Mit ihrem neuen Album positionieren sich die norddeutschen Verheerer als antifaschistische Black-Metal-Band. Ihr drittes Album will erinnern an jene, die sich in der Vergangenheit und im Widerstand gegen faschistische Tendenzen und Regime erhoben und ihr Leben gegeben haben. Als mahnende Geste versteht sich diese thematische Ausrichtung natürlich als Kommentar zur sich (auch) in dieser Hinsicht verfinsternden gesellschaftlichen Gegenwart. Um kurz einen Schritt zurückzugehen – Black Metal und Politik: Willkommen im Wespennest. Verheerer stehen im Zusammenhang mit dem, was in Deutschland (mithin verunglimpfend) »AZ-Black-Metal« genannt wird. Aus klassisch links apostrophierten Subkulturen (Punk, Hardcore etc.) und entsprechenden Szenen und Orten heraus entstanden Ende der 2000er-Jahre (nicht selten unter dem Eindruck des Erfolgs des US-amerikanischen Black Metal von Bands wie Krallice oder Wolves in the Throne Room) Bands wie Ultha, Unru, Sun Worship und viele mehr, die Black Metal spielen, der (auch mit Blick über den Tellerrand) auf dem rechten Auge nicht blind ist. Die Szene-intern hier und da wahrnehmbare Krakeelerei nach Musik als »unpolitischer Ausdrucksform« ist ihnen zu Recht verdächtig, denn sie wissen nicht nur um die historischen Ursprünge des Genres und die damit einhergehenden Ereignisse, sondern sie haben dazu auch eine klare Haltung. Die lässt sich kurz und bündig in etwa so zusammenfassen: »Filosofem«, wichtige Platte, Varg Vikernes, »Arschloch«. Ich will hier nicht die Debatte um die Trennung von Künstler und Werk aufmachen. Es ist unbestreitbar, dass bestimmte Alben für die stilistische Entwicklung dessen, was Black Metal genannt wird, (mit) entscheidend waren. Das heißt nicht, dass ich nicht auch deutlich ablehnende Worte für den Lebensweg und die damit zum Ausdruck kommende Haltung eines Urhebers dieser Musik haben kann oder sollte. Zur Kenntnis genommen hat man aber den musikalischen Output der »Lords of Chaos«, wenn man sich für das Genre interessiert, ganz einfach, weil man seine Hausaufgaben gemacht hat, bevor man selbst zum Leistungstest antritt.
Also, zurück zu Verheerer. Eine antifaschistische Haltung ist das eine, sich thematisch solcher Inhalte dezidiert annehmen, das andere. Bisher präsentierten sich Verheerer eher allgemeineren und Genre-typischen Themen des Okkulten, Opaken und Obskuren zugewandt – ungefährlichere Fahrwasser, wenn man so will. Jetzt, wie eingangs betont, positionieren sie sich auch durch ihren ästhetischen Ausdruck deutlich. Frappierend ist in diesem Zusammenhang die inhaltliche Nähe zu den gleichermaßen gehypten wie verhassten Kanonenfieber, einem Bamberger Black-Metal-Projekt, dem national wie international große Aufmerksamkeit zukommt: Den einen ist der ganze Ansatz zu gymnasial, nicht »trve« genug oder – ganz blöd gesagt – zu »links-versifft«, den anderen entgeht nicht, dass die Band konzeptionell wie musikalisch keine halben Sachen macht und überzeugen kann. Um es zuzuspitzen: Wo sich die Edgelords und Vertreter*innen der reinen Lehre an der Behauptung »Black Metal ist Krieg« festhalten, stehen Gegenentwürfe prinzipiell immer noch unter Verdacht. Man sieht, es ist ein umkämpftes (sic!) Feld. Wo stehen da Verheerer? Musikalisch gehen sie rotziger und räudiger zur Sache als die mitunter sehr melodischen Kanonenfieber. Hier kommt, meine ich, ein gewisser Punkrock-Einfluss zum Ausdruck, wie er in der Vergangenheit Bands wie Fäulnis kennzeichnete. Es wird mit der Faust auf den Tisch gehauen und sich ausgekotzt, wenn man so will. Das entbehrt nicht einer gewissen Nachdenklichkeit und Melancholie, die auf »Urgewalt« wiederholt durch gesprochene Passagen (als Zwischenspiel oder eingelagert in die Songs) zum Ausdruck kommen. Eine solche momentweise Verdeutlichung des konzeptionellen Anliegens kann als störend wahrgenommen werden, denn der musikalische Vortrag wird unterbrochen, die Band hält inne und nimmt die Instrumente herunter, durchbricht die vierte Wand, richtet sich gewissermaßen direkt an ihr Publikum und spricht. Hier kann der Vorwurf des Gymnasialen, der belehrenden Geste greifen. Andererseits: Im Sinne der stilistisch vielfältigen Ausgestaltung eines dramaturgischen Bogens mag es zulässig sein. Ob also die immersive Erfahrung der Musik durch diese ästhetische Strategie unterbrochen oder intensiviert wird – das bleibt ein schmaler Grat. Für »Urgewalt« entscheide ich für dieses Mal, durchzuwinken, aber Obacht, in Zukunft nicht übertreiben damit! Ich checke auch ohne zwischendurch aufgesagte Gedichte, was die Band von mir will, und stimme ihrem Anliegen auch zu. Insgesamt hinterlassen Verheerer mit ihrem dritten Album einen starken Eindruck, und ich nehme an, dass es ob der inhaltlichen Ausrichtung des Albums immer noch szeneinterne Debatten geben wird. Formal ästhetisch betrachtet mag das für fünf Minuten noch unterhaltsam sein, denn die Tradition des Genres ist misanthropisch grundiert, aber jenseits dieser stilgeschichtlichen Perspektiven und Widersprüche ist die antifaschistische und in diesem Sinne menschenfreundliche Orientierung von »Urgewalt« nur zu begrüßen.











