Um Luzifer zu huldigen, braucht es nicht zwingend stark verzerrte Gitarren und infernalisches Gebrüll. Mit »He Is«, erschienen auf dem Vorgängeralbum »Meliora«, schrieben Ghost und allen voran natürlich Songwriter und Mastermind Tobias Forge dem gehörnten Lichtträger eine glanzvolle Mitsinghymne auf den feurigen Leib. Vor Pathos und wunderlich-schönen Popmelodien schreckten Forge und seine lediglich jeweils namenlos Ghoul genannten Mitmusikanten dabei nicht zurück. Schließlich mag man ABBA genauso gerne wie die Hölle und hat schwülstige Synthie-Flächen ebenso lieb wie bratzige Riffs aus den späten 1970ern und frühen 1980ern.
Auf »Prequelle« wird dieser Weg fortgesetzt. Die Vorab-Single »Rats« bedient sich schamlos beim frühen Ozzy Osbourne und gerät, zumindest was die Riffs betrifft, zur Randy-Rhoads-Gedenkveranstaltung. Ein gekeiftes »Rats« im Refrain des Songs und Aaah-whoah-Chöre bei ebendiesem reichen dann auch schon aus, um das dunkle Herz des Okkult-Rockers zum Schmelzen zu bringen. Spätestens, wenn im Anschluss die gedoppelten Lead-Gitarren einsetzen, weiß man, dass auch bei den früheren Metallica gefladert wurde. Doch damit nicht genug. Offenbar hat man auch von der gemeinsamen Tour mit dem 1980er-Apologeten und Elektro-Spinner Carpenter Brut so einiges mitgenommen. Mehr Kitsch, mehr Ironie und mehr Trash war bei Ghost nämlich noch nie zu hören. Die ironische Ebene wird aber mit einer solch bierernsten Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit durchdekliniert und ausmusiziert, dass man stellenweise ins Zweifeln kommt, ob die ironische Leseweise wirklich der richtige Zugang ist.
Warum auch sollten sich Ghost die Mühe machen, einen Pop-Brecher wie »Pro Memoria« zu komponieren, der dem geliebten Höllenfürsten abermals einen glanzvollen Auftritt verschafft, wenn alles nur rein der Jux-Ironie dienen würde? Gute Frage. Man weiß es auch nach mehrmaligem Hören nicht wirklich. Die Funktion dieser doppelten Böden, die womöglich entweder gar nicht vorhanden sind oder eben sogar noch unterschätzt werden, da sie auch gut und gerne in Dreifachausführung frei Haus geliefert werden, ist aber schnell begriffen. Es geht um die ständige Grenzüberschreitung. Ist der Ruf als vermeintliche Metal-Band erst ruiniert, und die teils wütenden Kommentare von Metal-Puristen auf YouTube weisen in diese Richtung, musiziert es sich völlig ungeniert. Überreste von glorreichen Metal-Riffs finden sich auf »Prequelle« ebenso wie Saxophon-Soli oder Prog-Elemente. Unterfüttert wird das oftmals mit Gesangsmelodien, die auch Benny Andersson & Co. hätten einfallen können.
Lässt man sich auf die Ghost-Welt ein, und damit ist nicht die etwas käsig geratene Satansverehrung gemeint, dann kann man mit dem aktuellen Geistwerk höllisch viel Spaß haben. Denkbar, dass damit auch schon die Sommerplatte dieses Jahres gefunden ist. Denn entgegen aller textlichen Codes ist das Album nichts für abgedunkelte Zimmer mit umgedrehten Kreuzen, in denen das Tieropfer des Vortages langsam vor sich hin verwest. Es ist vielmehr eine Platte, die man bei Sonnenschein im Auto mit heruntergelassenen Fensterscheiben in voller Lautstärke hören und sich dabei seines Lebens freuen sollte. Diese Rezeptionsweise ist höchstwahrscheinlich nicht von Ghost intendiert und ursprünglich angelegt. Aber letzten Endes hat jede Musik, die auf Erwartungshaltungen pfeift und sich von Genre-Einengungen freigemacht hat, etwas Befreiendes und Lebensbejahendes. Darauf ein dreifaches Hail Lucifer!