Scheiß auf die Symphoniker, Aiko Aiko crashen den Musikverein. Ohne Anzug oder Abendkleid, dafür mit einem Lauermann – und einer Platte, die keine war, sondern im letzten Jahr als Kassette spulte. Trotzdem zogen Nada Aiko und Pascal Holper mit »Radical Nopinion« (Whale Records) alle Register an der Heimorgel. Allein der Song »Al Lat« öffnet die Schleusen zum Tal der Ecstasy-Tränen. »Hymne des Jahres« habe irgendjemand mit zusammengepressten Lippen gesagt. Recht so. Das Tape wirkt wie ein Streifen von Björks Ex, bei dem man nach sechs Stunden Kinosessel noch immer nicht weiß, ob man im White Cube oder Technokeller gelandet ist. Soll heißen: Fortgeschrittenes Beckenbodentraining für Menschen, die zwischen Beislgrind und Richter-Klasse balancieren, FM4 nur heimlich hören und Eigentum in Quadratmetern messen.
Gemessen wird bei Aiko Aiko allein der Blutdruck. Nicht dass einem im Moment der Melancholie das Herzerl in die Hose bumpert. Aiko und Holper machen seit über zehn Jahren gemeinsam Musik, da schleichen sich Routinen ein. Man spielte Support für Dirty Beaches und am »Nations of Gondwana«-Festival, rettete das Sub in Graz und sagte so schöne Dinge wie: »Kunst ist für mich das Umsetzen einer Utopie und Utopie ist Hoffnung.« Ja, man ist versucht, den goldenen Kugelschreiber zu zücken, um neben derlei Sätze ein stimmungsvolles Rufzeichen zu kritzeln. Allerdings erwischt man sich dabei, wie man zum dritten Mal den Refrain von Aiko Aikos Zaubertrank mitgurgelt. Wer den Chemiebaukasten nur von der Clubtoilette kennt, zu oft am Bunsenbrenner geschnüffelt hat oder das Periodensystem mit Tetris verwechselt, bekommt deshalb mit dem neuen Video unter der Regie des Grazer Medienkünstler Peter Hutter einen Crashkurs – in angewandter Kernölpantscherei.