Wenn ich vor der Herausforderung stehe, mir auf Reisen oder zu anderen Anlässen ein belegtes Käsebrötchen kaufen zu müssen, dann blicke ich immer sehr skeptisch auf den ganzen Unrat zwischen den beiden Brötchenhälften, der sich zusätzlich zu dem Käse da noch auftürmt: Salat, Tomaten- und Gurkenscheiben, mitunter Kresse! – und ich frage mich, was das eigentlich soll? Wenn ich Salat will, bestelle ich Salat, und auf ein Käsebrötchen gehört in meiner Wahrnehmung außer Käse höchstens noch ein wenig Butter (bitte keine Remoulade). Das schicke ich voraus, um meine grundsätzliche Einstellung gegenüber »raffinierten kulinarischen Ideen« in Analogie zum »erfrischenden Stilmix« in Musikproduktionen zum Ausdruck zu bringen. So was kommt mir in der Regel nicht auf den (Platten-)Teller. Im Falle von Zements neuem Album »Passagen« liegt mir aber genau so etwas vor. Das Krautrock-Duo aus Nürnberg, üblicherweise mit Schlagzeug und Gitarre nebst Elektronik unterwegs, zeichnet sich schon immer durch eine gewisse Freude am musikalischen Experiment aus, aber in der Vergangenheit blieben sie doch eher bei ihren Leisten und in historischer Nachfolge zum motorischen, beat-getriebenen Krautrock a la NEU! Aber in dieser musikalischen Nische wurde es den Franken scheinbar zu eng, und mit »Passagen« strengen sie sich an, ihren Wirkungskreis zu erweitern, um sich so ein Publikum jenseits der Nische zu erspielen. Im Grund ist daran nichts verkehrt. Wie viele Platten kann man nach einem bestimmten Formular machen, ohne sich selbst und damit über kurz oder lang sein Publikum zu langweilen? Eben. Aber, und jetzt kommt’s: Ich gehöre zu der Minderheit, die es mit der sogenannten Abwechslung oder »Neuerfindung von Bands«, wie es dann gern branchenüblich heißt, nicht so hat bzw. mit Blick auf Konsumgüter bin ich für geordnetes Nacheinander. Ich lege mir durchaus nach NEU! eine Gang of Four oder Talking Heads auf und anschließend ggf. noch Pharoah Sanders, warum nicht? Ich tue mich aber schwer mit jedem »erfrischenden Stilmix« aus diesen oder anderen möglichen Zutaten. Ich weiß, ich stehe mit dieser Wahrnehmung eher alleine da, und die Pedanterie, die ich hier zum Ausdruck bringe, ist streng genommen gar nicht durchzuhalten oder gar stichhaltig zu begründen. Musik als Tradition und Kultur lebt schon immer von der Kreuzbestäubung, insofern bringe ich hier nur ein rhetorisch verbrämtes, subjektives Unbehagen, eine neurotische Schrulle vor. Aber so sehr ich die ambitionierte Vorgehensweise von Zement, die Öffnung des musikalischen Horizontes, nachvollziehen kann und in der Ausführung auch gelungen finde, so wenig habe ich ein Verlangen danach, mir »Passagen« wiederholt anzuhören. Das liegt nicht an der Musik. Das liegt an mir. Paradox: Deshalb waren Zement nicht »früher besser«, im Gegenteil. »Passagen« ist ganz sicher das ausgereifteste der bisher vier Studioalben des Duos, gar keine Frage, und sollte die Rechnung aufgehen und mit der stilistischen Auffrischung eine größere Reichweite für die Band einhergehen, dann werde ich sie zu diesem Erfolg auch bei nächster Gelegenheit beglückwünschen. So, und jetzt mache ich mir erstmal ein Brötchen, nur mit Butter und Käse drauf.

Zement
»Passagen«
Crazysane

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