Nachbarschaftsorchester  © Wellenklänge
Nachbarschaftsorchester  © Wellenklänge

Begegnungszonen im Mostviertel

Das Engagement für öffentliche Räume samt Hammerwerkstätten und Wirtshauskultur sowie diverse Sound-Schwerpunkte wie ein Musikcamp für Flinta*-Personen sind starke Signale des noch bis Mitte Juli stattfindenden Viertelfestival Niederösterreich, das mit 48 Projekten ein breites Kulturfeld beackert.

Nach der am 16. Mai erfolgten Eröffnung in der Remise von Amstetten mit den bekannten Artists Sigrid Horn, Sarah Bernhardt, Lou Asril, Dritte Hand, Tini Trampler, Gravögl und Litha wird das MOST/4-Festvial 2025 ziemlich speziell. Via Nachbarschaftsorchester warf das Wellenklänge-Festival seine Schatten voraus. Tolle Idee: »Ein Klang für alle« als Workshop für Musikbegeisterte, der von 20. bis 22. Juni im Gasthof Zur Paula in Lunz am See abgehalten wurde. Hochkarätig besetzt u. a. mit Kursleiterin und Violinistin Julia Lacherstorfer, Sängerin Nataša Mirković und Trompeter Simon Zöchbauer wurde niederschwellig ein Repertoire für Amateure wie Profis erarbeitet. Das »4 Days 4 Noise Camp« bietet außerdem Workshops für Flinta*-Menschen, von 9. bis 12. Juli im Sturmfrei Werk- und Denkraum in Waidhofen an der Ybbs. Die renommierten Acts Cousines Like Shit, Sharktank und Multitudes sowie Musicbiz-Erfahrene laden zu Workshops betreffend Bandmanagement, Tontechnik, Tanz und mehr. Empowerment mit finalem Abschlusskonzert, die Bezirkshauptstadt gewährt einen Safe Space mit Potenzial für die Zukunft. 

»4 Days 4 Noise Camp« © Tina Bauer

Nun aber zu weiteren aktuellen Programmpunkten: »Das Heidemädchen von Kröllendorf« wird als Stummfilm mit Live-Blasmusik aufgeführt. Möge dies am 12. Juli um 20:00 Uhr im Sägewerk Mühlehner am Wachtberg in Allhartsberg gelingen. Örtliche Blasmusikkapellen sind Bildungsinstitutionen für das Erlernen eines Instrumentes am Land. Bereits fortgeschritten ist Die Blasmusikcombo, welche in einem eigens geschaffenen Projekt beim Theatersommer Haag am 20. Juli ab 20:15 Uhr auf die Dialekt-Volxmusikant*innen der QuetschworkFamily trifft. Beschaulicher wird’s bei der Klangtandlerei mit dem Ensemble Zoat, bestehend aus Anna Großberger (Violine/Gesang) und Viktoria Hofmarcher (Klarinette/Shruti)), das »Musik im Dialog am Wochenmarkt« verspricht – am 27. Juni von 07:00 bis 12:00 Uhr am Wochenmarkt in Waidhofen an der Ybbs und am 18. Juli von 07:00 bis 12:00 Uhr am Wochenmarkt in Scheibbs bzw. gemeinsam mit Anna Buchegger am 15. Juli um 20:00 Uhr in der Bürgerspitalkirche Waidhofen und mit Violetta Parisini am 19. Juli um 20:00 Uhr in der Stadtmole Scheibbs.

Ensemble Zoat © Jolly Schwarz

Öffentliche Räume – mit Esprit gedacht 

Zehn Schulprojekte sind auch 2025 ein essenzieller Bestandteil des insgesamt 48 Programmbeiträge umfassenden Viertelfestivals der Kulturvernetzung Niederösterreich. Öffentliche Räume werden in Amstetten neu gedacht. Nach »Fata Morgana – Visionen für kollektive Begegnungsräume«, wo u. a. Gentrifizierung und der Mangel an konsumfreien Zonen erörtert wurden, zeigt sich die Fotoausstellung »Amstetten meets America – Eine Reise durch Kulturen und Zeiten« noch bis 12. Juli im Rathaus Amstetten vom Werkkatalog des Fotografen Joel Sternfeld inspiriert. Dessen Bildzyklus »American Prospects«, der 2024 in der Wiener Albertina zu sehen war, dokumentierte die Eingriffe der Menschheit in Landschaften, die Auswüchse der Konsumkultur und die damit verbundenen negativen Einflüsse auf die Umwelt. Bezogen aufs Mostviertel wird dank Sternfeld der Blick der Schüler*innen für politische und strukturelle Fehlentwicklungen geschärft und finden auch historische Veränderungen Eingang in deren Beiträge. Darüber hinaus werden des Öfteren auch Transformationen von Räumen oder Ansiedlungen thematisiert. 

