Im ausführlichen Plausch mit Michael Rager (www.falco-compendium.at), der alle Neuauflagen von Falco-Alben mit seiner Expertise begleitet, werden anlässlich der Wiederveröffentlichung des 1985er-Albums »Falco 3« die Sonnen- und Schattenseiten von Hansi Hölzl am Zenit seiner Laufbahn als einem der erfolgreichsten Pop-Exporte Österreichs ausgelotet.
skug: »Falco 3« gilt als das Album der Superlative. Nie war Falco erfolgreicher!
Michael Rager: Falcos drittes Album war zweifellos für den Weltmarkt konzipiert. Gleichzeitig ist »Falco 3« ein Album, mit dem sich Falco bewusst von seinem elitär-abgehobenen Image von »Junge Roemer« entfernen wollte, er wusste, hier hatte er den Bogen überspannt und seine Fans irritiert. Mit seinem dritten Album hat Falco bewusst auf mehr Zugänglichkeit und Massenkompatibilität geachtet. Es erschien im Oktober 1985 und erreichte nicht nur Platz 1 in Österreich und der Schweiz und Platz 2 in Deutschland, sondern platzierte sich weltweit in den Charts. Das ist schon ein Monument, nicht nur der österreichischen, sondern grundsätzlich der deutschsprachigen Musikwelt. Es enthielt drei riesige Hits, »Vienna Calling«, den Skandalsong »Jeanny« und vor allem natürlich »Rock Me Amadeus«, der dann im Frühjahr 1986 auf Platz 1 der US- und UK-Charts landete.
Das ist schon interessant, vor allem wenn man bedenkt, aus welcher Situation heraus sich dieser Welterfolg entwickelt hat.
Ja, kaum ein Jahr vorher war »Junge Roemer« ein totaler Flop, was Falco unter großen Druck setzte: Er hatte Angst als Eintagsfliege abgestempelt zu werden und auch sein Plattenvertrag lief mit dem nächsten Album aus. Mit Robert Ponger, seinem bisherigen Komponisten und Produzenten hatte er sich zerstritten. Alles also keine guten Vorzeichen. Falco hat in dieser Phase mit einigen Leuten musikalisch experimentiert, unter anderem mit dem österreichischen Künstler Supermax, der Ende der Siebzigerjahre ein paar Hits hatte. Das Ergebnis war »Urban Tropical«, ein herrlich chaotischer Song, der später als subversiver Gegensatz auf der Rückseite der Single »Rock Me Amadeus« landete. Außerdem nahm er »Nothin’ Sweeter Than Arabia« mit seinem Live-Schlagzeuger Curt Cress auf. Auch an zwei Coverversionen (dem Dylan-Cover »It’s All Over Now, Baby Blue« und »Looking For Love« von den Cars) arbeitete Falco. Er versuchte sich auch als Komponist und schrieb den Song »Without You« selbst. So richtig Schwung in die Entstehung seines dritten Albums kam aber erst, als sein Manager Horst Bork Kontakt mit den Brüdern Rob und Ferdi Bolland aufnahm. Diese hatten mit dem Song »In The Army Now« ein paar Jahre vorher bereits einen Hit gelandet und so war Bork davon überzeugt, dass sie Falcos Karriere wieder in Schwung bringen könnten.
Das war ja dann auch so. Schauen wir uns die ausgekoppelten Singles doch mal an, die ja alle drei große Hits waren.
Ja, und zwar weltweit! Das ist sicher auch das Interessante an den Single-Auskoppelungen von »Falco 3«.
Werfen wir doch mal einen genaueren Blick auf »Rock Me Amadeus«. Falco soll den Song anfangs gar nicht gemocht haben? Er hatte wohl die Idee, dass seine Coverversion des Cars-Songs »Looking for Love« sein nächster Hit werden würde, der bei ihm dann »Munich Girls« hieß.
