In zweifacher Ausführung, von Gabriel Mayr & David Višnjic:
Da blättere ich kürzlich durch eine alte Ausgabe des »Glamour«-Magazins (ja, kein Scherz) und lese im sogenannten »Glamourama«, dass Lo-Fi »der neue Indie-Pop« sei. Was die alles wissen. »Unter dem Begriff Low Fidelity versammelt die Musik-Presse gerade Künstler wie James Blake oder Anna Calvi und Bands wie Cults.« Potz Blitz! Mehr? Gerne: »Nach den rockigen Nuller-Jahren wird’s 2012 leiser: Lo-Fi klingt nach wenig Technik, ist gefühlvoll, langsam und meist mit einer Elektro-Prise gewürzt.« Toll! »Glamour« schafft es mit wenigen Worten mein Musikuniversum auf den Kopf zu stellen. Ich dachte bei Lo-Fi immer an Guided By… Nein? Und Dinosaur… Auch nicht? Es wäre interessant eine Rezension zum neuen Album der Sex Jams in »Glamour« zu lesen, vermutlich würde sie die Worte »High End«, »klinisch« und »überproduziert« enthalten. Und Roy Thomas Baker ist der neue Steve Albini. Die Wiener Truppe aus dem Umkreis von Killed By 9V Batteries und Mile Me Deaf formt mit mit ihrem zweiten Album »Trouble, Honey« ein nahkampferprobtes Bataillon aus 11 Einheiten, die Dinosaur Jr. durch den Big Black-Schredder jagen. Das ist ja sooooo 90ies? Sicherlich, doch anstatt deren Revival aufhalten zu wollen, stehen Sex Jams lieber in der ersten Reihe. Die haben es halt immer schon gewusst. Mehr noch als auf dem Debüt schimmert ein gesundes Popverständnis durch, was sicher auch auf den Beitritt von Wolfgang Möstl vor drei Jahren zurückzuführen ist. »Trouble Honey« ist ein höchst kurzweiliges und sympathisches, allerdings auch abnützungsanfälliges Album. Doch bis die nächste Mile Me Deaf erscheint wird es seine Dienste tun.
Gabriel Mayr
Es gibt Alben, die beim ersten Mal Hören derart fesseln, dass man noch Jahre später feuchte Augen bekommen möchte. Weiteres gibt es Platten, die sofort klarmachen, dass man dieses komplizierte Hin und Her lieber sofort beenden sollte. Es gibt die Ûberraschung, die aus anfänglicher Skepsis entstehende Liebe, und dann gibt es die sogenannte Täuschung. Man glaubt etwas zu mögen, muss aber mit der Zeit feststellen: »Lieber doch nicht, honey, das mit uns bringt nur trouble«. Die Gruppe um Sängerin Katie Trenk hat sich auf ihrem zweiten Album definitiv weiterentwickelt, weg vom zornigen Grunge des Vorgängers in Richtung Noise, der sichtbar mit einem aus dem Gemeinschaftsgarten von Thurston Moore und J. Mascis geklautem Zaunpfahl winkt. Energie ja, aber keine wirkliche Grantigkeit, die den elf Songs zugrunde liegt; aber gut, woher soll diese auch kommen. Ein Gefühl von Epigonie schleicht sich ein. Nun ist Trenk aber nicht das einzige Mitglied der Sex Jams, es gibt noch Wolfgang Möstl, der zur Unart der Nebeneinanderstellung einlädt oder eher zwingt. Ist dieser doch gleichzeitig Kopf von Killed By 9 Volt Batteries und von Mile Me Deaf, denen man sich in Sachen Liebe auf den ersten Klang nur schwer entziehen kann. Der Vergleich drängt sich nicht nur wegen ihm auf (mit Rudi Braitenhaler ist ein weiteres Mile Me Deaf-Mitglied an Bord), sondern vor allem wegen der musikalischen Verwandtschaft der Gruppen. Bloß will man beiden anderen Gruppen eher (ver-)trauen, und das von Anfang an. Nicht so »Trouble, Honey«: nach mehrmaligem Hören wird es breiiger, beliebiger. Die Platte dreht immer wieder ihre Runden, ohne aber jene Aufmerksamkeit zu erregen, welche sie lautstark in Form von Kreissägen, pardon Gesang, und Gitarrengeschrei einfordert. Man muss schließlich einen Entschluss fassen und der heißt Schlussmachen. Das wird nichts mit uns, nicht in der jetzigen Phase des Lebens. Es liegt nicht an dir, sondern eher an mir. Wir können aber gerne Freunde bleiben.
David Višnjic