In sechs treffsicheren Tracks geben sich Shacke One und MC Kneipenkrieger auf ihrer aktuellen EP »Grober Unfug« ungeniert und souverän, selbstironisch und testosterongetrieben. Die komplementäre Symbiose aus Shackes Boom-Bap-Battle-Rap-Manier und der rotzigen Dreistigkeit von MC Kneipenkrieger erzeugt eine ungeahnte Kraft, der man nicht mal entkommen könnte, wenn man wollte. Satte Beats des Nordachse-Produzenten Achim Funk preschen basslastig durch die Boxen und tragen dichte Verse auf Händen. Den letzten Schliff verleihen nostalgische Musikvideos mit stilprägenden Elementen.
Mit Marker und Seele
Mit dem Titel »Verrat am Leben« fällt »Grober Unfug« gleich mit der Tür ins Haus. Eine funkige Bassline dominiert den Oldschool-Beat und wirkt konträr zum forschen Flow der beiden Rapper. Statt sich mit ganzen Parts abzuwechseln, vollenden Shacke One und MC Kneipenkrieger gegenseitig ihre Verse und schaffen dadurch eine mitreißende Dynamik. Diesen Stil unterstreicht auch das Musikvideo, das vom Regisseur Leon Kluth inszeniert wurde. Schnelle Schnitte und verschachtelte Bilder nehmen Bezug auf den Text und kreieren visuelle Vielschichtigkeit. Fisheye, Close-Ups vom Mercedes-Stern und Nordachse-Pieces an Fassaden zitieren HipHop in seinen Ursprüngen, während verlebte Stiegenhäuser und Hinterhöfe von Altbauten den dreckigen Charme Berlins festhalten. Es ist eine Single, die nicht nur den Ton für »Grober Unfug« angibt, sondern darüber hinaus die Essenz der Nordachse widerspiegelt. Eine Essenz, die im Vordergrund zwar ganz klar Rap, Graffiti und Bier stehen hat, darüber hinaus aber viel weiter greift, als der erste Anschein vermuten lässt.
Shacke One ist stark beeinflusst vom Sound der 1970er und 1980er, von Funk, Soul und Disco (und wie die Hook von »Trostpreise« vermuten lässt, auch von Rio Reiser), und scheut sich nicht, asoziale Parts mit rhythmischen Melodien zu paaren. Auf dem Album »S1« aus dem Jahr 2022 ließen er und sein Team ihrer Experimentierfreudigkeit freien Lauf und produzierten einen abwechslungsreichen Tonträger. Doch auch »Grober Unfug« punktet mit Facettenreichtum. Die zweite Single »Nordi Times« ist eine Kreuzung aus Boogie und Battlerap; im Musikvideo haucht die Sängerin Keboo die samtige Hook im silberglitzernden Disco-Outfit, während Shacke und MCK Nordberliner Pils im Gym saufen. Die Musiker*innen beweisen damit nicht nur guten Humor. Sie demonstrieren auch ehrliche Liebe zum Detail und zu dem, was sie tun.
Männerkram
Der darauffolgende Song trägt den Namen »Trostpreise« und treibt das Spiel aus smoothem Beat und rauen Bars auf die Spitze. MC Kneipenkrieger, der bereits auf »Nordi Times« von »Männerkram« spricht, hält an seiner Attitüde fest und gibt einen schonungslosen Part auf souligen Melodien zum Besten. Ob an dieser Stelle eine Diskussion über Misogynie im HipHop sinnvoll wäre, ist fraglich. Schließlich kamen die Alice Schwarzers und Orgi69s dieser Welt dabei noch nie auf einen gemeinsamen Nenner. Wem Zeilen wie »Sie hat über gern Sex und mein Penis wär bereit / aber wenn ich in die Pilze will dann geh ich in den Wald« oder »Ein Abend ohne Tags ist wie ne Nutte die nicht fickt« zu viel sind, hat aber glücklicherweise genug Ausweichmöglichkeiten in der Szene.