Das stimmt. Aus irgendeinem Grund glaubte er, dass sein Cover dieses Songs ein Hit werden könnte. Natürlich war »Rock Me Amadeus« aber wesentlich erfolgsversprechender. Falco war jedoch anfangs der Ansicht, er als Österreicher könnte so einen peinlichen Wien-Klischee-Song nicht aufnehmen. Er nahm ihn dann doch auf, sicher auch, weil er das Hitpotenzial erkannte. Als kleine Provokation streute er beim Einsingen ein »Fuck Me Amadeus« ein, in einigen Versionen, unter anderem dem »American Edit«, der ja die Version war, die international veröffentlicht wurde, kann man das deutlich hören. Die Idee zu dieser Nummer kam den Bollands nach einem Besuch des Films »Amadeus« von Milos Forman, der zu der Zeit ein großer Kinoerfolg war. Als der Film 1986 bei der Oscar-Verleihung der große Gewinner war, stand Falco kurze Zeit später auf Platz 1 der internationalen Charts, der Film hat dem Song sicherlich geholfen. Und natürlich schafft Falco mit »Rock Me Amadeus«, dass Mozart als Popstar und er als seine moderne Reinkarnation verankert wurden. Interessant ist, dass das Lied international erst in neu abgemischten Versionen erfolgreich war, die Basis aller dieser Single-Edits war der 12″-Mix, die sogenannte »Salieri Version«. Diese grotesk amerikanisierte und überladene Version wurde produziert, weil Falcos amerikanische Plattenfirma A&M eine modernere, an die US-Radiolandschaft angepasste Fassung verlangte.
Die zweite Single »Vienna Calling« hat mich damals irritiert, wegen dieser Querflöte, die so derart nach Siebzigerjahre klingt.
Die Querflöten haben mich gar nicht so gestört. Falco meinte einmal in einem Interview, dass der Song eine strategische Single war, einerseits als Nachfolger zu »Rock Me Amadeus«, andererseits stand bereits »Jeanny« als dritte Single in den Startlöchern. Und wie auch bei dem Mozart-Song »Rock Me Amadeus« werden auch hier Wien-Klischees aufgegriffen. »Vienna Calling« war die Begrüßungsformel der österreichischen Jury beim Eurovision Song Contest und diese wurde von den Bollands gleich zu einer Songidee verwurstet. Der Song war auch durchaus erfolgreich und erreichte im UK Platz 10 und in den USA Platz 18. Es gab auch zwei Remixes, den »Metternich Arrival Mix« und die »Tourist Version«, bei der die Bollands eine musikalische Sightseeing-Tour inklusive amerikanischem Reiseführer produziert haben. Dieser völlig skurrile Mix ist umso grotesker, wenn man bedenkt, dass sich Falco lediglich ein Jahr zuvor als elitärer, cooler Künstler positioniert hat.
Und dann kam »Jeanny« …
… der Skandal und gleichzeitig im deutschsprachigen Raum Falcos größter Hit. Auch diesen Song hat Falco zunächst abgelehnt mit der Aussage: »Falco singt keine Balladen!« Kein Wunder, war der Song in der Demoversion der Bollands textlich doch eine ziemlich flache Nummer über ein Mädchen, das von zuhause ausreißt, weil ihre Eltern ihren Freund nicht akzeptieren. Falco hat den Text dann umgeschrieben und bewusst mehrdeutig gemacht.
Ich finde ja, dass »Jeanny« tatsächlich ein neues Falco-Genre geschaffen hat, einen balladesken Song, bei dem Falco nicht rappt, sondern den Text vorträgt wie der österreichische Schauspieler Oskar Werner, wenn er Shakespeare-Sonette liest. Falco übernimmt in dem Song ja eine Rolle, der Text ist Rollenprosa.
Das kann man durchaus so sagen. Falco war ja übrigens auch ein großer Oskar-Werner-Fan. Der Song war bewusst auf Aufregung ausgelegt und natürlich hat die deutsche Medienlandschaft Falco den Gefallen getan, durchaus stark darauf zu reagieren.
