Farbe 1 – Zinnoberrot
Die Bühne ist in Zinnoberrot gekleidet, als der erste Abend mit dem Lo-Fi-Trio Olimpia Splendid beginnt. Drei junge Damen aus dem finnischen Helsinki schaffen mit repetitiven Basslinien, schief-kreischenden Gitarren und einer wummernden Drum Machine einen vernebelten Kosmos, in dem alles seine Unordnung hat. Das noch etwas dünn besetzte Publikum reagiert verhalten, obzwar es ein heiterer Anblick ist, den Leuten dabei zuzusehen, wie ihr Versuch, sich zur Musik zu bewegen, kläglich scheitert.
Der Saal füllt sich und der Experimental-Künstler Roy Montgomery aus Neuseeland breitet seinen Soundteppich mit den Worten » I’m gonna sit down, so if you want you can take a seat as well« aus. Die eine Hälfte des Publikums folgt diesem Vorschlag, setzt sich in einem Halbkreis vor die Bühne und lauscht den sphärisch-hypnotisierenden Klängen seiner Gitarre. Aber die andere Hälfte … quatscht ununterbrochen! Eine leidige Unsitte, die traurigerweise fast schon fester Bestandteil bei solch Ereignissen geworden ist, aber die Hoffnung stirbt zuletzt – dum spiro spero!
Gänzlich gefüllt ist der Raum schließlich zum Auftritt der Thurston Moore Group. Doch auch hier zeigt sich das Publikum zu Beginn noch etwas schüchtern. Dies ändert sich spätestens mit den ersten Akkorden des Songs »Speak to the Wild«, vor der Bühne wird lebhaft getanzt und mitgesungen. Der Ansage » We are called Rock’n’Roll Consciousness« folgt der Track »Cusp« mit anschließender Wall of Sound, einem fünfminütigen Gitarrengewitter samt einer Bassistin, die alle Saiten ihres Instruments unaufhörlich schreddert und einem Thurston Moore, der seine Gitarre energisch bearbeitet. Spätestens hier geht allen Sonic-Youth-Fans das Herz auf. Einige Rückkopplungen und Zugaben später ist der erste Festivaltag vorbei.
Farbe 2 – Manisch-Indigo
Den Auftakt des längst ausverkauften zweiten Abends gestalten die Leipziger Lokalmatadore Fun Fare. Verhallte Gitarren treffen auf Synthie-Flächen und zweistimmigen Gesang: durchaus hörenswert! Auch das Set der Engländerin Jane Weaver beginnt durchaus vielversprechend mit wuchtigem Motorik-Beat und drückendem Bass. Als die Stimme einsetzt, scheinen sich die Leute, denen ihre Musik vorher nicht bekannt war, etwas irritiert anzusehen, einige verlassen den Saal. Es folgt ein Synth-Pop-Konzert, das etwas vor sich hinplätschert.
Mit Alex Cameron schließt ein Künstler an, der bereits bei der ersten Auflage des TransCentury Updates auftrat. Und gleichzeitig einer, an dem sich die Geister schieden: Während ein größerer Teil des Publikums den Australier frenetisch feiert, scheint sich der Rest vor dem Gebäude auf eine ausgedehnte Rauchpause zu treffen. In nuce gibt Cameron eine ziemlich eigenwillig abgedroschene Pop-Performance.
Schon vor Beginn seines Konzertes war klar, weswegen dieser Abend schon lange »Sold out« ist. Bereits während der Umbaupause tummeln sich die Leute in den ersten Reihen vor der Bühne und warten auf John Maus. Und sie sollen nicht umsonst gewartet haben. Was sich ihnen bietet, ist eine atemberaubende Show mit autoaggressiv performativem Charakter: Immer wieder scheint es, als wolle er seinen Oberkörper aufreißen, er fletscht die Zähne, hält sich das Mikro drohend wie eine Pistole an die Schläfe, schreit aus voller Kehle und reckt seine geballte Faust mit manischem Blick Richtung Publikum. Der promovierte Philosoph tritt mit Band auf, aber auch diese kann nicht übertünchen, dass sein Gesangsorgan wohl noch an der nächsten Straßenbahnhaltestelle zu hören ist. Nicht von ungefähr für viele der Höhepunkt des Festivals.
Farbe 3 – Waldgrün
Den letzten Tag des Festivals läutet der Leipziger Esclé mit einem Kolorit aus düsterem Ambient, Field-Recordings und afrikanischen Rhythmen ein. Dazu weben sich – wie bereits an den Tagen zuvor – Live-Animationen und abstrakte Muster des Leipziger Visual-Kollektivs WISP um Relief und Pilaster des Portikus auf der Bühne. Der Saal ist bestuhlt worden und füllt sich recht schnell. Bevor der nächste Auftritt beginnt, bittet Festivalmitorganisator Christian Kühr von der Bühne aus um Stille während des bevorstehenden Konzertes.
In diese Stille hinein entführt die japanische Perkussionistin Midori Takada das Publikum in eine betörend schöne Welt der Klänge: Behände und mit Samurai-Aplomb hangelt sie sich durch ein Labyrinth von Becken, lässt den Gong erbeben und erzählt eine Geschichte vom Kokosnussbaum hoch droben auf einem Hügel in der roten Morgensonne, während sie mildsanft das Xylophon streichelt. Die erstaunlich langanhaltende Silencio im Publikum wird nur durch immer zahlreicher werdende Toilettengänge etwas durchbrochen, die wiederum mit entsprechendem Zähneknirschen bedacht werden. Nach dem Grande Finale auf den großen Trommeln mit abschließendem Schlag auf einen Gong, der über Minuten ausklingt, wird die Japanerin mit tosendem Applaus und Standing Ovations gebührend gefeiert.
Midoria Takada © Timo Lexau
Nach zwei Zugaben auf dem Xylophon schließt sich dann der Vorhang des diesjährigen TransCentury Update Festivals. Nachdem im letzten Jahr KünstlerInnen wie BEAK>, Deerhoof, Bohren & der Club of Gore oder Stereo Total ihre Musik präsentierten, ließ das Festival auch dieses Jahr mit einem qualitativ hochwertigen und ausgewogenen Line-up aufhorchen und man darf schon jetzt gespannt auf die nächste Auflage sein.