© Kathi Arnecke
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Wählst du noch oder lebst du schon?

skug unterstützt die Pass-Egal-Wahl am 24. September 2019 und wird die Wahlergebnisse beim Salon skug BAM! Wahlspecial präsentieren. Ein paar Anmerkungen dazu, warum die freie Wahl in Österreich gar nicht so frei ist. Aktuelle Schikanen belegen dies.

Kein Wahlrecht ist befriedigend. Jede bekannte Form des Wählens arbeitet mit bestimmten Ausschließungen. Zwar wurden die krass ungerechten Formen, wie etwa das Zensuswahlrecht, bei dem das Stimmgewicht vom finanziellen Vermögen abhängig war, überwunden, aber ganz frei und gerecht geht es auch heute nicht zu. Überall herrscht eine gewisse Schläue, die die freie Wahl einschränkt und gegen die – angeblich – nichts gemacht werden kann. Wir bieten einen kleinen Überblick.

Geld
Ähem, das Geld wählt natürlich mit, denn Parteien brauchen Öffentlichkeit und die kann man sich kaufen. In den USA werden im Wahlkampf Milliardenspenden den Parteien überreicht oder indirekt durch Super-PACs in die politische Landschaftspflege investiert. Die Lobbygruppen machen – ausgestattet mit nahezu unbegrenzten Mitteln – Stimmung in die eine oder andere Richtung. Österreich wird regelmäßig von meist nicht mehr ganz jungen Oligarch*innen gebeutelt, die sich Parteien und Abgeordnete schamlos zusammenkaufen und periodisch neue, meist mehr oder minder krass wirtschaftsliberale Parteien initiieren. Außerdem lässt man die Drehtür rotieren und platziert Leute aus den eigenen Unternehmen in den Parlamenten bzw. übernimmt altgediente Politiker*innen in den Vorstand. Die »normalen« Wahlbürger*innen haben diese Möglichkeiten nicht, sie können sich auch nicht mittels Spenden an den Dinner-Tisch im Kanzleramt reklamieren. Leider sind in einer Mediendemokratie die Parteien dem Einfluss des Geldes stark unterworfen.

Arithmetik
Die Berechnung der Sitze in einem Parlament ist ein Hund. Jedes der bekannten Wahlsysteme hat schwerwiegende Nachteile. Die ganze britische Brexit-Misere ist ohne das »The winner takes it all«-Prinzip nicht denkbar. In GB werden in den einzelnen Wahlkreisen Kandidaten gewählt und schaffen damit eine hohe Responsibility, worauf alle nicht zu Unrecht pochen. Nur, nicht selten hat die Mehrheit in der Constituency für die Fisch’ gewählt, denn die zweit- und drittplatzierten Kandidat*innen gehen leer aus. Dies führt zu viel Taktieren und verhindert die Wahl einer Partei aufgrund ihres Programms. Denn nur wer die Chance hat, den Wahlkreis zu gewinnen, zählt. In Frankreich wird dies durch den zweiten Wahlgang gemildert, der die Kandidat*innen zu Koalitionen zwingt, aber auch sind eigentlich nur koalitionswillige Parteien wählbar, neben denen die aus eigener Kraft gewinnen können. In Österreich und Deutschland soll dies durch Verhältniswahl behoben werden. Der Ausschluss ist aber nur ein anderer. Denn es sind die Parteien, die die Wahlprogramme und Wahllisten erstellen, worauf die Bürger*innen keinen Einfluss haben. Sie müssen wählen, was dort eingetragen ist. Außerdem gibt es Sperrklauseln. Wer sich also mit Programmen von Parteien identifiziert, die die Mindesthürde nicht erfüllen, hat ebenso für die Fisch’ gewählt. Die Wahlsysteme machen auf die eine oder andere Weise unmissverständlich klar: Wählt das, was angeboten wird, und aus ist! Für eine Repräsentation aller derer, die gewählt haben, wurde noch kein Modell entwickelt. Es ist auch schwierig, von Parteien zu erwarten, sie würden danach suchen, wenn sie in den bestehenden Systemen erfolgreich waren, und andere kann es nicht geben, weil das System diese verhindert. Ein Zirkelschluss, der alle außerhalb des etablierten Wahlsystems außerhalb bleiben lässt.

Ausschluss durch Herkunft
Der offenkundigste und himmelschreiende Ausschlussgrund liegt aber in der Knüpfung des Wahlrechts an die Nationalität. Wahlrecht kann in Österreich nur von jenen Menschen ausgeübt werden, die den passenden Pass haben. Die Argumentation dafür ist weitgehend absurd, wird aber heute kaum hinterfragt. Warum sollen Menschen, die sich am gesellschaftlichen Leben in Österreich in jeder Beziehung beteiligen, nicht wählen dürfen? Die Leute leisten Erwerbsarbeit, zahlen Steuern und unterliegen dem gesamten Straf- und Verwaltungsrecht. Sie bauen auf und putzen mit und sie genießen natürlich auch ihr Leben in diesem Land, nur politisch mitbestimmen dürfen sie nix. Selbst wenn sie seit Jahrzehnten im Land leben und vielleicht sogar bedeutende gesellschaftliche Aufgaben in führender Position übernehmen. Worin soll der Vorteil liegen? Sorgt man sich nicht ständig wortreich über »Parallelgesellschaften« und verdächtigt man die »Fremden« nicht, sie wollten sich nicht »integrieren«? Jeden Wahltag müssen sie mit ansehen, dass über sie bestimmt wird. Die bei jeder Wahl aufgetischten Werbekampagnen »Deine Stimme zählt« oder »Ohne dich geht nix« wirken wohlfeil und hohl, weil sie vergessen zu sagen: Natürlich zählen nur unsere Österreicher*innen. Ätschibätsch, geht’s doch heim, wenn’s euch hier nicht passt!

