Endless Wellness © Franziska Barcsay
Endless Wellness © Franziska Barcsay

Waren das die best days of our lives?

Endless Wellness spielten im Jahr 2023 einige ausgezeichnete Konzerte und veröffentlichen wunderbare Songs. Der Hype um das Debütalbum »Was für ein Glück« ist dementsprechend groß, kann es den hohen Erwartungen standhalten?

Die Wiener Band Endless Wellness kam 2023 eigentlich aus dem Nichts. Sänger und Gitarrist Philipp Auer war früher Schauspieler und kannte Bassistin Milena Klien aus Salzburg, wo sie schon in ihrer Jugend in einer Band spielten. Adele Ischia, die Leadgitarristin, lernten die beiden im Rockhaus in Salzburg kennen, genauso wie Hjörtur Hjörleifsson, der die Keys spielt und vermutlich einigen durch seine frühere Tätigkeit als eine Hälfte des Duos Oehl bekannt sein wird.

Und dann kam im Mai 2023 die erste Single »Hand im Gesicht« und erzeugte einen absolut berechtigten Hype. Der Song hat die Kernelemente der Band in sich: mal schnelle Passagen, dann wieder langsame, mal laut, dann wieder leise. Die Stimme von Auer, die immer alles gibt und kurz vor dem Kollaps steht und den gewitzten, intimen und intelligenten Text mit popkulturellen Anspielungen spickt, sowie Akustikgitarre, Organ, E-Gitarren und hochenergetischen Drums. 

Darauf folgten im Laufe des Jahres noch die Singles »Kinder«, »Schöne Dinge« und »Danke für Alles« und einige wenige Konzerte, unter anderem am Popfest und beim Waves Festival und zuletzt auch als Support-Act bei Buntspecht. Live überzeugt die Band mit starker Energie, sympathischer Moderation, tanz- und mitsingbarer Musik und natürlich emotionalen Songs.

Ich weiß jetzt endlich wo ich sein mag

Kann nun das Album »Was für ein Glück« dem Hype gerecht werden? Der Opener »Donnerwetterblitz« beginnt sanft, nur mit Gesang und Akustikgitarre, und baut zum Ende hin immer mehr auf, mit Fuzz E-Gitarre. Der Text erzählt vom Angekommensein. 

Ich weiß jetzt endlich wo ich sein mag
Und das hat jedes Geschlecht
und heißt wie es genannt werden mag
Shayan Maya Luca Ruprecht

Ich weiß jetzt endlich wo ich sein mag
Und das hat keine Nation
Keinen Gott und keinen Bausparvertrag
Keine Resignation

Der Song »Vom Hals bis zum Steiß« ist einer der lautesten und besten Momente auf dem Album. Von Anfang an spielen E- und Akustikgitarren im schnellen Dreivierteltakt laut gemeinsam mit vollen Drums und Synths. Musikalisch erinnert dieser Song, aber auch der generelle Sound der Band, mit seinen übersteuerten Westerngitarren und gepressten Vocals an die legendäre amerikanische Indie-Rock-Band Neutral Milk Hotel. 

Und dein Nabel
Führt in deinen Bauch hinein
Als ob jemand zieht
Und zieht und zieht und zieht

Ich möchte kein Eisbär sein

Die beste Nummer auf dem Album ist wohl der Track »Danke für Alles«. Mit cleveren Zitaten aus alten Songs, wie zum Beispiel der Line »Ich möchte kein Eisbär sein / Ich möchte eine Zukunft« aus dem Song »Eisbär« von Grauzone oder dem Refrain »Wir haben heute nix versäumt / Das warn die Eltern« aus Nenas »Nur geträumt«, schafft die Band einen großartigen, wütenden Song zur Klimakatastrophe und über die Untätigkeit der älteren Generationen sowie das Gefühl von Machtlosigkeit angesichts dieser Thematik. Besonders schlagend ist ein weiteres geborgtes Fast-Zitat von Bryan Adams’ »Summer of ’69«:

Drivin’ in your mama’s Porsche
You told me this would last forever
Waren das die best days of our lives?

Etwas ruhiger geht es auf »Hab nicht so« weiter. Im Intro ist eine Pedalsteel-Gitarre zu hören, die von einer Drum Machine abgeholt wird. Die Lyrics von Philipp Auer spenden den Hörenden tröstende Worte in Situationen, in denen man unzufrieden mit sich selbst ist. Zum Ende hin wird’s doch wieder etwas lauter und dicker im Sound, um danach wieder ruhig und innig auszuklingen.

Hör mal auf, dir so leid zu tun
Manchmal tuts halt scheiße weh
Aber die Einsamkeit braucht auch amal an Zeitausgleich
Und wennst nicht reden magst, dann tanz ma halt bis spät
Ja, weil die Einsamkeit braucht auch amal an Zeitausgleich
Und wennst nicht reden magst, dann tanz ma halt bis spät

Der Album-Closer »200 Grad« ist ein bittersüßer Abschied von den Hörenden. Der Track klingt wie so oft etwas grantig, aber dennoch zugänglich sanft und intim. Zum Ende bekommen wir noch ein paar wunderschöne Lalalas mit auf den Weg, die mitzusingen bei einem Live-Konzert sicher viel Spaß macht. 

Ich will mich anfassen lassen
Bis ich rau bin wie Schleifpapier
Vielleicht hab ich dann genug gespürt

Gekommen, um zu bleiben

Also werden Endless Wellness dem Hype um sie gerecht? Auf jeden Fall! Sie beweisen, dass sie einen Sound haben, den es so im deutschen Sprachraum kein zweites Mal gibt. Die Musik ist oft laut, kraftvoll und übersteuert und dann auch wieder gefühlvoll, berührend und traurig, mit Coming-of-age-Vibe. Die Texte der Band haben eine humoristische, kritische und lyrische Qualität, sodass man sie fast mit Element of Crime oder Isolation Berlin vergleichen kann, nur mit sympathischem österreichischem Dialekt. Die Themen der Songs sprechen die Probleme der Gegenwart auf eine authentische und nahbare Weise an, die die Zuhörenden zum Nachdenken anregt. Endless Wellness ist genau das, was wir gerade brauchen, und sie sind gekommen, um zu bleiben. Live zu sehen ist die Band demnächst bei mehreren Terminen in Österreich und Deutschland, etwa beim FM4 Geburtstagsfest am 27. Jänner und im Porgy & Bess am 9. April.

Link: https://inkmusic.at/artist/endless-wellness/ 

Home / Musik / Artikel

Text
Adrian Malliga

Veröffentlichung
25.01.2024

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