»Ich habe ein Werk in der Mangel, mein Hauptwerk, das aus lauter Nebensachen besteht«, schreibt Franz Schuh über sich. Der strittige, kluge, eigenbrötlerisch wirkende Kopf Schuh gibt seinen Lesern einen bemerkenswerten Wegweiser durch österreichische Eigenheiten und durch die Höhen und Tiefen eines Alltagsdaseins. Seine Beschreibungen von simplen Randfiguren zu Hauptprotagonisten in kurzweiligen Zusammentreffen in Beisln, Bahnhöfen oder Gott-wo sind eine grandiose Hilfe für das Gedächtnis, sich an eigene ähnliche Erfahrungen erinnern zu können und zu dürfen. Franz Schuh sagt über sich, er wolle niemals anecken – er sei ein friedliches Wesen und wünsche jedem Anderen das Beste. Manchmal sind solche Aussagen gefährlicher zu verstehen, als offene Drohungen. Der Autor rechnet mit jedem und allem, das oder der/die sich in der Hauptsache sieht, nebensächlich ab. Dem Meer gilt die Sehnsucht des Trinkers. Die wirkliche Möglichkeit aufzuhören, ist zu ertrinken, im Flüssigen … endlich zu verschwinden. Solche Aussagen erschüttern nicht die Strukturen der Gesellschaften, zeigen aber Schuhs Wahnsinn zur trunkenen Nüchternheit zur Analyse der Bestie Mensch. Es werden keine schweren Vorwürfe angeprangert oder gestellt, sondern es wird sachlich schmutzige Wäsche gewaschen. Die Art des Reinigens versteht Schuh so, dass jeder ein(e) Saubermann/frau auch bleibt, bei den penibelsten Aufzählungen der Schwächen und Süchte seiner Umgebungen. Abgesehen von Schreibweise und gekonnter Mixtur mehrerer Literaturgenres gilt dieses nebensächliche Hauptwerk als Meistererzählung. Böse, bissig, ehrlich und versöhnlich, nach dem Credo – jeder solle seine eigene dreckige Wäsche waschen und keine verursachen.
Franz Schuh: »Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche« Zsolnay Verlag, 416 Seiten, EUR 25,60 (A)