Pass-Egal-Wahl
Die Schwierigkeiten der nur in Teilen freien und gleichen Wahl sind somit schwerwiegend. Dem größten Schmarrn versucht sich die Pass-Egal-Wahl entgegenzuwerfen und lässt an zahlreichen Orten in Österreich alle wählen, die hier leben. Damit soll am 24. September 2019 den über einer Million Menschen, die in Österreich mitarbeiten, Steuern zahlen und allen Gesetzen unterliegen, aber trotzdem nicht wählen dürfen, Sichtbarkeit verschafft werden. skug unterstützt dies und empfiehlt allen Betroffenen die Teilnahme. Das Ergebnis der Wahl (und damit die wahren Wahlergebnisse), präsentieren wir am Tag der Nationalratswahl, dem 29. September 2019 beim BAM! Wahlspecial im Wiener Fluc. Unbedingt am Dienstag teilnehmen und am Sonntag vorbeischauen!

Breaking News: Das Innenministerium verweigert dem Team der Pass-Egal-Wahl die Zufahrt für den Auf- und Abbau der Wahlkabinen am 24. September auf den Wiener Minoritenplatz. Grund hierfür sollen »Sicherheitsbedenken« des Verfassungsschutzes sein, für die allerdings – laut SOS Mitmensch – keine Belege angeführt werden. Das Zufahrtsverbot kann somit füglich als Schikane bezeichnet werden. Die Wahl findet trotzdem statt, an 14 Orten in Österreich und auch am Minoritenplatz. Wer glaubt Kritik an den verschiedenen Ausschlussmaßnahmen des österreichischen Wahlrechts sei Herumreiten auf Lappalien, sieht sich eines Besseren belehrt. Eine kritische Öffentlichkeit darf den (übereifrigen?) Mitarbeiter*innen des Innenministeriums dafür dankbar sein. Sie führen vor Augen, dass auch ein etabliertes System dauernd mit kleinen Nadelstichen an der Aufrechterhaltung seiner Macht arbeiten muss.

Die Wahllokale befinden sich hier:

  • Wien: Minoritenplatz, 1010 Wien, 15:00–20:00 Uhr
  • Graz: Mariahilferplatz, 8020 Graz, 15:00—19:00 Uhr. Veranstalter: ZEBRA
  • Innsbruck: Maria-Theresien-Straße, 6020 Innsbruck, 15:00–19:00 Uhr. Veranstalter: Plattform Asyl
  • Linz: Martin-Luther-Platz, 4020 Linz, 15:00–19:00 Uhr. Veranstalter: migrare, arcobaleno, SOS Menschenrechte
  • Salzburg: Rainerstraße 27, 1. Stock, 5020 Salzburg, 9:00–18:00 Uhr. Veranstalter: Verein Viele
  • Klagenfurt: Südbahngürtel 24, 1. Stock (Volkshaus), 9020 Klagenfurt, 16:00–20:00 Uhr. Veranstalter: VOBIS
  • St. Pölten: Frauenplatz 1/Steingöttersaal, 3100 St. Pölten, 15:00–19:00 Uhr. Veranstalter: Guarantee on Tomorrow
  • Bregenz: Römerstraße 12, 6900 Bregenz, 16:00–20:00 Uhr. Veranstalter: VINDEX – Schutz und Asyl
  • Bludenz: Jellerstraße 16, 6700 Bludenz, 16:00–20:00 Uhr. Veranstalter: Villa K.
  • Feldkirch: Mühletorplatz 10, 6800 Feldkirch, 16:00–20:00 Uhr. Veranstalter: Wexelstube
  • Dornbirn: Frühlingsstraße 11, 6850 Dornbirn, 16:00–20:00 Uhr. Veranstalter: Die Faehre
  • Oberwart: Prinz-Eugen-Straße 12, 7400 Oberwart, 11:00–14:00 Uhr. Veranstalter: Verein Frauen für Frauen Burgenland
  • Güssing: Marktplatz 9/4, 7540 Güssing, 11:00–15:00 Uhr. Veranstalter: Verein Frauen für Frauen Burgenland
  • Pinkafeld: tea2stay, Rathausplatz 6, 7423 Pinkafeld, 14:00–18:00 Uhr. Veranstalter: BIP – Begegnung in Pinkafeld
  • Pottendorf: Hauptplatz, 16:00–20:00 Uhr

In den Tagen vor der Pass-Egal-Wahl sind in den Wiener Bezirken außerdem zwei mobile Wahlkabinen des Kollektivs wahlmobil unterwegs und für alle, die es am 24. September 2019 nicht schaffen, gibt es die Möglichkeit zur Briefwahl.

Link: https://www.sosmitmensch.at/save-the-date-pass-egal-wahl-2019

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