»Amstetten meets America« © Lena Lisa Nadine Paulina Loibl

»Hofgschichte(n) – Vergangenes künstlerisch aufbereitet« lautet das Vorhaben des Vereins Dorfplatz St. Andrä-Wördern. Am 4. Juli ab 18:00 Uhr erzählt Paul Daniel, was im Lauf von 125 Jahren am Nowotnyhof, der nunmehr als Dorfplatz ein offener Ort mit Werkstätten, Kunstschaffenden, Kulturveranstaltungen, einem Gemeinschaftsbüro und Gastronomiebetrieb ist, so alles passiert ist. Ebenfalls am 4. Juli taucht die Westbahnbrücke in St. Pölten an der Traisen aus dem kulturellen Schattendasein. Verantwortlich dafür zeichnet der Verein Freiluft und Kultur, der anno 2025 mit einer Serie von partizipativen Workshops und ergänzendem Programm die Brücke künstlerisch bespielt. Eisenbahninfrastruktur spielt auch eine große Rolle bei »Im Wesentlichen: Warten. Wie Raum und Zeit sich fügen« am 28. und 29. Juni bei Fischergeschirr, Zwischenbrücken 2, in Steyr und von 4. bis 7. Juli im Bahnhof St. Valentin, wo das »Warten« durch eine Installation, eine Ausstellung und eine interaktive Performance inszeniert wird. Die Zugstrecke zwischen St. Valentin und Steyr ist eine wichtige Verbindung ins Ennstal und Andreas Moritz und Konstanze Müller laden Pendler*innen und Schüler*innen ein, eine 24-stündige Videoillustration des Wartens zu sehen sowie eine Soundinstallation zu hören: »zu erleben gibt es den Aufzug als Zeitmaschine und eine begehbare, sich – wie die Erde! – unablässig drehende Scheibe, mit der ihr im Raum kreisen und anderen Menschen begegnen – oder ausweichen könnt.«

»Nowotnyhof um 1900 © Archiv Verein Dorfplatz St. Andrä-Wördern

Soziale Medien Wirtshaus und Hammerwerkstätten

Eine Ausstellung im Stadtkeller Neulengbach, die noch bis 26. Juni läuft, macht Lust auf mehr. »Wirtshauskultur & Kunstgenuss – Geschichte(n) rund ums Essen« erzählt über Kulinarik und Gastlichkeit und verweist dabei auf eine wichtige Funktion, die infolge Social Media zu sehr in den virtuellen Raum gerückt ist: Austausch, Tratsch, Diskurs und Netzwerken face en face fühlt sich besser an, doch werden immer mehr Gasthöfe geschlossen bzw. haben enorm verkürzte Öffnungszeiten. Daher ist das Konzept »Begegnungszone Wirtshaus – Fotodokumentation mit Musikbegleitung« sehr zu begrüßen. Der Fotograf und Filmemacher Thomas Zeller porträtiert Wirtshäuser in der Region Melker Alpenvorland und im Pielachtal, die eine lang zurückgehende Historie aufweisen. Wirtsleute, Gäste und Vintage-Inventar werden in großformatigen Bildern gezeigt und ein Dokumentarfilm mit Erzählungen von Gastwirt*innen bezeugt die Bedeutung dieser Orte als soziale Treffpunkte. Die Vergänglichkeit dieser regionalen Traditionen schmerzt, doch besteht Hoffnung, dass diese einem Dorf Identität gebende Institution in vielen Dörfern Beständigkeit wahren kann. Zellers »Begegnungszone Wirtshaus« wird kombiniert als Fotoausstellung mit Filmvorführung und Musikveranstaltung in Kooperation von NÖ-Volkskultur und einigen Musikschulen noch an zwei Orten gastieren. Am 27. Juni um 19:00 Uhr im Gasthaus Schirgenhofer in Hürm, am 29. Juni um 16:00 Uhr im Kulturhaus Bürgerspital Kilb und am 4. Juli um 19:00 Uhr im Gasthaus Kemetner alias Schützenwirt in Kirchberg an der Pielach. 

Gasthaus Dorn, Gassen © Thomas Zeller

Nicht mehr in Funktion, doch museal wertvoll: Hammerschmieden waren im vorindustriellen Zeitalter wesentliche Manufakturen im Voralpenland. Als der Autor dieser Zeilen im oberösterreichischen Teil des Mostviertels aufwuchs, gab es Ende der 1960er-Jahre im benachbarten Bauernhof in Losenstein noch ein Messerwerk mit Betrieb auf Sparflamme. Jedenfalls ist es sehr verdienstvoll, die Bedeutung von Hammerwerken in Erinnerung zu rufen. Zunächst wurden in den Stationen Lilienfeld, St. Aegyd am Neuwalde und Hohenberg Materialien gesammelt, umfassend auch Oral History von Menschen, deren Vorfahren in Hammerschmieden werktätig waren. Die akustische Spurensuche in den Industriestätten des Traisen- und Gölsentals, initiiert vom Verein OpenGLAM.at und dem Museum Lilienfeld, kulminiert schlussendlich am 18. Juli ab 17:00 Uhr im Volksheim Traisen im Projekt »Hammer_Werk_Stätten – Im Gleichklang«. 

»Hammer_Werk_Stätten« © Sylvia Petrovic-Majer

Link: https://www.viertelfestival.at/ 

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