Ich saß also praktisch im Schlagzeug von Paul Skrepek, welches sich klanglich dementsprechend in den Vordergrund schob. Der nächste Wermutstropfen dieser 15-Jahres-Jubiläumsfeier von Kollegium Kalksburg war die Tatsache, dass die zu präsentierende CD (»Klangkombinat Kalksburg – schee is wos aundas vol. 1+2«) physisch noch nicht fertig (oder auf dem Postweg) war, was Vinzenz Wizlsperger, der Frontmann der drei »kollegialen Vorstadtschlurfe« (Eigendefinition KK) aber mit einer seiner scheinbar ziellosen, mit überzeugendem Peripheriecharme vorgetragenen Zwischenmoderationen vergessen machen konnte. Als Alternative wurde angeboten, den beim Eintritt erhaltenen Gutschein über 2 Euro bei einer CD-Präsentation »ohne Musik und das ganze störende Rundherum« im Weinhaus Sittl inklusive Einladung auf ein Getränk einzulösen. Der guten Stimmung im Saal tat das keinen Abbruch, hatte sich doch zu diesem Zeitpunkt das KlangKombinatKalksburg (KKK) schon mit einigen Stücken auf Betriebstemperatur gebracht.
Kalksjazz Stageburg
Entstanden ist diese Maxi-Version des KK im Geiste des Jazz übrigens aus dem Projekt, die neunköpfige Formation in der ersten Jahreshälfte 2010 einmal monatlich als Stageband im Wiener Porgy&Bess auftreten zu lassen (unter lustigen Namen wie Stagekalk Bandburg oder Kalksjazz Stageburg), um damit das KK »langsam an den Jazz heranzuführen«. Ergänzt wird/wurde das KK (Wizlsperger, Heinz Ditsch, Paul Skrepek) dabei von einem hochkarätigen Jazz-Sextett: Oskar Aichinger, Thomas Berghammer, Hannes Enzlberger, Christian Gonsior, Clemens Hofer und Martin Zrost. Der Versuch der Heranführung dürfte bestens gelungen zu sein, das KKK spielt sich überzeugend durch Stücke wie den von Oskar Aichinger gesungenen Wienerlied-Klassiker »I hob kan Zins no zoid«, Diverses aus der Textwerksatt von V. Wizlsperger oder das von Martin Zrost gesungene »Arrivederci Roma«. Eine abwechslungsreiche Mixtur also, grundiert von ausgefeilten Bläsersätzen und unaufdringlichem Klavierspiel, unterbrochen durch (kurze) wohltuend aggressive, kakophonische Freejazz-Ausritte.
Klassikaner im Jazzgewand
Nach der Zigarettenpause gibt Heinz Ditsch (Akkordeon, Fagott, Singende Kettensäge) im Titelstück der CD (Text: Antonio Fian) eine begeisternde Art Post-Frank-Sinatra-Performance als Crooner, Carl Douglas‘ »Kung Fu-Fighting« wird schwer angejazzt zu einem Song über die »Neue Kronen Zeitung« und ihre vielen Leser. Wirklich überraschend sind dann eine Adaption von Robert Stolzens »Komm in den Park von Sans Souci« und ein euphorisch präsentiertes »Liebe ohne Leiden« (Udo Jürgens); dazwischen trötet Christian Gonsior ein Saxophonsolo in Albert-Ayler-Tradition, das buchstäblich unter die Haut geht. Gegen Ende wird sogar noch »Chan Chan«, der größte Hit des Buena Vista Social Club, ins Wienerische verwurschtelt, mit einem wehmütigen »Igentwie« wird das Publikum in die frühe Nacht entlassen.
Leider waren die gesungenen Texte direkt neben dem Schlagzeug kaum zu verstehen, dafür aber wenigstens die immer unterhaltsamen Moderationen der Rampensau Wizlsperger, der sich und seine kuriose Frisur (Minipli, angeblich am selben Tag vom Friseur aufwändig auf den Kopf gezaubert) immer wieder gelungen ironisierte. Großer Unterhaltungswert, humorvolles, teils schwermütiges Liedgut, musikalische Brillanz: Hingehen!