Dass das Debüt von HNN (eigentlich »Hsilgne Nekorb Ni« – »In Broken English«) das fünfte offizielle Release innerhalb von vier Jahren auf La Form Lente (LFL) markiert, unterstreicht eine gewisse Gemächlichkeit. Die ergibt sich nicht nur zwangsläufig aus den beschränkten Kapazitäten eines (inzwischen) Ein-Mann-Unternehmens, sondern auch aus dem Qualitätsanspruch, der an die eigene Produktion gestellt wird. Ein kurzer ?berblick über den Backkatalog von LFL zeigt, dass die Leidenschaft für den analogen Synthesizer das tragende Prinzip hinter den vier Platten ist.
Während die 2008 erschienene Zusammenstellung »La Forme Lente 1« noch vorrangig die Sprache von Post Punk und Dark Wave spricht, kristallisiert sich mit den beiden Labelcompilations »Circuit D’Actes« und »Circuit D’Actes 2« das elektronische Manifest von LFL schärfer heraus: die Kompositionseinflüsse aus Synthpop, frühem EBM und Space Disco ergeben zusammengerührt die frankophone Melange, die den französischen Cold Wave der 80er weltweit auf die kalt-schimmernden Tanzflächen von heute transponiert. Eine Amerikanisch-Französische Freundschaft führt bei LFL zu inspirierenden und fruchtbaren Sound-Allianzen: der dunkle Disco im »Italians Do It Better«-Gewand von Ssleeping DesiresS aus San Francisco trifft auf den Industrial-affinen Maschinensound der :codes aus Brüssel, die glamourösen Franko-Kanadier Automelodi teilen sich eine Scheibe mit den Minimalisten des franko-belgischen Projekts Dolina. Sie alle eint ihre Liebe zum Vinyl, dem analogen Synthesizer und der Drum-Machine.
Space-Kraut-Klassik am Synthesizer
Neben diesen essentiellen Sammelwerken zeitgenössischer Wave-Musik zeichnet man sich auch für die Longplayer von ADN‘ Ckrystall und HNN verantwortlich. »Orgasmatron(ic)« ist das aktuelle Album des französischen Elektro-Pioniers Erick Moncollin, der bereits 1982 die Kultplatte »Jazz Mad« in die neonbeleuchtete Nacht hinauskatapultierte. Seit jeher Kraut- und Space-infiziert, nimmt sich auch »Orgasmatron(ic)« wieder wie das weltfremde, rhythmusunterlegte Klangexperiment eines extraterrestrischen Korg-Fanatikers aus. Eine liebenswert verschrobene »Zocial Opera pour machines mentales« samt fantastischer Sci-Fi-Novelle als Inlay.
Auch HNN mögen es orchestral, wobei sich »Pièce Radiophonique« um einiges weltlicher gibt. Das Spiegelprojekt-Debüt (HNN steht für »Hsilgne Nekorb Ni«, spiegelverkehrt für In Broken English) des schon lange umtriebigen Musikers und Produzenten Gregg Anthe übernimmt Einflüsse aus der instrumentalen, experimentellen und klassischen Musik und verarbeitet sie in kitschfreien und downtempo-lastigen Synthpop-Nummern. Die instrumentelle Ästhetik von Minimal Wave trifft hier auf unprätentiöses und nahbares Songwriting innerhalb des sonst so elitären »E-Musik«-Zeichensystems. »Pièce Radiophonique« ist ein ausgefeiltes Klangkunstwerk aus den Kreisen weitgehend nicht-etablierter Independent-Produktion, die sich wohl noch lange durch ungebrochenen Idealismus und hohe Qualtität auszeichnen wird. Was langsam wächst bleibt lange gut.
Various: »La Forme Lente 1« (2008, LFL 01)
ADN‘ Ckrystall: »Orgasmotron(ic)« (2009, LFL 02)
Various: »Circuit D’Actes« (2010, LFL 03)
Various: »Circuit D’Actes 2« (2011, LFL 04)
HNN: »Pièce Radiophonique« (2011, LFL 05)