Als Uri Caine den Auftrag erhielt, zu Franz Winters Filmdokumentation über die Lebensstationen Gustav Mahlers einen Score zu schreiben, versenkte sich der Pianist Uri Caine ein Jahr lang in Mahlers Partituren. Mit großem Gespür legte Caine in »Urlicht« die jüdischen Wurzeln in Mahlers Musik bloß, beispielsweise den morbiden Trauermasch aus der »Fünften Symphonie«. Dies führte in der Jury des auf traditionelle Mahler-Interpretationen ausgerichteten Schallplattenpreises »Toblacher Komponierhäuschen« zu heftigem Disput und schließlich doch zur Verleihung eines Sonderpreises für die »neue, höchst unkonventionelle Verknüpfung von Mahlers Botschaften mit der rauhen, polyglotten, anarchischen Stilvielfalt des zeitgenössischen amerikanischen Jazz«. Also bedankte sich sich das Uri Caine Ensemble 1998 im malerischen Südtiroler Toblach, wo Mahlers letzte Werke entstanden, mit zwei Konzerten. Unter den genialen New Yorker Musikern, die auf dieser Doppel-CD Mahler zu einem jiddischen Jazzer erheben, müssen die Bläser, DJ Olive und Jim Black (dr) noch hervorgehoben werden. Und selbstverständlich die schluchzende Geige von Mark Feldman und Aaron Bensoussans (voc, Oud) Stimme, die beim Rezitieren aus den »Kindertotenliedern«, »Des Knaben Wunderhorn« und beim Schlüpfen in die Rolle eines Kantors (»Das Lied von der Erde«) um einiges mehr an Gänsehaut verursacht als die Sänger auf den Originalen. Alle dürfen sich in freien Jazzpassagen – auf »Ging heut‘ morgen übers Feld« sind die zugrundeliegenden Mahler-Kompositionen kaum verifizierbar – austoben, doch der wahre Esprit liegt in der an jiddischen Volks/Kirchenmusiktraditionen orientierten Interpretation von Mahlers an sich schon großartiger Musik.
The Uri Caine Ensemble
Gustav Mahler In Toblach
Winter & Winter
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