Ja, Dieter Kronzucker hat sich im »heute-journal« darüber beschwert, dass es in dem Song um eine Vergewaltigung gehe. Einige Radiosender, allen voran der Bayerische Rundfunk, boykottierten daraufhin die Single. Was sie natürlich nur noch erfolgreicher machte.
Dieser Skandal war ja bis zu einem gewissen Punkt auch lächerlich, im englischen Sprachraum wird Mehrdeutigkeit in der Kunst wesentlich besser ertragen als (vor allem) in Deutschland. Übrigens bin ich der Meinung, dass das nicht von vornherein als Trilogie geplant war. Erst als bereits beim Erscheinen der LP klar war, dass die Nummer Wellen schlagen würde, haben Falco und sein Management darin eine Möglichkeit gesehen, den Skandal gleichzeitig zu entschärfen als auch anzuheizen. 1986 kam dann die Single »Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach)« auf den Markt, bei der der Text mindestens so doppeldeutig ist wie beim Original. Und 1990 gab es dann den tief ironischen Abschluss »Bar Minor 7/11 (Jeanny Dry)«, den ich persönlich sehr mag, weil er die »Jeanny«-Sage mit Stil und Sarkasmus beendet. Schrecklich finde ich die Songs, bei denen nach Falcos Tod behauptet wurde, sie seien auch Teil der »Jeanny«-Geschichte: »Where Are You Now« ist eine unverschämte Bastelarbeit der Bollands, »The Spirit Never Dies« ist ein Song, der bereits 1987 im Abfalleimer der Mende/Derouge-Sessions landete und überhaupt keinen Bezug hat. Das sind leider Beispiele dafür, wie respektlos nach Falcos Tod mit seinem Werk teilweise umgegangen wird.
»Bar Minor 7/11« ist ein guter Song, aber eigentlich mehr eine Parodie. Ich hätte mir einen würdigen Abschluss gewünscht. Ich kann es nicht belegen, aber ich habe das Gefühl, dass der Song »Satellite to Satellite« eigentlich als »Jeanny 3« geplant war und das aus irgendwelchen Gründen gescheitert ist.
Du wirst lachen: Es gab 1988 einen Live-Auftritt für den WDR, bei dem Falco die Nummer »Satellite To Satellite« als Mash-up mit »Jeanny« gesungen hat. Aber es gibt einige Interviews aus dieser Zeit, die belegen, dass Falco 1987/88 bewusst keinen dritten Teil produzieren wollte.
Ich hätte wetten können! Aber reden wir noch über ein paar weitere überragende Titel auf »Falco 3«, beispielsweise über das aus meiner Sicht absolut grandiose »Männer des Westens – Any Kind of Land«!
Diese Nummer wäre für mich die logische vierte Single aus dem Album gewesen. Der ursprüngliche Titel war »Neo Rockers«, das hat dann Falco geändert, herausgekommen ist dieser tolle Song über den amerikanischen Kulturimperialismus.
»Falco 3« wird ja oft vorgeworfen, dass die Texte im Vergleich zu den Vorgängeralben flacher geworden seien, aber das finde ich gar nicht. Das beste Beispiel dafür ist »Männer des Westens – Any Kind of Land«. Da wird ganz lässig im Vorbeigehen der Kalte Krieg, die amerikanische Einflussnahme auf die Welt, aber auch die Zweischneidigkeit des »American Dream« auf den Punkt gebracht. Und Verse wie »Dass die guten Kräfte dieser Welt sich sammeln / jeder, der daran noch glaubt, der irrt« – das ist große Kunst. Aber reden wir noch über weitere Songs. Die Bollands haben zwar den größten Teil des Albums komponiert und produziert, aber es gibt auch Songs, die nicht von ihnen stammen.
