Zufall oder Tendenz? Schwer zu sagen, auf jeden Fall haben wir es hier erneut mit einem kompetenten Anwendungsfall von Third Stream zu tun, jenem Crossover aus Jazz und Klassik, das es praktisch schon seit den Anfangstagen des Jazz gab, angefangen bei Duke Ellingtons »Black and Tan Fantasy« (1927) über Igor Stravinskys »Ebony Concerto« für die Woody Hermann Big Band (1945) bis hin zu den komplexesten und vielgestaltigsten Ausformungen in der Postjazzära. Voriges Jahr hat etwa Michael Mantler seinen legendären Einspielungen mit dem Jazz Composer’s Orchestra ein Update verpasst und der großartige Pianist David Helbock improvisiert auf seiner aktuellen CD »Aural Colors« munter über Arnold Schönberg. Da es in jedem Genre Puristen gibt, war natürlich auch Third Stream beizeiten umstritten, aber wen kümmern heutzutage noch Genregrenzen, zumal Third Stream ja längst ein Genre für sich geworden ist?
So gesehen lässt sich die »Symphonische Gesellschaft« des deutschen Pianisten und Komponisten Sebastian Sternal ziemlich eindeutig in die Mitte des Genres verorten, mit einem soundsatten time-jump hüpfen wir hier direkt zu Gunther Schuller, der Mitte der 1950er zu den profiliertesten Vertreten des Third Stream zählte und eine Art akademisches Stravinsky-Ellington-Crossover versuchte. Von Ellington entnahm er unter anderem den jazzigen Zugang, speziell für Interpreten zu komponieren, von Stravinsky die frische Verknüpfung zur klassischen Moderne, ohne aber ins Atonale oder Dissonante vorzupreschen. Sternal folgt in etwa diesem Muster, denn er versammelt und komponiert auf dieser CD für ein Ensemble hochkarätiger deutscher Jazzmusiker (u. a. Frederik Köster an der Trompete und dem Flügelhorn, Christoph Möckel an den Saxophonen, oder Bassist Robert Landfermann), dem er ein ebenso profiliertes Streicherquartett gegenüberstellt.
In harmonischer Hinsicht bleiben diese Begegnungen zwar über weite Strecken im vorexpression- istischen Bereich, und dass der »Spaß am Kontrapunkt« im Vordergrund stand, wie Sternal erklärt, hört man ebenfalls in Form einer leicht akademischen Färbung durch, aber im Großen und Ganzen funktioniert »Sternal Symphonic Society Vol. 2« ganz prächtig, weil die Stücke von großer Spielfreude und viele Liebe zum kompositorischen Detail getragen sind. Wer sich in der eben skizzierten »Mitte« des Genres wohl fühlt, findet hier streckenweise pure Hörfreude.
Sebastian Sternal
»Sternal Symphonic Society Vol. 2«
Traumton Records
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