titanoboa
Titanoboa

»Seth«

a-musik

Mit »Porphyr« erschien 2021 das Debütalbum der Kölnerin Melani Wratil, die unter dem Projektnamen Titanoboa elektronische Musik macht, die, nach Sub-Genres sortiert, vor allem Anleihen an (Post-)Industrial, Dark-Ambient, Noise und Kosmischer Musik nimmt, und mit »Seth« liegt jetzt nach drei Jahren das Nachfolgealbum vor. Die Schlange hat sich gehäutet und ich verspreche, das bleibt für den Text die einzige Metapher in Hinsicht auf das namensgebende Urzeitviech. Was hat sich geändert am Sound von Titanoboa? Ich würde sagen, grundsätzlich nichts, und das ist auch gar nicht zu bedauern. Es ist im Gegenteil nicht hoch genug zu bewerten, wenn Leute stoisch (und vielleicht sogar unbeeindruckt) weitermachen, wenn sie ihr Ding durchziehen, wie man so sagt. Mögen gesellschaftliche Verhältnisse sich ändern (ohnehin zumeist nicht zum Besseren), mag die Welt sich weiterdrehen (und am Ende gar untergehen) – all das weiß auch Melani Wratil, doch richtet sie ihre Konzentration in der Auseinandersetzung und Bearbeitung nicht nach außen, sondern nach innen. So höre ich die Musik von Titanoboa jedenfalls: Eskapismus, sein Heil in fernen Klangwelten suchen. Wie ein Kind, dem alles zu viel wird, stelle ich mir Wratil vor. Sie schließt die Augen und hält sich die Ohren zu ob des weltlichen Getöses und Gebarens um sie herum und summt ihre eigenen finsteren Melodien vor sich hin. Hinzu nimmt sie eine unbestimmte Anzahl nicht näher definierter elektronischer Geräte und verschwindet so in einer dunklen aber seltsam wärmenden Gegenwelt. Im Zusammenhang von Klangerzeugung und -erfahrung als Reinigungs- und Rettungsversuch ist dann häufig von Katharsis die Rede, und eine solche Wirkung würde ich der Musik von Titanoboa nicht absprechen. In hinreichender Lautstärke genossen vermögen die überwiegend scharfkantigen Klänge wie Schleifpapier die Seele zu reinigen. Derart wiederhergestellt und gestärkt kann man sich dann auch wieder dem allgemeinen Wahnsinn aussetzen. 

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
20.09.2024

Schlagwörter

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