Richtig. Auf »Urban Tropical« sind wir ja schon eingegangen, das hat es aber nicht aufs Album, sondern nur auf eine B-Seite geschafft. Auf »Falco 3« inkludiert ist hingegen der Song »Nothin’ Sweeter Than Arabia«, den Falco mit Curt Cress aufgenommen hat. Das Lied mag ich sehr, weil es sich von den anderen Songs des Albums so abhebt, und ich bin mir sicher, dass Falco hier Bowies »The Secret Life Of Arabia« als Inspiration verwendet hat. Falcos Nummer verzichtet auf die Struktur Strophe/Refrain/Strophe/Refrain und auch sein Interpretationsstil ist anders als sein normaler Sprechgesang oder Rap. Ich seh’ auch eine Verbindung zu einem anderen Falco-Song, nämlich »Tut-Ench-Amon (Tutankhamen)« vom Album »Junge Roemer«.
Ja, beides großartige Songs! Aber ich liebe die Coverversion von Bob Dylans »It’s All Over Now, Baby Blue« auch sehr! Was für ein unglaublich atmosphärischer Schlusspunkt für das Album. Und Falco performt das, als wäre es für ihn geschrieben worden.
Ich war da immer ein bisschen zwiegespalten bei diesem Song. Falco interpretiert ihn gut, aber Dylan ist eine seltsame Wahl für eine Coverversion, find’ ich. Der jazzige Bar-Sound ist vor allem im angelsächsischen Raum kritisiert worden, das war für die Gotteslästerung, dass ein österreichischer Rapper Dylan covert. Falco meinte, er sei von der Version von Van Morrison inspiriert worden, aber ich glaub, da ist er nicht ganz ehrlich: Wenn man sich die Version der Münchner Freiheit anhört, erkennt man, dass Falco hier ganze Textzeilen, wie zum Beispiel »Was vorbei ist, ist vorbei« und auch die Idee des »roten Schuh« schamlos übernommen hat. Aber natürlich, Falcos mit Wiener Schmäh und Charme angereicherte Version hat schon was. Es war ein Fixpunkt bei Live-Konzerten und wurde auch bei seinem Begräbnis am Wiener Zentralfriedhof gespielt.
Jetzt müssen wir aber noch über eines meiner Lieblingslieder auf »Falco 3« sprechen, das von den Bollands geschriebene »America«! Ist es wirklich so gewesen, dass die Bollands den Song »Videot« genannt hatten und sich damit über den Dauerglotzer Falco lustig machten?
Ja, das scheint so gewesen zu sein. Falco war ja eher menschenscheu und hat sich oft mit seiner jeweils aktuellen Freundin in seiner Wohnung verkrochen und VHS-Videos geschaut. Ich mag den Song nicht so sehr, er ist wie ein Fremdkörper auf dem Album, eine Kabarettnummer im Stil von Helmut Qualtinger gekreuzt mit biederem Austropop. Ich mag auch den Dialekt hier nicht, ich mag eher den geschliffen vortragenden Falco. Aber es ist sicherlich mutig, derart die amerikanische Oberflächlichkeit zu kritisieren, wie das Falco hier getan hat. Dieser Umstand ist britischen Musikzeitungen durchaus aufgefallen: Dass jemand auf einem Album derartige USA-Kritik äußert, und damit durchkommt, weil den Dialekt drüben eh keiner versteht.
Das ist lustig, ich mag das Lied genau wegen der Dinge, die du nicht an ihm magst. Ich mag die tiefe, wirklich witzige Ironie dieses Songs. Und solche Stellen wie das Gespräch mit den amerikanischen Touristen oder »Spiel auf Reagan, come on!«, das mag ich einfach. Sprechen wir noch über die Videos! Vor allem die Videos zu »Rock Me Amadeus« und »Jeanny« sind großartig!
