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Peter Baumann

»Nightfall«

Bureau B

Elektronische Musik, die nicht nur als Klanggemisch abstrakt bleiben will, sondern einen erzählenden Gestus für sich in Anspruch nimmt, beleiht in Entsprechung des akustischen Eindrucks optische wie rhetorische Elemente: Cover-Artwork und Titel liefern eine Art Vorverständnis, orientieren bereits vorm ersten Hören, wohin die Klangreise gehen soll. Während des Hörens bestätigt und verstärkt sich dann idealerweise der Eindruck, den Worte und Bilder suggerieren, bzw. es entsteht bestenfalls ein synästhetisches Erlebnis: Man kann die Musik sehen, die Bilder hören. Peter Baumann, lange Mitglied bei Tangerine Dream, lädt mit seinem neuen Album in die Wüste ein, in der es nach Sonnenuntergang ziemlich frisch werden kann. Entsprechend kühl die Anmutung der Abbildung auf der Plattenhülle: Nachtblau gefärbt erscheinen die Rippeln einer Sanddüne auf dem Cover. Die Titel des Albums regen eine dramatische Abfolge von Szenen an: »No One Knows«, »Lost In A Pale Blue Sky«, »On The Long Road«, »A World Apart«, »From A Far Land«, »Sailing Past Midnight«, »I’m Sitting Here Just A While« und schließlich »Nightfall«: Die Krise, die Suche, der Aufbruch, die Reise ins Unbekannte, die Unterbrechung des Alltags, das Innehalten, die Nacht als Metapher für Wandlung … geradezu musterhaft findet sich dies thematisch alles angelegt in Bild, Text und Ton – und wenn man sich darauf einlassen will, funktioniert der vorgeschlagene Rezeptionsmodus entsprechend. Kühle, meditative elektronische Klanglandschaften breitet Baumann mithilfe diverser Synthesizer aus, die natürlich an Tangerine Dream erinnern, aber auch an John Carpenter. Im Schatten bzw. in Nachfolge dieser Säulenheiligen der cineastisch gestimmten elektronischen Musik finden sich Dutzende von kosmischen Kurieren und Elektrolurchen. Baumann nimmt hier eine mittlere Stellung ein, wenn man so will. Qua vita sticht er hervor aus der ungezählten Schar elektronischer Jünglinge, inwiefern seine Arbeiten sich hervorheben aus dem dicht wabernden Nebel zeitgenössischer Ambient-Musik, die international erscheint, das vermag ich nicht zu beurteilen. Es fehlt mir der Durchblick. Vielleicht ist das aber auch egal. Für sich genommen und mit Blick auf die Präsentation des stimmigen Gesamtpakets würde ich naiv oder relativ unvoreingenommen sagen: »Nightfall« ist eine schöne Platte für laue Sommerabende und -nächte, wenn man sich bei Kerzenschein auf einer Veranda oder dem Balkon wiederfindet. Es geht eine leichte Brise, in Gedanken kann man Erinnerungen (an den Urlaub in der Wüste) nachhängen oder sich mangels finanzieller Mittel und mithilfe der Musik in ebensolche Regionen träumen. Der Rosé-Wein, die Kräuterzigarette oder das Bier entfalten zusätzlich zur Musik ihre beruhigende Wirkung und für den Moment ist alles – wie sagen jüngere Leute? – ganz »gechillt«.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
06.06.2025

Schlagwörter

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