Ich werde Ihnen an dieser Stelle sämtliche Wortwitze, die der Familienname »Fuss« nahelegen würde, ersparen, außer einen, nämlich den Bandnamen: Affäre Dreyfuss. Weniger auf die gleichnamige antisemitische Affäre im Frankreich des späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts anspielend, als ganz einfach auf die Tatsache, dass sich der profilierte Wiener Saxofonist Martin Fuss mit seinen Söhnen Dominik (Trompete) und Florian (Saxophon) seit 2015 gemeinsam auf der Bühne und nun endlich auch im Studio eingefunden hat. Ganz grundsätzlich tendieren »Family Affairs« in der Musikgeschichte dazu, eher zu unbefriedigenden oder allzu kitschigen Werken zu werden, da kommerzorientierte Gefühlsduseleien im Vordergrund stehen oder aber auch manche Familienmitglieder musikalisch einfach nicht zueinanderpassen. So schon oft passiert, nicht aber auf »In good company«. Sie alle hätten sehr unterschiedliche Musikgeschmäcker, auf Hard-Bop könne man sich jedoch immer einigen, lässt Martin Fuss am 27. Juni 2018 beim zweiten Abend der zweiteiligen Release-Konzertreihe dieser CD im Wiener Jazzland verlautbaren.
Und genau das gibt es auf »In good company« zu hören, ausgeführt in ehrwürdig-nostalgischer Perfektion. Das Bläsertrio wird begleitet vom durch und durch routinierten Wiener Rhythmus-Gespann Mario Gonzi am Schlagzeug und Johannes Strasser am Bass sowie dem der Söhne-Generation angehörigen Max Tschida am Klavier. Eigenkompositionen von Martin sowie Dominik Fuss dominieren die Platte, aber auch einige von Letzterem arrangierte Standards sind hier zu finden. Es sind aber besonders die den Vorbildern gewidmeten Eigenkompositionen, die auf »In good company« herausstechen. Zum einen ist das »Señor Silver«, ein Tribut von Dominik Fuss an den großen Horace Silver, das sich musikalisch an das Silver-Stück »Señor Blues« anlehnt, zum anderen »One for ST«, Martin Fuss’ Hommage an den Souljazz-Saxofonisten Stanley Turrentine. Beide Stücke sind beispielhaft für die coolen Arrangements und Kompositionen auf dieser CD.
In eines ebendieser coolen Arrangements von Trompeter Dominik Fuss eingebettet erstrahlt die ursprünglich einem Filmsoundtrack entstammende und schon etwas angestaubte Komposition »A Portrait of Jennie« in neuem Glanz, dank der schönen Idee, das Thema sowie die Begleitstimmen in den Wiederholungen jeweils einem anderen Fuss-Familienmitglied zuzuteilen; man glaubt die Tatsache, dass es sich beim Bläsersatz um eine Familie handelt, an dieser Stelle noch etwas mehr herauszuhören. Obwohl der Fokus stark auf den »drei Füssen« liegt, wird aus der Rhythmusgruppe vor allem dem jungen Pianisten Max Tschida viel Raum zur Entfaltung geboten, den er stets dankend annimmt und auch aufregend zu bespielen weiß. Vereinzelte Soloeinlagen von Johannes Strasser und Mario Gonzi stellen das Sahnehäubchen auf diesem exzellenten Hard-Bop-Date dar und runden den ansonsten dominierenden Bläsersatz ab.
»In good company« versucht nicht, den Hard-Bop der 1960er-Jahre ins Jahr 2018 zu holen, sondern verneigt sich bewusst und gekonnt retrospektiv vor den alten Helden des Genres. Die gemeinsame Liebe für dieses Genre verbindet alle Mitglieder des Sextetts und sorgt für ein musikalisches Einverständnis, durch das diese Platte einfach fließen kann, ohne anzuecken oder verkrampft innovativ wirken zu wollen. Ein Fest für alle Fans der pointieren Bläsersätze und herrlich swingender Rhythm-Sections à la Jazz Messengers, Horace Silver oder Cannonball Adderley.