Angeblich wollte Falco im Video zu »Rock Me Amadeus« lediglich auf der Bühne im Burgtheater stehen und den Song performen. Die Regisseure Rudi Dolezal und Hannes Rossacher hatten natürlich das weit bessere Konzept bei dem sie Falco einmal in der Rokoko-Zeit und einmal in der Jetztzeit zeigen, aber jeweils im falschen Kontext. Das hat den Amerikanern natürlich extrem gefallen, das Video war das meistgespielte auf MTV anno 1986. Ich mag Falcos Attitüde im Video, er macht das sehr ironisch und zeigt dadurch, dass er das Thema des Songs durchaus humoristisch-selbstkritisch sieht, er nimmt das Thema an und lehnt es gleichzeitig ab. Das Video verwandelt Falco in einen modernen Mozart. Die Bollands haben diese Verweise auf Österreich-Klischees dann ja auch immer wieder benutzt – bei »Vienna Calling«, bei »The Sound Of Musik« und auch bei »Wiener Blut«.
Und dann natürlich das großartige Video zu »Jeanny«!
Das ist Falcos bestes Video! Es ist voller Anspielungen auf Filme wie »Psycho« oder »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« und viele andere. Und das Video schafft es, die Mehrdeutigkeit noch weiter zu verstärken, es gibt den Dingen eine Richtung, ohne sie aber zu exakt zu definieren, zu klären. Und auch hier gibt es wieder Selbstironie, als Falco am Ende des Videos mit Zwangsjacke in einer Zelle sitzt – in einer Szene sieht man die Jeanny-Darstellerin sogar in Zivilkleidung, sie lacht über Falco, der im Hintergrund seinen Wahn auslebt. Dieses Video und auch »Rock Me Amadeus« waren sicher der Grund, warum Dolzal/Rossacher später mit Queen und Bowie arbeiten durften.
Sprechen wir noch über die Texte, denn da ändert sich ja einiges auf »Falco 3«. Bei »Einzelhaft« und »Junge Roemer« hat Falco seine Texte immer allein verfasst. Das ändert sich jetzt. Die Bollands mischen beim Texten jetzt auch mit.
Ja, das ist eine Entwicklung, die bei »Falco 3« begann, dass nämlich Falco seine Texte nicht mehr selbst geschrieben hat, sondern auf Textideen von anderen aufgebaut und dann nur noch »falconized« hat, was auf lange Sicht nachteilig für ihn war. Er wurde immer mehr nur Interpret seiner Songs. Aber natürlich hat er auch erkannt, dass dieser textliche Input das kommerzielle Potential seiner Songs erhöht hat, Falcos eigene Texte neigen dann ja doch dazu, kryptischer und weniger verständlich zu sein. Einerseits waren diese Textvorschläge gut, weil sie Falco von seiner Schreibblockade befreiten, anderseits stieg natürlich die Abhängigkeit. Gleichzeitig sank die Eigenartigkeit seiner Lyrics.
Das ist extrem interessant. Falco hat ja mit seinen beiden ersten Alben seinen Erzähler erfunden, den Wiener Flaneur, den coolen, tief ironischen, kommentierenden, nicht teilnehmenden Beobachter. Das ist der Entwurf, wie die Kunstfigur Falco, hinter der sich der private Hannes Hölzel verstecken wollte, auf die Welt schaut. Und jetzt kommen die Bollands und schreiben Texte, die mehr nach Falco klingen als je zuvor. Haben die Bollands Falco am Ende vielleicht besser verstanden als er sich selbst?
Ich finde nicht, dass die Bollandschen Textelemente mehr nach Falco klingen. Es ist vielmehr so, dass die Bollands es verstanden haben, zugänglichere Themen und Texte zu machen, die in einem Stil gehalten waren, den Falco sehr gut interpretieren konnte. Die Texte von »Einzelhaft«, »Junge Roemer« und »Data De Groove«, bei denen Falco die Texte selbst geschrieben hat, beinhalten sicher mehr Falco als die Songs, bei denen er nur noch einige Änderungen an der ursprünglichen Textidee vorgenommen hat. Aber die Bollands haben verstanden, wie die Marke Falco funktioniert und sie haben ihm einen massentauglicheren, besser verständlicheren Stil nahegebracht. Das empfinden viele Fans zurecht als inhaltliche Verflachung und Simplifizierung. Aber da Falco nach dem Flop von »Junge Roemer« extrem unter Druck stand, war ihm bewusst, dass er genau diesen kommerzielleren Kick brauchte. Aus diesem Grund stimmte er auch einer Änderung seiner Musik zu, diese war im Vergleich zu früher sicher weniger subtil und elegant. Der Falco von 1985 schielte auf die Charts, nicht auf das Kritikerlob.