Dabei ist nicht nur von Männern die Rede, die auf frauenfeindliche Texte verzichten, sondern auch von Frauen selbst, die sowohl international als auch im deutschsprachigen Raum immer mehr Anerkennung im Genre finden. Kitty Kat und Cora E. haben sich durchgeboxt, damit sich Künstlerinnen wie Liz, Shoki und Eunique – nun ja, immer noch durchboxen müssen, doch immerhin mit Erfolg. Und auch in der Graffiti-Szene haben Frauen wie MadC oder Smak sich einen Namen gemalt. Bleibt nur zu sagen: Rap ist kein Männerkram, Graffiti ist kein Männerkram, Sex ist kein Männerkram, und wenn Männer misogyne Texte rappen, dann ist auch das kein Männerkram, sondern Rapkram. Oder in Shackes Worten: »Unsere Texte sind nicht sexistisch / sie sind sexy«.
Untergrund aus Prinzip
Was die Texte insbesondere sind: authentisch. Shacke One und MC Kneipenkrieger verstellen sich nicht; sie erzählen, wer sie sind, wie sie leben und was ihnen wichtig ist. Die Musik steht im Vordergrund, der eingeschworene Kreis, der Anspruch, sich selbst treu zu bleiben. Es ist Battle-Rap auf komplex, die Kunst ernst nehmend, aber sich selbst nicht zu sehr. Statt Chartplatzierungen hinterherzujagen oder sich musikalischen Trends zu beugen, bleiben sie lieber im Untergrund unter Gleichgesinnten.
Sowohl bei Shackes Nordachse als auch MCKs Tiefbasskommando wird die Zusammenarbeit durch Freundschaft statt reines Business manifestiert. Dabei zählen die Persönlichkeit und Hingabe jedes einzelnen Mitglieds, niemand ist austauschbar. Umso größer sind die Lücken, die hinterlassen werden, wenn jemand geht. Auf »Die Würfel sind gefallen« nehmen die Rapper Bezug auf den Verlust ihres Freundes und Mitglieds des Labels Nordachse Cash Group, der im Juni 2024 plötzlich verstorben ist. Es ist ein eindrucksvoller Titel, der klare Worte findet und das Selbstverständnis der beiden unterstreicht. Und wenn in der Hook die erste Line aus »Kings aus Prinzip« zitiert wird, sorgen die übereinanderliegenden Stimmgewalten von Shacke One und MC Kneipenkrieger für einen Sound, der tatsächlich messerscharf kommt.
Apropos Stimmgewalten: Als Feature-Gäste finden Kkuba102 und Rolfo ihren Platz auf dem vorletzten Track, der namensgebend für die EP ist. »Grober Unfug« löst ein akustisches Erdbeben aus und interpretiert den Sex, Drugs, Rock’n’Roll Lifestyle auf HipHop-Ebene. Samples aus Mopp Deeps »Hell on Earth« und Inspectah Decks Part auf »Above the Clouds« unterstreichen die Zusammenhänge zwischen den Genres. Den Abschluss findet die EP in »Players Club«, einem clubtauglichen Banger, dessen Miami-Bass-Beat mehr dem Hause TBK als der Nordachse entspricht. Zwei Lager, die offensichtlich großartig harmonieren. Auf Shacke Ones »10 Jahre Shacke«-Tour werden MC Kneipenkrieger und Achim Funk mit auf der Bühne stehen und ordentlich einheizen. In Wien sind sie am 2. November 2024 im The Loft zu sehen. Wir verlosen dafür 1 x 2 Karten. Einfach eine E-Mail mit deinem Namen bis 1. November 2024 an gewinnspiel@skug.at schicken. Der*die Gewinner*in wird nach Zufallsprinzip ermittelt und per E-Mail verständigt. Rechtsweg und Barablöse sind ausgeschlossen. Deine Daten werden zur Gewinnverständigung verwendet und nicht weitergegeben.