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Trump is a Chump

Es war wieder Super Bowl Halftime Show und skug muss sich in seiner Halbzeitkolumne damit abfinden, dass schlimme Befürchtungen wahr wurden: Die US-Unterhaltungsindustrie ist fest im Klammergriff kleiner oranger Hände.

Schaut man sich die Super Bowl Halftime Show an, die in der Halbzeitpause des Finales der National Football Ligue (NFL) alljährlich die größten Stars des US-Musikbusiness versammelt, dann lässt sich unmöglich sagen, wo die Werbeeinspielung endet und die Kunst beginnt. Das ist längst alles eins geworden. Gerade der HipHop war allerdings gut darin, die verlorenen »Glaubensmächte« der Kunst mit etwas anderem zu ersetzen. Es geht weniger um Werk und Wirkung als um Gefolgschaft. Die Aura (was immer das gewesen sein mag) wird ersetzt durch die – amerikanisch – »Posse«, also die eigenen Follower, und deren Anzahl muss einfach möglichst groß sein. Darin misst sich quantitativ der Erfolg und so ist das Music Biz auch ein bisschen wie sportlicher Wettbewerb. In den Worten Kendrick Lamars: »You may rick the game but you can’t fake influence.« Damit sagt der Pulitzer-Preis-Gewinner in etwa, man könne zwar das Spiel manipulieren, aber nicht die Wirkung auf die Masse imitieren. Die ist echt. Wenn die Abstimmung mit den Füßen das entscheidende ist, dann kann vielleicht die gemessen an den Zuschauer*innenzahlen größte Show der Vereinigten Staaten zeigen, wer gerade den größten Zulauf genießt. 

Ein wenig verzweifelt erscheint zu Beginn der Show Samuel L. Jackson als »Uncle Sam« verkleidet und schwingt sich zum Hüter amerikanischer Werte auf. Jackson spielt gegenüber dem Top-Act Kendrick Lamar den Lehrmeister des Volkswillens: Was will das Publikum sehen, Kendrick? Erwartet es sich am Ende kritische Töne zur Lage oder einfach nur eine geile Show? 

Beef gefällig?

Leider ist es im Moment unmöglich, über Kendrick Lamar zu berichten, ohne auf dessen Streit mit dem kanadischen Rapper Drake einzugehen, und an der Stelle wird es schnell sehr, sehr kompliziert. In aller Kürze: Drake und Lamar sind die Hans Peter Doskozil und Norbert Hofer von Amerika. Zwei Männer, die stets betonten, wie gern sie sich grundsätzlich haben und wie professionell sie miteinander arbeiten können, nur um sich dann über die Medien Nettigkeiten auszurichten, die teilweise strafrechtlich relevant sind. In der Burgenlandversion geht es da um das Aufstellen eines Zaunes auf dem eigenen Grundstück, der von Parteigeldern und somit illegal über Steuern finanziert wurde (»macht man nicht«). Während die Streithanseln Dosko und Hofer allerdings lediglich die selten sinnvoll einzusetzende Kunstform des betroffenen Schauens beherrschen, sind Drake und Lamar begabte Musiker. 

Menschen die ihr ganzes Leben lang über eine funktionierende Gesundheitsversicherung verfügen durften, sollten die ganzen Szenezusammenhänge gar nicht erst zu erklären versuchen. Die Hintergründe werden gut und unterhaltsam in diesem Video zusammengefasst. Fakt ist, seit der Streit eskalierte, veröffentlichen die beiden Kontrahenten (aus den USA nicht aus dem Burgenland) teilweise im Stundentakt sogenannte Diss Tracks übereinander. Das machen sie – wohl auch wegen der ganzen sehr versierten Produktionsteams, die ihnen zur Verfügung stehen – auf erstaunlich hohem Niveau. Die Super Bowl Halftime Show, in der Kendrick Lamar Drake einiges »mitgegeben« hat, gelten als klarer Punktsieg für Lamar, nur leider geht es beim größten Fernsehereignis der USA viel mehr um den großen weißen (oder eher orangen) Mann, der über allem schwebt.

Sind die Cultural Wars entschieden?

In diesen Tagen ist Donald Trump im Weißen Haus manchmal mit einem FIFA-Weltmeisterschaftspokal zu sehen. Das Ding ist nicht echt, aber glänzt so schön golden und passt somit perfekt zu diesem Präsidenten. In seiner Amtszeit wird die Fußball-WM auf US-Boden stattfinden und darauf freut sich Trump riesig. Nicht weil ihn Fußball oder Sport auch nur im mindestens interessiert, sondern weil er sich mit großen Events inszenieren kann. Deshalb ist er nun auch der erste US-Präsident im Amt, der bei einem Super Bowl auftaucht. Sein Auftritt wurde zugegebenermaßen von Teilen des Publikums bejubelt, während seine Nemesis Taylor Swift (Zitat Trump: »I HATE TAYLOR SWIFT«) angeblich ausgebuht wurde. Nun, ihr Lebensgefährte Travis Kelce spielt in einem der beiden Finalteams, natürlich wird sie deshalb vom halben Stadion ausgebuht. Dennoch scheint es gegenüber dem Beginn von Trumps letzter Amtszeit, als sich noch die Massen auf der Straße gegen ihn versammelten, ein wenig so, als habe der Präsident den Kampf um die Herzen weitgehend gewonnen. Ist der Cultural War zwischen linken, progressiven »Woken« einerseits und den Konservativen andererseits damit entschieden? Niederlage zu Beginn der zweiten Halbzeit?

