horros
Virta

»Horros«

Svart Records

Nostalgie ist die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die nie stattgefunden hat. Insgeheim wissen wir, dass wir Momente, die wir wehmütig herbeisehnen, nur durch Filter sehen. Nicht nur kehren Menschen Unannehmlichkeiten und Banalitäten gerne unter den Teppich, unsere Erinnerungen sind auch von medialen Darstellungen strukturiert. Rückblicke in die eigenen Teenagerjahre orientieren sich daran, wie Jugend in Filmen und Büchern erzählt wird. Zutiefst nostalgisch ist auch »Horros«, das dritte Album der finnischen Band Virta. Das Trio orientiert sich an Genres, die Anfang der 2010er-Jahre Hipstern den Latte Macchiato versüßten: Post-Rock, Shoegaze, Dark Jazz. Statt Pumpkin Spice fügt Virta Ambient Electronica hinzu. So schaffen die Helsinkiens ätherische Klanglandschaften, die jeden Wochentag zum Gloomy Sunday machen. Faszinierend ist, wie »Horros« Erinnerungen an ihre Einflüsse wachrufen – und doch völlig anders klingen. Der Song »Tunneli« etwa könnte von den Blackgaze-Klassikern Alcest geschrieben worden sein. Von der sanften, Reverb-getränkten Stimme bis hin zur nebeligen Struktur erinnert er an die Franzosen. Doch statt auf Effekt-verliebtes Gitarrenspiel setzt Virta auf einen elektroakustischen Beat. Er würde in ein Ambient-HipHop-Stück passen. Die Kompositionen entladen sich auch nicht in Crescendos, sondern in langgezogenen Trompetentönen, die Bohren & The Club of Gore alle Ehre machen würden. »Horros« klingt stets vertraut, ohne wie Vertrautes zu klingen. Ähnlich einer Vintage-Nachbildung ist es nicht frei von Gimmicks und doch qualitätsvoll hergestellt. Wer das letzte Jahrzehnt vermisst, kann guten Gewissens den nächsten Avocado-Toast mit etwas Virta aufpeppen. 

Home / Rezensionen

Text
Michael Zangerl

Veröffentlichung
24.10.2023

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