Die Rolle der Bollands darf man also absolut nicht unterschätzen.
Keinesfalls! Beim Nachfolgealbum »Emotional« und auch bei »Wiener Blut« geht der kreative Anteil Falcos ja noch weiter zurück, das sind, wenn man böse sein will, im Grund ja Bolland-Alben mit Falco als Gastsänger. Erst 1992, beim Album »Nachtflug«, das Falco auch mit den Bollands produziert hat, versuchte er, textlich eine Balance zu finden.
»Falco 3« war das erfolgreichste Album von Falco – ist es auch das beste?
Nein, für mich nicht. Es ist nicht besonders gut gealtert, seine Produktion verankert es tief in den 1980er-Jahren – mehr als die Alben, die Falco mit Robert Ponger produziert hat. Aber es ist ein unerreicht, beziehungsweise auch wahrscheinlich unerreichbar erfolgreiches deutschsprachiges Album. Man darf ja nicht vergessen, dass damals auch Nena und Kraftwerk international erfolgreich waren – aber lediglich mit auf Englisch übersetzten Songs und Alben. »Falco 3« ist zum Großteil in deutscher Sprache und war dennoch so erfolgreich, das ist ein wirklich interessantes Phänomen, weil sich Falco eben nicht wie andere für den internationalen Erfolg verbiegen wollte und dennoch erfolgreich war. Das ist schon eine eigene Dimension und Qualität.
Auf mich wirkt »Falco 3« ein bisschen wie eine Songsammlung, auf der alles zusammengeschmissen wurde, was gerade an Material da war. Andererseits macht das auch den Reiz des Albums aus, das ja nicht nur die Hits hat, sondern eben auch solche Sachen wie »Nothin’ Sweeter than Arabia«, »It’s All Over Now, Baby Blue« und meinetwegen auch »America« oder »Tango the Night«. Das Album hat eine unglaubliche stilistische Bandbreite, die es auf den konzeptionell geschlosseneren beiden ersten Alben nicht gab, aber das wirkt eben auch etwas beliebig.
Ja, man merkt, dass drei Produzenten am Album beteiligt waren. Von den Bollands stammt sicher der Großteil, aber anders als bei anderen Falco-LPs gibt es diese Bandbreite, die aber dennoch gleichzeitig auch homogen wirkt, weil Falcos Stil alles zusammenhält.
Im Oktober ist die neue Deluxe-Version von »Falco 3« erschienen. Du hast ja wieder mitgearbeitet und nicht nur das Tracklisting erarbeitet, sondern auch wieder die hochinteressanten Linernotes geschrieben.
Es gab ja 2010 bereits eine Neuauflage, die damals »F3« genannt wurde und sowohl bei den Bonusinhalten als auch beim Artwork seltsame Entscheidungen getroffen hat. Diese Versäumnisse wollten wir diesmal korrigieren: Wir haben das rote Originalcover benutzt und das internationale Design aber gleichzeitig als Wendecover verwendet. Auch wurde das Album behutsam remastert und wir haben sämtliche Remixes, Demos und Live-Tracks inkludiert. Wir haben wirklich versucht, den Fans alles anzubieten, auch vom Format her: Es gibt diese Deluxe-Edition auf drei CDs und drei LPs und sogar auf Kassette! Wir haben auch erstmals die internationale Version mit der unterschiedlichen Covergestaltung und mit dem abweichenden Tracklisting (für »Rock Me Amadeus« und »Vienna Calling« wurden statt den normalen Albumversionen die »Salieri Version« bzw. der »Metternich Arrival Mix« verwendet) in Europa veröffentlicht.
