trap-Parts (»Can U Hear«), die an Kim Gordons aktuelle Soloarbeit erinnern. Sie bleiben aber trotz ihrer stilistischen Bandbreite zugänglich und einprägsam – auch wenn man nicht umhinkommt, sich vorzustellen, wie sie geklungen hätten, wenn Mimi Parker darauf weiterhin ihren Part gespielt hätte. »White Roses, My God« ist vertonte Trauerarbeit, für Alan Sparhawk selbst, aber auch für uns als Zuhörer*innen: schmerzhaft, aber befreiend; nostalgisch, aber hoffnungsvoll für die musikalische Zukunft einer Band, deren Verlust uns noch immer nachhängt.
Alan Sparhawk
»White Roses, My God«
Sub Pop Records
Text
Mio Michaela Obernosterer
Veröffentlichung
04.10.2024
Schlagwörter
Alan Sparhawk
Low
Sub Pop Records
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