Dieser Kampf wurde meist in den Medien ziemlich oberflächlich geführt und skug macht gerne bei den Oberflächlichkeiten mit. Schon 2017 hieß es: Trump is winning. Gemeinsam mit der Unterhaltungsindustrie arbeitet man sich so an Trumps Blöd- und Gemeinheiten ab und muss mitansehen, dass es immer schlimmer wird. Notiz fürs nächste Jahr: Nicht mehr behaupten, die Katastrophe sei perfekt, denn 2018 war eigentlich doch noch ganz harmlos. Dieses Jahr muss festhalten werden: Der Tanz, den Trump in seinem Wahlkampf 2024 aufführte, bei dem es laut dem Comedian Bill Maher so aussieht, als ob »he’s jerking off two guys at once«, wird immer populärer. Trump lässt hierbei seine zwei Fäuste in Brusthöhe hin- und herwischen und dies findet unter NFL-Sportlern bereits zahlreiche Nachahmer. Ob sich die Stars dabei über Trumps geringes Bewegungstalent lustig machen oder ob sie ihre Verbundenheit zum Commander-in-Chief ausdrücken wollen, ist ein wenig unerheblich. Wenn die harte Währung Aufmerksamkeit gezählt wird, dann ist auch das wieder ein schöner Erfolg für Trump. Überhaupt war sein Einzug ins Super-Bowl-Stadion eine Art Siegerrunde, weil die ihm einst kritisch und distanziert gegenüberstehende NFL allen Widerstand aufgegeben zu haben scheint. 

Knieten einst Spieler während der Nationalhymne nieder, um nach der Ermordung George Floyds ihre Solidarität mit den Black-Lives-Matter-Portesten auszudrücken, wurde jetzt der Schriftzug »End Racism« in der Endzone des Spielfeldes entfernt. Dort steht jetzt »It Takes All of Us« zu lesen. Ein Satz, der auch als Aufruf zur Inklusion verstanden werden darf, aber eben ein wenig blumig erscheinen muss. Mehr noch, er kann als das Eingeständnis einer ideologischen Niederlage interpretiert werden. Schließlich behauptet Trump unentwegt seit Jahren, er und seine Republikaner seien »farbenblind« und der angebliche Rassismus sei in den USA überwunden und würde nur mehr als Vorwurf von der radikalen Linken aufgewärmt, weil diese Amerika »hasse«. Das kann man so sehen, wenn man will, es gibt nur wenig Anker für diese Sichtweise in der Realität. Durch das jetzt von Trump veranlasste Beenden vieler Gleichstellungsmaßnahmen (DEI initiatives) wird nicht die vollendete Emanzipation gefeiert, sondern eher das alte Unterdrückungsregime bestärkt. Dass wollen aber viele im Publikum wohl nicht hören.

Trump als Trottel

In seinem 2018er-Song »The Heart Part 4« nennt Kendrick Lamar Trump übrigens einen Trottel (»Trump is a chump«). In seiner eher durchwachsenen Halftime Show, in der Tänzer*innen in Nationalfarben um ihn herumschwirren und er zwischenzeitlich mit der R’n’B-Größe SZA ein Duett zum Besten gibt, gibt es kein auffälliges Zeichen von Opposition. Man mag Lamar zugutehalten, dass er an sein Publikum denkt, das einfach nach Unterhaltung darbt. Nur wenn andere die Shows zur Inszenierung ihrer selbst und ihres Herrschaftsanspruchs nutzen, dann ist Schweigen Verrat. Weiß Lamar natürlich auch. Mit Gil Scott-Herons 1971er-Poem rappt Lamar: »The revolution won’t be televised, you picked the right time but the wrong guy.« Hmmm, das könnte ein wichtiger Hinweis sein. Die Tänzer*innen tragen farblich abgestimmte Kleider, die wie einfärbige Overalls wirken. Aus der Ferne scheinen sie zunächst ein wenig auszusehen wie die Kluft der Häftlinge aus Guantánamo. Das kann natürlich ein Zufall sein. Im Publikum erscheint mirakulös die Schrift »Warning wrong way«. Na, wie das wohl gemeint ist? Die letzten Worte Lamars ans Publikum lauten: »Turn this TV off.« Wäre besser. Aber den TV-Präsidenten kriegt man nicht ausgeschaltet, die ganze Welt versucht seit 10 Jahren, den Sender zu wechseln. 

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