Ihr bildet wirklich die Falco-Jahre 1985 und 1986 perfekt ab – also den Karrierehöhepunkt Falcos.
Ja, wir haben wirklich lange gesucht und wirklich alles, was damals aufgenommen wurde, mit auf die Deluxe-Edition genommen. Als spezielles Zuckerl für Fans haben die Musikproduzenten Blank & Jones, die auch große Falco-Fans sind, eine »so8os Reconstruction« von »Rock Me Amadeus« angefertigt, bei der ausschließlich Elemente von den Original-Mastertapes verwendet wurden. Das ist authentisch und wirklich gut gelungen!

Ja, finde ich auch. Sie vereinigt so ein bisschen das Beste aus sämtlichen internationalen Remixen. Wir müssen so langsam zum Schluss kommen. Also sag mal, wie siehst du persönlich 40 Jahre nach der Veröffentlichung »Falco 3« heute? Für mich war die Platte als Dreizehnjähriger eine echte Erleuchtung!
Als ich damals zwölfjährig Falco-Fan wurde, war »Falco 3« natürlich diese große Platte, unangreifbar mit diesen drei Riesenhits. Im Laufe der Jahre habe ich das Album aber immer kritischer gesehen. Es ist zweifellos das Werk, das die meisten Leute von Falco kennen, vor allem weltweit. Und es machte Falco 1986 für einige Monate zu einem internationalen Superstar, der sogar in Japan Live-Konzerte gab. Diesen globalen Erfolg auch in so schwierigen Märkten wie den USA, Großbritannien und Japan muss man sich wirklich bewusst vor Augen führen: Das ist so, als würden heute beispielsweise Bilderbuch – die ein gutes Beispiel sind, weil sie viele textliche und auch musikalische Themen von Falco übernommen haben – sowohl mit mehreren Songs als auch mit dem dazugehörigen Album weltweit die Charts stürmen. Das ist heutzutage fast unvorstellbar, was Falco damals geschafft hat. Gleichzeitig ist »Falco 3« nicht besonders gut gealtert; es ist sicher nicht mein Lieblingsalbum von Falco. Dennoch ist es ein Stück deutschsprachiger, ja europäischer Popmusikgeschichte. Hier hat ein Künstler in seiner Muttersprache ein Werk geschaffen, das weltweit Erfolge feierte. Interessant ist auch, wie Falcos Karriere weitergegangen wäre, hätte er mit seinem dritten Album nicht diesen direkten Weg Richtung Kommerz eingeschlagen. Diese Entscheidung war durchaus folgenschwer: Einerseits sahen seine früheren Fans und auch seine ehemaligen Musikerkollegen in Wien in ihm danach nur noch den arroganten Star, dem es lediglich um den Kommerz ging. Andererseits war er durch diese weltweiten Erfolge eine Art Nationalheld in Österreich, von dem immer mehr und noch größere Hits verlangt wurden. Ein Spagat, den Falco nicht wirklich gut hinbekommen hat, weder künstlerisch noch persönlich.
Ich habe die Platte Anfang 1986 in einem Supermarkt gekauft. Da kannte ich sie schon: Mein bester Freund besaß sie ebenfalls und hatte sie mir auf Kassette überspielt. Aber ich wollte sie selbst besitzen! Und ich muss sagen: Wenn ich jetzt eure neue Deluxe-Ausgabe höre, kommt sie mir immer noch unglaublich frisch vor. Es gibt immer noch so viel zu entdecken oder wiederzuentdecken. Vor allem die Remixe von »Vienna Calling« fand ich interessant. Nein, wirklich, ich mag das Album sehr. Und ich danke dir für das spannende Gespräch, Michael!

Über den Autor: Jens Buchholz hat für skug bereits zwei umfassende Texte zu Falco verfasst: »Das (fast) perfekte Falco-Album« und »Falco am absteigenden Ast«. Als Falco-Afficionado ist er außerdem Autor des Buchs »Falco – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten«, das 2024 im Klartext Verlag erschienen ist.











