Der gelernte Jurist Johann Allacher muss ein Mann mit großem Tatendrang sein. Der in Wien geborene Ebergassinger hat nicht nur jede Menge verschiedenste Jobs hinter sich gebracht, sondern auch in diversen Bands gespielt (und tut das zum Teil noch immer), ein Niedrigenergiehaus gebaut, eine Familie mit vier Kindern gegründet und nicht zuletzt drei Kriminalromane veröffentlicht. Nach »Der Watschenmann« (2016) und »Der Knochentandler« (2018) ist »Wiener Blues« das aktuelle Opus des vielseitigen Autors und Musikers.
Rock’n’roll-Krimi
Protagonist in »Wiener Blues« ist wieder Bummelstudent Erik »Erki« Neubauer, der im Rahmen eines eher faden Praktikums im Wiener Funkhaus auf den Song »Boogie Street« von der Wiener Band Velvet Shades aus den frühen 1970er-Jahren stößt und von dem Stück begeistert ist. Der Praktikant drängt seinen Musikredakteur dazu, »Boogie Street« doch ins ansonsten auf Stromlinie getrimmte Programm (der Sender erinnert an Radio Wien) zu mogeln. Nachdem das Stück viele Reaktionen der Hörer*innen auslöst, wird Erki von Redakteur Bernie mit dem Auftrag überrumpelt, den Sänger der kurzlebigen Velvet Shades, Konrad Zauner, der sich zufällig gerade in Wien aufhält, zu interviewen. Und wieder manifestiert sich das Talent des Amateurermittlers Erki dafür, sich unverschuldet in schwierige Situationen zu manövrieren: Der schon lange in der Immobilienbranche engagierte Ex-Sänger und Frauenschwarm Konrad Zauner stürzt kurz vor dem geplanten Interview aus seinem Hotelzimmer in den Tod. Dazu kommt, dass Erki in der folgenden Nacht beinahe selbst Opfer eines dilettantischen Mordversuchs wird.
Auf rund 270 Seiten mit vielen Rückblenden in die 1970er-Jahre wird in »Wiener Blues« mit vereinten Kräften (auch Abteilungsinspektor Jerabek ermittelt wieder) versucht, den mysteriösen Fall aufzuklären. Einen weiteren abenteuerlichen Handlungsstrang bildet die Jagd nach einer alten Gibson-Les-Paul-E-Gitarre, die einmal im Besitz von Eric Clapton gewesen sein soll und mit deren Verkauf der abgehalfterte Münchner A&R Manager Frank Breuer seine Schulden bei einem Unterweltkönig begleichen möchte. Breuer wird jedoch auf der Flucht professionell liquidiert. Erkis Bilanz als Ermittler wider Willen kann sich auch sehen lassen: »Ein Song, zwei Morde, ein zweifacher Mordversuch, versuchte Erpressung und ein in Brand gestecktes Tonstudio. Nicht schlecht für den ersten Außeneinsatz unseres neuen Donauwelle-Mitarbeiters« (S. 265).
Soundtrack zum Buch
Es dürfte Allacher aber weniger um das »Whodunit« gehen als um wahrhaftige Milieuschilderungen, weil »Suspense« in »Wiener Blues« kaum eine Rolle spielt. Dafür sorgt Wiener Lokalkolorit nicht zu knapp (einige Schauplätze befinden sich an der Wiener Peripherie) mit einer gehörigen Portion durchaus auch subtilem Wiener Schmäh für beste Unterhaltung. Es hätte gern noch mehr Wienerisches sein dürfen, möglicherweise wäre das aber mit Blick auf den deutschen Buchmarkt nicht opportun gewesen. Unaufdringlich flicht der Autor auch einiges an Spezialwissen des Musikfreaks ein (Allacher soll eine enorm große Vinylsammlung besitzen) sowie Songzitate von Jimi Hendrix über die Eagles bis zu – no na – den Velvet Shades. Diese hat es selbstverständlich nie gegeben, weshalb Allacher den funky Song »Boogie Street« kurzerhand selbst geschrieben und mit befreundeten Musikern in einem Studio im Wiener Funkhaus eingespielt hat.
Bei dem Song handelt es sich um einen funky Rocksong (kaum verwundernd im Stil der Seventies), der doch sehr schablonenhaft daherkommt und bei dem nicht ganz klar ist, ob es sich um ein bewusstes Reenactment (oder eine Soundcollage aus diversen Stücken) eines so ähnlich schon bestehenden Songs handelt. Wie auch immer, es wäre Allacher mit seinem leiwanden Schmäh durchaus zuzutrauen. Die Idee, den Song zum Kriminalroman selbst beizusteuern ist auch marketingtechnisch schlau, ist dieser doch auf vielen Kanälen im Netz abrufbar und soll sogar von Radio Wien gespielt werden. Außerdem ist »Boogie Street« in einer streng limitierten CD-Version käuflich zu erwerben. An die Kurt-Ostbahn-Krimis von Günter Brödl reicht »Wiener Blues« – auch wegen der teils etwas blassen Charakterzeichnungen – zwar nicht ganz heran, ein amüsantes Lesevergnügen, ja ein richtiger Pageturner nicht nur für Popfreaks, die sich für die Seventies interessieren, ist es allemal.
Links:
https://www.johann-allacher.at/
https://www.emons-verlag.com/programm/wiener-blues