Das eingebildete Mittelalter als Genre erfreut sich großer Beliebtheit. Ob zu Fuß beim Besuch einer Burg im Rheintal, zu Pferd als Geralt von Riva durch Velen oder auf der Couch mit »Game of Thrones«: Fantasy, Zusammenfantasiertes, Fantastisches boomt. Angesichts der Weltlage kein Wunder bzw. so spiegelt sich im Eskapismus die dunkler werdende Gegenwart. So weit, so kryptisch. »Syne Vuyle Hoeck«, das neue Album des Belgiers Benoît Monsieurs, passt da wie die Faust aufs Auge. 12-saitige Gitarre spielt er überwiegend, und schnell könnte ich Schutzheilige instrumentaler Gitarrenmusik herbeizitieren (Robbie Basho zum Beispiel) und wäre fein raus. Aber im Grunde falsche Fährte. Eher schon John Renbourn, der ja mit seiner Gitarre auch Ausflüge ins mehr oder weniger akkurat rekonstruierte musikalische Mittelalter unternommen hat. Historische Korrektheit ist ohnehin schwer zu gewährleisten, also warum nicht die Fantasie ihr Werk tun lassen? Und so evoziert die Musik von Venediktos Tempelboom, finster, verzaubert und allerlei okkultem Wissen nicht abgeneigt, die Vorstellung einer irgendwie amalgamierten Vergangenheit, in der Hildegard von Bingen der erste Hippie war, »Der Hexenhammer« als Drehbuch für schmierige britische B-Movies durchging und Tolkien den norwegischen Black Metal erfunden hat – eine Vergangenheit, die bis in die Gegenwart hineinreicht, denn nicht aufgeklärt ist unter den gegebenen Umständen immer noch vieles. Die Verwirrung ist groß. Mittendrin sitzt Monsieurs, das Rumpelstilzchen mit der 12-Saitigen und tut auch nichts dazu, dass sich irgendeines dieser Mysterien auflöst. Im Gegenteil, er spinnt mit seinem Instrument den Faden weiter, verliert sich irre kichernd in musikalischen Wahngebilden und es ist eine Freude, ihm dabei zuzuhören.
Venediktos Tempelboom
»Syne Vuyle Hoeck«
Kraak
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