In Szenen eingebettet und so nebenher über Musik schreibend erfüllt die Rezension, die, so darf befürchtet werden, kaum mehr jemand liest, nicht selten die Funktion des offenen Briefes an Freund*innen oder, um es etwas sachlicher auszudrücken, eines Gefälligkeitsgutachtens. Nachvollziehbare Einwände gegen diese Art des Feedbacks gibt es viele, die Forderung »Kein Schulterklopfen« (Kolossale Jugend) ist nicht neu, aber als solidarische Geste des Sichtbarmachens von unten ist das szenenahe Review im Bereich des Zulässigen – die Reichweite ist ohnehin begrenzt und marktschreierische Rhetorik verbietet sich sowieso. Jetzt, warum schreibe ich das? Weil ich die Herren, die bei Pretty Lightning Gitarren und Schlagzeug spielen, kenne und ihren musikalischen Weg schon eine ganze Weile begleite. So, nun hört der*die Leser*in die Nachtigall trapsen: Erst selbstreflexiv einleiten und dann unverschämt abfeiern, weil die Kumpels sind die Geilsten! Abwarten. Würde ich hier nur Lorbeerkränze unter Freunden verteilen wollen, dann hätte ich die einleitenden Zeilen nicht schinden müssen und gleich in die Vollen gehen können. Bin ich aber nicht. Die hier vorangestellten und im Verlauf auch weiter zu verfolgenden Gedanken mache ich mir öffentlich, um eine Entwicklungskurve sichtbar zu machen und zu thematisieren. Ich will dabei auch zusehen, dass die ganze Sache nicht allzu väterlich gerät, versprochen. »Night Wobble« ist das sechste oder siebte (je nachdem, wie man zählen will) Album von Pretty Lightning und nach »Dust Moves« (2022) das zweite instrumentale in Folge. Gestartet sind sie vor etwas mehr als fünfzehn Jahren als Bewunderer der Black Keys, als krachiges Garagen-Blues-Duo aus Saarbrücken, das sich über die vergangenen Jahre hinweg aus der Garage heraus auf kleinere bis mittelgroße europäische Bühnen gespielt hat. Nun wird dort, wo Musik gemacht, Tonträger produziert und Konzerte gespielt werden, heutzutage überwiegend Elend unter Mindestlohn-Niveau verwaltet; die sogenannte Musikbranche (oder was von ihr übrig ist) ist ein ökonomischer Witz, wer in Bands spielt, investiert in aller Regel in ein kostspieliges Hobby als Ausdruck seiner Kreativität jenseits der Lohnarbeit und zur Erhaltung der geistigen Gesundheit. Warum auch nicht? Aber ich schweife ab bzw. bleibe beim einleitend angedeuteten Thema. Denn sagen wir mal es wäre noch 1983, in einer besseren, eingebildeten Vergangenheit hätten Pretty Lightning ihre Musik veröffentlichen und im Vorprogramm von The Gun Club auftreten oder mit den Mekons und Crime & The City Solution auf Tour gehen können, vielleicht hätte auch Ry Cooder Notiz von ihnen genommen und über kurz oder lang und mit etwas Geduld und Spucke hätten Pretty Lightning mit dem Berufsmusikertum liebäugeln können und es wäre was aus ihnen geworden! So richtig, mit allem Drum und Dran! Sex, Drugs, Rock’n’Roll! Sie erinnern sich? Denn, um nun mal zur Musik ein Wort zu verlieren, »Night Wobble« ist top! Jenseits blöder Breitbeinigkeit (das passiert beim Rocken ja schnell) und fernab welpenhafter Unbeholfenheit, die in zeitgenössischen, marginalisierten Teilzeitmusikerszenen ja auch anzutreffen ist, legen Pretty Lightning los bzw. nach. Der instrumentale Vorgänger »Dust Moves« war schon souverän vorgetragen und das neue Album ist ein weiterer höchst unterhaltsamer Ausdruck des musikalisch stilsicheren Selbstbewusstseins der Band. Die ist zum (Power-)Trio angewachsen, was, siehe ökonomische Umstände, natürlich eigentlich überhaupt nicht hilfreich ist – aber wo Zwei vom vegetarischen Catering essen, da wird auch noch ein Dritter satt! Ist eh’ nix dran an den Burschen. Gut, schon wieder vom Thema abgekommen bzw. das gehört alles dazu. Wo war ich? Ach ja, die Musik. Pretty Lightning spielen instrumentale Rockmusik, soweit war ich schon. Stilistisch dem Blues zugeneigt, psychedelisch in der Ausführung, cineastisch in der Anmutung, relaxed in der Haltung und ausgefuchst in der Liebe zum Detail. In der Summe besticht das Album durch seine kurzweilige und abwechslungsreiche Art. Die dreizehn Tracks sind raffiniert arrangiert und leichtfüßig gespielt, keine Sekunde kommt Langeweile auf, alles sitzt, passt, wackelt und hat Luft, und ich kann daher an dieser Stelle gar nicht genug darauf herumreiten, wie sehr ich der Band allen Erfolg wünsche, den sie unter den gegebenen Umständen haben kann. So.
Pretty Lightning
»Night Wobble«
Fuzz Club
Unterstütze uns mit deiner Spende
skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!











